Von Patenten und Peperoni

Von Patenten und Peperoni

Das Europäische Patentamt (EPA) hat eine Beschwerde verschiedener NGO gegen ein Peperoni-Patent der Firma Syngenta abgewiesen. Das berichten verschiedene Medien. Die mit der Berichterstattung einhergehende Skandalisierung von Patenten in Zusammenhang mit Pflanzen ist jedoch nicht angezeigt. Pflanzenzüchter brauchen keine Angst vor einer «Patentfalle» zu haben. Im Gegenteil: Patente fördern die Transparenz und befeuern den Fortschritt.

Donnerstag, 23. Februar 2023

Den «Stein des Anstosses» bildet eine Peperoni (in Deutschland Paprika) mit einer bestimmten Eigenschaft, für die Syngenta im Jahr 2008 ein Patent angemeldet hatte. Sie ist gegen die Weisse Fliege resistent, was für Konsumenten schöneres und länger haltbares Gemüse und für Landwirte einen geringeren Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln zur Folge hat. Die Peperoni ist das Ergebnis von rund zehn Jahren intensiver Forschung und Entwicklung. Forschende von Syngenta selektierten nach aufwendiger Suche eine wilde Peperoni-Sorte, die eine Resistenz gegenüber der Weissen Fliege aufwies. Mittels moderner Verfahren konnte die genetische Eigenschaft, welche der Pflanze ihre Resistenz verleiht, identifiziert und lokalisiert werden.


Ein neues Produkt

In einem mehrjährigen Prozess wurden diese wilden Peperoni anschliessend mit ertragreichen bestehenden Sorten gekreuzt. Bei den so gezüchteten Pflanzen musste stets darauf geachtet werden, dass die genetische Eigenschaft der ursprünglichen wilden Peperoni immer noch in der neuesten Zuchtlinie vorhanden ist. Aus diesem Entwicklungsprozess resultierte eine absolute Neuheit: Eine Peperoni, die sich bezüglich Geschmack und Ertrag nicht von herkömmlichen Sorten unterscheidet, jedoch gegenüber der Weissen Fliege resistent ist. Diese neuartige Eigenschaft wurde vom Europäischen Patentamt als genügend innovativ und erfinderisch betrachtet, um die Pflanze mit dieser bestimmten Eigenschaft patentieren zu lassen.

Widerstand von NGO

Das weckte bei vielen NGO Widerstände. Eigenschaften von Pflanzen insbesondere Wildpflanzen sollen nicht patentiert werden dürfen. Im Falle von Eigenschaften, die von wilden Pflanzen abstammen ist das heute auch so. Sogenannte «native traits» sind in Europa nicht mehr patentierbar. Dies hatte das Europäische Patentamt jedoch erst mit einem Entscheid von 2020 in höchster Instanz bestimmt: Seit 2017 dürfen in Europa Eigenschaften aus Wildpflanzen nicht mehr patentiert werden. Diese neue Regel für die Patentierbarkeit kann jedoch nicht rückwirkend angewendet werden. Sie gilt nur für neu eingereichte Patentanmeldungen. Insofern ist es korrekt, dass Syngenta ihr 2008 angemeldetes und 2013 erteiltes Patent behalten darf (es hat wie alle Patente eine Laufzeit von nur 20 Jahren ab dem Datum der Anmeldung). Der Aufschrei wäre damit nicht nötig gewesen. In Zukunft stellt sich die Frage in Bezug auf europäische Patente nicht mehr. Ausserhalb Europas gibt es aber nach wie vor Patente für solche «native traits». Die neue Regelung benachteiligt also Züchter, die ihre Innovationen in Europa zum Patent anmelden wollen.

Blindspot-Artikel

Eine umfassend nachhaltige Lebensmittelproduktion und eine gesunde Ernährung sind komplexe Themenfelder. Es braucht die Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln. Doch unliebsame Fakten kommen in der öffentlichen Diskussion häufig zu kurz. Wir beleuchten, was gerne im Schatten bleibt. So kommen die Zielkonflikte zur Sprache.

Angst vor «Patentfalle» unbegründet

Allerdings genügt das vielen NGOs nicht. Sie fordern ein generelles Verbot von Patenten im Zusammenhang mit biologischem Material, besonders Pflanzeneigenschaften. Sie begründen dies unter anderem damit, dass Patente im Zusammenhang mit Pflanzeneigenschaften den freien Zugang zu Züchtungsmaterial und die Entwicklung neuer Sorten verhindern würden. Dies ist bei genauer Betrachtung jedoch nicht korrekt. Egal ob patentiert oder nicht: Es darf in jedem Fall mit sämtlichen Pflanzensorten weiter gezüchtet und Forschung betrieben werden (PatG Art. 9 Abs. 1 Bst. e). In der Datenbank PINTO (Patent Information and Transparency Online) legen fast alle grossen Saatgutunternehmen zudem ihre Patente offen. Angst davor, in die «Patentfalle» zu treten, müssen Schweizer Züchter keine haben. Sie sind vielmehr aufgefordert, auch ihre eigenen Zuchterfolge zu schützen und eintragen zu lassen. Denn Trittbrettfahrer, die mit wenig Aufwand eine aufwendig gezüchtete neue Sorte verändern und dann günstig vermarkten wollen, gibt es viele.


