Wenn Panik mit Wissen kollidiert
Chemophobie lautet der wissenschaftliche Fachbegriff. Und er bezeichnet die panische Angst vor Chemie. Im Gegensatz dazu wird im Natürlichen der Quell alles Guten gesehen. Diese vereinfachte Sicht ist wissenschaftlich gesehen ein Unsinn. Synthetisch ist nicht gleichbedeutend wie giftig, wie Laien oft meinen. Entscheidend für die Giftigkeit ist sowohl bei natürlichen als auch synthetischen Stoffen die Dosis.
Freitag, 24. Januar 2020
Das Wichtigste in Kürze:
- Chemophobie bezeichnet die panische Angst vor Chemie.
- Dabei wird dem Natürlichen automatisch gute Eigenschaften zugeschrieben, während alles Synthetisierte als schädlich oder ungesund betrachtet wird.
- Mit naturwissenschaftlichem Wissen lässt sich die Angst vor der Chemie verringern.
Natürlich ist gesund. Chemie macht krank. Das ist der einfache Nenner, der tausendfach gespiegelt durch Marketing und Halbwissen sich hartnäckig in unserem gesellschaftlichen Bewusstsein verankert hat. Diese Sicht lässt die Dosis völlig ausser Acht, wie ETH-Forscher Michael Siegrist sagt. «Die Idee, dass etwas verunreinigt und gleichzeitig harmlos sein kann, geht Laien völlig gegen den Strich.» In der westlichen Welt hat sich eine Sicht etabliert, dass von der Natur keine Gefahr ausgeht, dass alles Natürliche gesund ist. Dies hängt damit zusammen, dass die Natur in den letzten 150 Jahren immer weiter zurückgedrängt wurde. «Vor 150 Jahren starben die Leute an Lebensmitteln, weil sie verdorbene Nahrungsmittel essen mussten,» sagt Siegrist.
Chemophobie ist weit verbreitet
Wie Siegrist in seiner Forschung nachweist, haben Leute, die chemische Zusammenhänge besser verstehen weniger Angst vor Chemikalien. Tatsächlich meinen Laien oft, dass es für die Giftigkeit entscheidend sei, ob ein Stoff synthetisch oder natürlichen Ursprungs ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Synthetisch ist kein Synonym für «giftig». Entscheidend für die Giftigkeit für den Menschen – sowohl von natürlichen als auch synthetischen Stoffen – ist die Dosis. Das wusste auch schon Paracelsus: «Die Menge macht das Gift». Wer diese Zusammenhänge kennt, ist besser gegen Chemophobie gewappnet. Das beste Mittel gegen die panische Angst vor Chemie ist Wissen.
Chemophobie bekämpfen
Chemophobie lässt sich mit chemischem Wissen bekämpfen: Je grösser die Dosis chemischen Wissens, desto kleiner die panische Angst vor Chemie. Insofern verhält es sich bei der Chemophobie umgekehrt zur Toxikologie. Dort gilt: Je grösser die Dosis, desto giftiger.
Sources
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