Bundesrat und die neuen Züchtungstechnologien: Zu wenig und zu spät

Bundesrat und die neuen Züchtungstechnologien: Zu wenig und zu spät

Es ist enttäuschend, was der Bundesrat am 25. Oktober 2023 zum Thema neue genetische Verfahren in einer Medienmitteilung verlauten liess. Sowohl inhaltlich als auch zeitlich steht die Regierung auf der Bremse. Das Zaudern ist unverständlich.

Dienstag, 31. Oktober 2023

Das Parlament hatte dem Bundesrat im Gentechnikgesetz den Auftrag erteilt, bis Mitte 2024 einen Erlassentwurf zu unterbreiten für eine risikobasierte Zulassungsregelung für Pflanzen und Saatgut, die mit neuen Züchtungstechnologien hergestellt wurden. Offenbar sieht sich der Bundesrat nun gemäss Mitteilung nicht im Stande, dies in der vorgegebenen Frist zu erfüllen. Die Botschaft werde nun erst Mitte 2025 vorgelegt, «aufgrund der hohen Komplexität der Thematik», wie er schreibt. Insbesondere «wolle man auch den Vorschlag der EU-Kommission für die Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren in die eigenen Überlegungen einbeziehen». Die Aussage erstaunt, hat die EU-Kommission doch bereits Mitte 2023 einen entsprechenden Vorschlag präsentiert.


EU-Parlament diskutiert bereits den Kommissionsvorschlag

Die Vorlage der EU-Kommission ist klar und schlüssig: Pflanzen, welche mit den neuen Züchtungsmethoden gezüchtet worden sind und keine artfremde DNA enthalten, werden einem Prüfverfahren unterzogen. Sofern diese Pflanzen den darin definierten Kriterien entsprechen, werden diese Produkte wie konventionelle Pflanzen behandelt. Das heisst, dass für diese Pflanzen keine zusätzliche Risikobewertung durchgeführt werden muss — und sie ebenso gekennzeichnet werden können wie konventionell gezüchtete Pflanzen.

Und die EU macht weiter vorwärts: Die EU-Kommission hat erklärt, dass sie das Geschäft noch vor Legislaturende im Juni 2024 verabschieden will. Und das ist durchaus realistisch, denn im Europäischen Parlament beraten die Umwelt- und die Agrarkomitees bereits den Kommissionsvorschlag. Die Chancen stehen gut, dass das Europäische Parlament bereits im Februar 2024 im Plenum darüber beraten und abstimmen wird. Auch die «Council Working Party on Genetic Resources and Innovation in Agriculture» des Europäischen Rats arbeitet intensiv und soll sich bis Ende Jahr noch viermal zu dem Thema treffen.

Dieses zielstrebige Vorgehen der EU hätte auch den zuständigen Bundesämtern auffallen müssen. Denn ein zeitlicher und inhaltlicher Gleichschritt mit der EU macht Sinn. Schliesslich hatte auch der Bundesrat in der Vergangenheit mehrfach betont, dass ein Schweizer Alleingang bei der Regulierung der neuen Züchtungsmethoden wenig Sinn machen würde, da man stark in den EU-Markt integriert sei. Zudem läuft Ende 2025 das Schweizer Gentech-Moratorium aus.


Vorsorgeprinzip wird zum Verhinderungsprinzip

Doch es droht noch Schlimmeres: Der Bundesrat lässt verlauten, dass man sich zwar bei der Vernehmlassungsvorlage grundsätzlich am Vorschlag der EU-Kommission orientieren wolle. Doch in Abweichung dazu möchte der Bundesrat «unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips stärkere Kontrollmechanismen einbauen». Man darf gespannt sein, wie der «Swiss finish» aussehen wird. Und vor allem: Wie man diesen Alleingang letztlich begründet.

Der «Swiss finish» soll im erläuternden Bericht des Bundesrats als eine «Option» zur Debatte gestellt werden. Es ist zu hoffen, dass in der Vernehmlassung klar zum Ausdruck kommt, dass ein innovationsfeindlicher Alleingang der Schweiz weder aus wissenschaftlichen noch aus politischen Gründen sinnvoll ist. Denn sonst droht das Vorsorgeprinzip einmal mehr zum Verhinderungsprinzip zu werden. Und dies in einer Zeit, wo der Anbau von genügend Nahrungsmitteln auch in der Schweiz immer schwieriger wird.

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