VerGIFTungen auf der Spur

VerGIFTungen auf der Spur

Zahlen der Tox Info Suisse von 2023 zeigen: Für Vergiftungen in der Schweiz sind vor allem Medikamente und Haushaltprodukte verantwortlich. Über 40'000 telefonische Gift-Beratungen führte die Tox Info im letzten Jahr durch. Die Statistik kontrastiert mit der medialen Berichterstattung. Wenn in den Medien von «Gift» die Rede ist, sind meist Pflanzenschutzmittel im Fokus. In der Beratungsstatistik figurieren Produkte aus Landwirtschaft und Gartenbau jedoch mit 2,2 Prozent der Anfragen gegen den Schluss der Tabelle.

Freitag, 26. Januar 2024

«Mit 41'261 Beratungen wurde die Giftberatung gegenüber dem Vorjahr 1,7 Prozent häufiger in Anspruch genommen. Wie jedes Jahr betrafen gut 40 Prozent der Anfragen Kinder im Vorschulalter, dabei handelt es sich typischerweise um Unfälle. Bei Jugendlichen (rund 5 Prozent aller Anrufe) hingegen stehen beabsichtigte Vergiftungen im Vordergrund, vor allem Suizidversuche und zu einem kleineren Teil Substanzmissbrauch», schreibt die Tox Info Suisse in einer Medienmitteilung. Auch Radio SRF hat darüber berichtet. (4:29)

Die Statistik der Vergiftungsberatung deckt sich auch mit Aussagen von Experten. So hat der deutsche Veterinärmediziner und Mikrobiologe Andreas Hensel in einem bemerkenswerten Interview mit dem Berliner Tagesspiegel aufgezeigt, wie fehlgeleitet die Risikowahrnehmung der Menschen im Zusammenhang mit Pestiziden ist. Hensel ist seit 2003 erster Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin, welches die Sicherheit von Chemikalien untersucht. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Verbraucherschutz. Hensel hat kürzlich in der FAZ den Satz geprägt: «Die meisten Menschen sterben nicht an Dingen, über die sie besorgt sind.»

Die Statistik der Tox Info Suisse kontrastiert mit vielen Medienberichten zum Thema Pflanzenschutzmittel, wo ständig vor Gift in Lebensmitteln gewarnt wird. Gegenüber der FAZ sagt Hensel zudem: «In Deutschland ist insbesondere die Furcht vor der sogenannten Chemie im Essen sehr hoch. Dabei sind unsere Lebensmittel sicherer als je zuvor. In unserem alltäglichen Leben kommen wir permanent mit potentiell gefährlichen Situationen oder Stoffen in Kontakt. Trotzdem besteht für unsere Gesundheit dabei nicht zwangsläufig ein Risiko. Es gibt hierzulande keinen Hinweis darauf, dass sich irgendjemand durch Lebensmittel mit Pflanzenschutzmittelrückständen vergiftet hat. Das zeigen die Auswertungen der deutschen Giftinformationszentren. Dennoch wird das angstmachende Narrativ des giftigen Pflanzenschutzmittelrückstands seit Jahrzehnten in aller Regelmässigkeit bedient.»

Gut zu wissen:

Chemophobie bezeichnet die panische Angst vor Chemie. Im Gegensatz dazu wird im Natürlichen der Quell alles Guten gesehen. Diese vereinfachte Sicht ist wissenschaftlich gesehen ein Unsinn. Synthetisch ist nicht gleichbedeutend mit giftig, wie Laien oft meinen. Entscheidend für die Giftigkeit ist sowohl bei natürlichen als auch synthetischen Stoffen die Dosis.

Ähnliche Artikel

Den Gegnern grüner Gentechnik fehlen Fakten. Ihre Antihaltung ist gefährliche Ideologie
Medien

Den Gegnern grüner Gentechnik fehlen Fakten. Ihre Antihaltung ist gefährliche Ideologie

Die Schweiz und die EU entscheiden 2025 über den Anbau mittels neuer Züchtungstechnologien veränderter Pflanzen. Eine Zulassung ist vernünftig – und längst überfällig. Denn Gentechnik ist bereits heute verbreitet.

«Es gibt kein chemiefreies Essen – hat es nie gegeben und wird es auch nie geben»
Medien

«Es gibt kein chemiefreies Essen – hat es nie gegeben und wird es auch nie geben»

Chemische Rückstände in unseren Lebensmitteln werden in den Medien immer wieder heiss diskutiert. Ein Blick nach Österreich zeigt: Es ist eine Illusion zu glauben, dass eine rückstandsfreie Lebensmittelproduktion möglich ist. Denn es gibt Rückstände aus natürlichen wie synthetischen Quellen. Und bei allen gilt: Die Menge macht das Gift.

Warum Hauskatzen die Biodiversität bedrohen
Medien

Warum Hauskatzen die Biodiversität bedrohen

In Schottland wird derzeit über ein Haltungsverbot für Hauskatzen diskutiert. Der Grund: Getrieben durch ihren Jagdinstinkt sind sie in der Lage, ganze Tierarten auszurotten. Auch in der Schweiz hat man die Büsi-Problematik auf dem Schirm. Hausarrest oder Verbote hätten aber kaum eine Chance – denn die Katzen-Lobby ist nicht zu unterschätzen.

Olivenöl wird zur Luxusware – und Raps steckt in der Klemme
Medien

Olivenöl wird zur Luxusware – und Raps steckt in der Klemme

Olivenöl ist mittlerweile so teuer, dass Supermärkte in Südeuropa die Flaschen anketten müssen. Ernteausfälle haben die Preise explodieren lassen. Eine Alternative könnte Rapsöl sein – doch genau dessen Anbau gerät unter Druck. Es fehlen wirksame Pflanzenschutzmittel, um die Kulturen zu schützen und die Erträge stabil zu halten.

Weitere Beiträge aus Medien