
Zulassungsstau wegen Umweltorganisationen
Schweizer Bauern können ihre Kulturen immer weniger gegen Schädlinge und Pilzkrankheiten schützen. Dies berichtet der «Nebelspalter». Die Zahl der zugelassenen Pflanzenschutzwirkstoffe hat seit 2005 drastisch abgenommen. Insgesamt wurden 208 Wirkstoffe nicht mehr zugelassen. Heute stehen den Landwirten nur noch 350 Wirkstoffe zur Verfügung. Und es gibt einen grossen Zulassungsstau. Zurzeit sind über 700 Gesuche für die Zulassung hängig.
Montag, 18. Juli 2022
Laut Nebelspalter gab es in den letzten Jahren ein grosses Ungleichgewicht zwischen der Zulassung von neuen Pflanzenschutzmitteln und dem Verlust der Zulassung von bestehenden Wirkstoffen. Dazu einige Zahlen:
- 2019 und 2020 hat der Bund nur gerade drei neue Wirkstoffe und 50 darauf basierende Produkte zugelassen. Gleichzeitig nahm er aber 34 Wirkstoffe und 137 Produkte vom Markt.
- Auch 2021 war das Verhältnis zwischen Neuzulassungen und dem Entzug der Zulassung ungünstig: Sechs Wirkstoffe und 126 Produkte erhielten eine Zulassung, 15 Wirkstoffe und 154 Produkte verschwanden vom Markt.
«Tragische Situation»
David Brugger, Leiter Pflanzenschutz beim Schweizerischen Bauernverband, sagt gegenüber dem Nebelspalter, dass die Schweiz bei der Zulassung noch rigider sei als die EU. Beim Branchenverband «scienceindustries» spricht man von einer «tragischen Situation». In den Nachbarländern sind viel neue Produkte bereits im Gebrauch und schützen die Kulturen. Beispiele seien ein Wirkstoff gegen Apfelwickler, ein Insektizid gegen Drahtwürmer und ein Fungizid, das den falschen Mehltau auf Zwiebeln bekämpft. Ohne die Pflanzenschutzmittel kommt es zu «Food Waste» auf dem Acker, den die Fachleute als «Food Loss» bezeichnen.
Anpassung an EU-Regeln gefordert
Der Verband fordert, dass die Schweiz Wirkstoffe und Produkte automatisch anerkennt, wenn sie in der EU zugelassen sind. Tatsache ist, dass das Zulassungsverfahren in der Schweiz noch bürokratischer geworden ist, seit das Bundesgericht dem WWF beim Zulassungsverfahren die sogenannte Parteistellung eingeräumt hat. Das hat die Verfahren kompliziert und weiter verzögert. Für die Landwirtschaft ist das gemäss Nebelspalter eine unhaltbare Situation. Demnächst soll sich auch das Parlament mit der schleppenden Zulassung befassen. Der Walliser Nationalrat Philipp Matthias Bregy verlangt, dass die Schweiz die Zulassung der EU übernimmt. Es kann nicht sein, dass die Schweiz Wirkstoffe sofort vom Markt nimmt, wenn sie die EU verbietet und gleichzeitig bei der Zulassung um Jahre hinter der EU herhinkt.
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