Von der Stammzelle zum Steak
Wissen

Von der Stammzelle zum Steak

Die Produktion von Fleisch verbraucht sehr viele Ressourcen. Und Menschen essen aus den unterschiedlichsten Gründen kein oder weniger Fleisch. Eine wachsende Anzahl Unternehmen forscht deshalb an alternativen Fleischprodukten – beispielsweise aus dem Labor. Doch der Weg zum perfekten Steak aus der Petrischale ist eine grosse Herausforderung.

Montag, 1. November 2021

Pflanzliche Fleischalternativen gibt es schon lange. Bereits seit den 1970er-Jahren sind Burger aus Bohnen oder Soja erhältlich. Seither wurden die Rezepturen der pflanzlichen «Fleischprodukte» weiterentwickelt und verfeinert. Doch es gibt ein grundlegendes Problem: Die Struktur von Fleisch nachzuahmen ist äusserst anspruchsvoll. Pflanzenzellen und Muskelzellen unterscheiden sich fundamental. Während Muskeln elastisch und biegsam sind, sind Pflanzenzellen starr und unbiegsam. Das ETH Spin-off planted hat sich diesem Problem angenommen und ein pflanzenbasiertes «Pouletfleisch» entwickelt, das mittels Extruder-Verfahren möglichst nahe an die Fleischstruktur herankommt.

Doch auch der typische Fleischgeschmack vor allem von Rindfleisch ist schwer zu erreichen. Dahinter steckt eine komplizierte chemische Reaktion, die beim Erhitzen von Fleisch entsteht und die von Forschern noch nicht komplett verstanden wird. Aufgrund der Blutzellen erhält Tierfleisch seine rote Farbe sowie ein charakteristisches Eisenaroma. Die Firma «Impossible Foods» erreicht beide Eigenschaften durch das Beifügen von «Heme», einem blutähnlichen roten Farbstoff, der aus den Wurzeln von Sojapflanzen gewonnen wird.


Fleisch aus der Petrischale

Um leidenschaftliche Fleischesser von Alternativen zu überzeugen, braucht es Produkte, die aussehen wie Fleisch, schmecken wie Fleisch und preislich erschwinglich sind. Deshalb forschen derzeit immer mehr Nahrungsmittelhersteller an «künstlichem» Fleisch aus dem Labor – sogenanntem «Cultured Meat». Bereits 2013 wurde der erste «Lab-based» Hamburger hergestellt und live im Fernsehen gegessen. Seither forschen Dutzende Unternehmen auf der ganzen Welt am Laborfleisch. Die Idee dahinter ist folgende: Aus einer ganz kleinen Gewebeprobe eines Rinds werden sogenannte Satellitenzellen gewonnen. Dabei handelt es sich um eine Art Muskelstammzellen, die im Falle einer Verletzung neue Muskelmasse produzieren.

Die Satellitenzellen kommen in eine Petrischale und werden dort zum Wachstum angeregt. Dafür braucht es ein Medium, das die Stammzellen mit Nährstoffen versorgt und ihre Vermehrung ständig anregt. In Zukunft sollten solche «Kulturmedien» aus pflanzlichen Stoffen bestehen. Infrage kommen beispielsweise bestimmte pflanzliche Proteine. Um diese und weitere nötige Stoffe wie Vitamine oder Aminosäuren in grossen Mengen für die Produktion zu gewinnen, braucht es biotechnologische Verfahren.

Megatrend: Ressourcenknappheit, Ökologie

So könnten schon relativ bald ganze Steaks hergestellt werden, ohne dass dafür Tiere sterben müssen. Dies ist dem israelischen Unternehmen Aleph Farms Ende 2018 gelungen. Bis jetzt ist Singapur das einzige Land auf der Welt, das ein Fleischprodukt aus der Petrischale für den Verkauf freigegeben hat. Ob sich Konsumentinnen und Konsumenten in Europa an der Fleischalternative aus dem Labor erfreuen können, muss sich noch zeigen. Dass die Konsumentinnen und Konsumenten derzeit noch zurückhaltend sind, lässt zumindest eine Umfrage durch sotomo erahnen.

Ähnliche Artikel

Exportiert die Industrie verbotene Pestizide?
Wissen

Exportiert die Industrie verbotene Pestizide?

Die Medien sind voll von Berichten über Schweizer Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, die Pestizide exportieren, die in der Schweiz verboten sind. Schwache Vorschriften in den Importländern würden bewusst ausgenutzt. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Die Schweizer Hersteller halten sich beim Export von Pflanzenschutzmitteln an strenge internationale Normen. Da Zulassungen zudem kulturspezifisch und abgestimmt auf die agronomischen Bedürfnisse und den Markt erfolgen, macht eine generelle Zulassung in der Schweiz keinen Sinn.

Weil Pflanzen Schutz vor Schädlingen und Krankheiten brauchen
Wissen

Weil Pflanzen Schutz vor Schädlingen und Krankheiten brauchen

Die Gesundheit unserer Nutzpflanzen ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: In unserer von Mobilität geprägten Welt verbreiten sich Schädlinge und Pflanzenkrankheiten wie die Lauffeuer. Als Brandbeschleuniger wirkt der Klimawandel. Wenn Schädlinge migrieren und sich neue Pflanzenkrankheiten in unseren Breitengraden etablieren, können sie zur Gefahr für einheimische Arten werden. Daran erinnert jeweils am 12. Mai der internationale Tag der Pflanzengesundheit. Und der Tag zeigt: Um die Pflanzengesundheit auch in Zukunft zu gewährleisten, braucht es vor allem Forschung und Innovation.

Von Daten zu Ernten – Wie die Digitalisierung die Landwirtschaft verbessert
Wissen

Von Daten zu Ernten – Wie die Digitalisierung die Landwirtschaft verbessert

Die Digitalisierung ist in der Landwirtschaft angekommen. Am Swiss-Food Talk vom 25. April 2023 sprachen drei Experten aus Landmaschinenindustrie, Gemüsebau und Agrarjournalismus darüber, wie die Digitalisierung die Produktion von Lebensmitteln verändert. Einigkeit herrscht darüber, dass wir uns am Übergang von der industriellen zur intelligenten Landwirtschaft befinden. Daten und Algorithmen als Unterstützung erlauben präzise Eingriffe und dienen damit auch der Nachhaltigkeit.

«Wie wird die Land- und Ernährungswirtschaft fit für die neue Normalität?»
Wissen

«Wie wird die Land- und Ernährungswirtschaft fit für die neue Normalität?»

Es sei Zeit, sich von der Millimeter-Agrarpolitik zu verabschieden, findet Liebegg-Direktor Hansruedi Häfliger angesichts der weltweiten Multikrise. Die Bauernfamilien sollen die notwendigen Handlungsspielräume zurückbekommen, damit die Land- und Ernährungswirtschaft resilienter wird.

Weitere Beiträge aus Wissen