
«Vertical Farming» für Stadtbevölkerung?
Die Weltbevölkerung wächst. Und mit ihr auch die Städte. Schon heute lebt mehr als die Hälfte der Erdbewohner in Städten. Die Versorgung von Mega-Cities wird zu einer immer grösseren Herausforderung. Landwirtschaftliche Flächen stagnieren oder nehmen durch Verstädterung und Abnahme der Bodenqualität ab. Es gibt jedoch Möglichkeiten, wie Städte in Zukunft mehr zur Nahrungsmittelproduktion beitragen können. Eine davon ist «Vertical Farming».
Donnerstag, 28. Oktober 2021
Eine der grössten Herausforderungen für die globale Landwirtschaft ist das Bevölkerungswachstum. Die UNO rechnet damit, dass im Jahr 2050 9,5 Milliarden Menschen auf der Erde Leben werden. 70 Prozent davon werden in Städten oder sogenannten «Mega-Cities» wohnen. Gleichzeitig stagnieren die Anbauflächen oder gehen zum Beispiel infolge von Erosion und Verstädterung sogar zurück. Es muss also auf tendenziell weniger Land, mehr produziert werden um genügend Nahrungsmittel bereitzustellen. Die Versorgung von «Mega-Cities» mit Frischprodukten von aussen wird zudem zu einer immer grösseren logistischen Herausforderung. Es braucht deshalb Lösungen, wie Städte selbst mehr zu ihrer Versorgung mit Nahrungsmitteln beitragen können. Und hier gerät «Urban Farming» zum Beispiel durch «Vertical Farming» mehr und mehr in den Fokus. «Genetic Literacy Project» zeigt mögliche Vorteile des vertikalen Anbaus von Kulturpflanzen.
Megatrend: Urbanisierung, Ressourcenknappheit
Grössere Ressourceneffizienz
«Vertical Farming» bezeichnet meist den Indoor-Anbau von Kulturpflanzen mittels übereinandergestapelten Regalen und/oder in mehreren Etagen. Durch das Stapeln kann auf gleichbleibender Grundfläche ein Vielfaches dessen angebaut werden, was auf der gleichen Fläche unter freiem Himmel möglich wäre. Es existieren jedoch auch Formen von «Vertical Farming» bei denen die Pflanzen vertikal auf Wänden angepflanzt werden. Neben der viel besseren Ausnutzung von Flächen ist der verminderte Einsatz von Wasser und Pflanzenschutzmitteln ein weiterer Vorteil. Bei bestimmten Sorten kann alle zehn Tage geerntet werden. Und: Es muss nicht auf externe Faktoren wie das Wetter Rücksicht genommen werden. Künstliches Licht und Bewässerung können während 365 Tagen im Jahr konstant gehalten werden. Gemäss «Genetic Literacy Project» kann der jährliche Ertrag mit «Vertical Farming» um bis zu 700 Prozent gesteigert werden.
Pilotprojekt in der Schweiz
Auch in der Schweiz gibt es immer wieder Start-ups, die sich damit beschäftigen. Zum Beispiel das ETH-Spin-off «Yasai». Es nimmt diesen Sommer den ersten «vertikalen Bauernhof» der Schweiz in Betrieb. Die Pilotanlage befindet sich in Adliswil und wurde in Zusammenarbeit mit der Agrargenossenschaft Fenaco aufgebaut. Ein Vorteil ist der geringe Pestizidverbrauch. Weil die hermetisch abgeriegelte Halle unter einem stetigen leichten Überdruck gehalten wird, können sich Keime und Schädlinge nicht ausbreiten. Allerdings eignet sich diese Anbauform zumindest bisher nicht für Ackerfrüchte oder grosse Nutzpflanzen, die massgeblich zur Kalorienproduktion der Welt beitragen. Und auch der grosse Energiebedarf ist eine Herausforderung. Die Forschung geht aber auch hier weiter.
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