Im Winter erfreuen sich viele Menschen in der Schweiz über den Anblick von Singvögeln. Sie stellen in ihren Gärten Futterhäuschen auf und unterstützen die Vögel bei der Nahrungssuche. Doch wie Edgar Schuler vom «Tages-Anzeiger» berichtet, sind viele Vogelfreunde derzeit besorgt. Sie beobachten fast keine Vögel an ihren Futterschalen. Viele interpretieren dies als eindeutiges Indiz für das Artensterben, verursacht durch den Einsatz von Pestiziden.
Günstiges Nahrungsangebot
Die Vogelwarte Sempach liefert jedoch plausible Erklärungen für das Fernbleiben der Singvögel. Wie der Sprecher der Vogelwarte gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärt, wandern viele Vogelarten über längere Distanzen auf der Suche nach Nahrung umher. Sie fliegen dorthin, wo sie gute natürliche Nahrungsquellen finden. Weil der aktuelle Winter mild ist, finden sie genügend Nahrung in ihrer angestammten Umgebung. Sie sind nicht so sehr auf zusätzliche Nahrung durch Menschen angewiesen.
Mehr Futterhäuschen
Kommt hinzu, dass 2020 ein sogenanntes Mastjahr war. Buchennüsschen waren in grossen Mengen verfügbar. Ebenso produzierten Fichten und Eichen besonders viele Früchte. Auch Beeren gab es in grösseren Mengen als sonst. Das Nahrungsangebot für Vögel ist in diesem Winter besonders günstig. Die Vogelwarte Sempach weist zudem darauf hin, dass die Bestände der Vogelarten, welche gerne die Futterhäuschen besuchen, stabil bleibt oder sogar zunehmen. Weil immer mehr Menschen ein Futterhäuschen aufstellen, verteilen sich die Vögel entsprechend.
Dass weniger Vögel zu den Futterhäuschen kommen, kann hingegen nicht auf den Einsatz von Pestiziden zurückgeführt werden. Vielmehr sorgt derzeit ein Überangebot an natürlichen und künstlichen Nahrungsquellen für das Fernbleiben vieler Vögel an den Futterstellen. Das Fazit von Edgar Schuler im Morgenmail der Redaktionsempfehlungen des «Tages-Anzeigers»: «Die Zusammenhänge sind eben oft komplizierter, als der erste Anschein glauben macht.»