Patente befeuern den Fortschritt

Falls ein europäisches Züchtungsunternehmen patentiertes Material dennoch zu kommerziellen Zwecken nutzen will, gibt es über die ACLP (Agricultural Crop Licensing Platform) und die ILP (International Licensing Platform Vegetable) die Möglichkeit auf einfache Weise den Zugang zu patentiertem Material über Lizenzübereinkommen zu erhalten, besonders auch für kleine Züchter. Diese Plattformen erhöhen damit die Transparenz in Bezug auf Patente und ermöglichen eine einfache Suche nach Schlagworten. Patente sind nicht mit einem «Geschäftsgeheimnis» zu verwechseln. Dadurch, dass mit der Patentveröffentlichung das «Rezept» öffentlich gemacht wird, dient es der Transparenz und befördert nicht zuletzt den technischen Fortschritt. Bestes Beispiel hierfür sind Smartphones. In ihnen stecken Hunderte von Patenten. Niemand würde deshalb behaupten, dass sie die Entwicklung und Innovation in der Mobiltelefonie behindert hätten. Weshalb sollte dies bei Pflanzen anders sein?

Was ist ein Patent?

Ein Patent ist ein Rechtstitel, der seinem Inhaber das Recht gibt, Dritte daran zu hindern, eine Erfindung ohne Genehmigung zu gewerblichen Zwecken zu nutzen. Als Gegenleistung für diesen Schutz muss der Inhaber die Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich machen. Zweck der Publikation ist, dass Dritte von der Erfindung lernen und sie verbessern können. Der Patentschutz wird für einen begrenzten Zeitraum von 20 Jahren gewährt. Diese Frist läuft ab Zeitpunkt der Patentanmeldung. Es kann gut und gerne sein, dass bis zur Produktreife und Markteinführung nochmals zehn Jahre vergehen und damit schon die halbe Frist verstrichen ist, in der ein Patentinhaber einen «return on investment» erzielen kann. Bei der oben beschriebenen Peperoni wurde das Patent beispielsweise 2008 angemeldet und der Schutz läuft entsprechend im Jahr 2028 definitiv aus. Erst durch den befristeten Schutz von Erfindungen wird es für Unternehmen attraktiv, in neue Technologien zu investieren. Um ein Patent zu erhalten, muss die Erfindung vor allem neuartig sein und auf eine erfinderische Tätigkeit aufbauen. Eine patentierbare Erfindung muss eine technische Lösung für ein technisches Problem beinhalten. Etwas, das schon bekannt ist oder bloss in der Natur entdeckt wird, ist keine patentierbare Erfindung.


Gibt es Patente auf ganze Sorten oder Arten?

Nein, für Tierrassen und Pflanzensorten werden in der EU und der Schweiz keine Patente erteilt (PatG Art. 2 Abs. 2 Bst. b). Reisserisch vereinfachende Formulierungen wie «das Peperoni-Patent» in einigen Medien tragen leider zur Verwirrung bei. Bei besagtem Patent ist nur eine Peperonipflanze geschützt, wenn sie das bestimmte von Syngenta entwickelte Merkmal trägt. Dabei ist nur die im Patent genau beschriebene genetische Eigenschaft entscheidend, welche die Pflanze resistent macht gegenüber der Weissen Fliege. Weder wurde die ursprüngliche wilde Peperoni patentiert noch irgendeine andere Pflanze, die diese Eigenschaft nicht enthält. Auch können Eigenschaften einer Pflanze nicht (mehr) patentiert werden, sofern sie bloss das Resultat traditioneller Züchtungsmethoden sind (Rechtsbegriff: «im Wesentlichen biologische Verfahren»). Das heisst, es besteht für traditionelle Züchter, die sich nur althergebrachter Techniken und alter Sorten bedienen, ohnehin keinerlei Risiko, in die «Patentfalle» zu tappen.

Beispiele für Pflanzen-Innovation

Jede Innovation muss geschützt werden, ob mit Patenten oder Sortenschutz. Es ist aber nicht schwierig, gute Beispiele zu finden, die uns als Konsumenten, den Landwirten im Anbau oder ökologisch grosse Vorteile bieten. Hier zwei Beispiele:

Delisher ist eine besondere Cherry-Tomate. Es ist die weltweit erste Cherry-Tomate am Rispenstock, von Bayer 2016 lanciert. Diese scheinbar kleine Innovation ist nicht nur für den Erzeuger von Vorteil, sondern fördert auch die Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette. Da die starke Rispe die Früchte zusammenhält, ermöglicht das eine bedeutende Reduktion des Verpackungsmaterials und der Lebensmittelabfälle.

Auch zur Vermeidung von Food Waste trägt die IDEAL Melon von Syngenta bei. Die Schale der Melone wurde so gezüchtet, dass sie als Ernteindikator wirkt. Der Farbwechsel der Schale gibt den Beteiligten in der gesamten Wertschöpfungskette einen visuellen Hinweis auf den idealen Zeitpunkt für die Ernte auf dem Feld, den idealen Zeitpunkt für den Versand an die Vertriebszentren und den idealen Zeitpunkt für die Bestückung der Regale. Nicht nur kann der Konsument damit immer optimal reife Melonen geniessen, auch kann Food Waste aufgrund unreifer oder überreifer Früchte verhindert werden.

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