Die Abbauprodukte von Chlorothalonil machten vor allem letztes Jahr Schlagzeilen. Fast im Wochentakt wurde in den Medien über Grenzwertüberschreitungen des Pilzbekämpfungsmittels im Grundwasser berichtet. Wer genau hinschaut erkennt jedoch, dass die ganze Aufregung umsonst war. Die Überschreitungen haben weder mit einer unsachgemässen Anwendung des Pilzbekämpfungsmittels zu tun noch ist das Trinkwasser deshalb «vergiftet».
Unverständlicher Behördenentscheid
Anfang Dezember 2019 stufte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die viel diskutierten Metaboliten (Abbauprodukte) von Chlorothalonil als «nicht relevant» ein. Das heisst: Sie sind unbedenklich für Mensch und Umwelt. Eine Relevanzprüfung auf Basis toxikologischer Studien lieferte die Grundlage für diesen Entscheid. Trotzdem verschärfte der Bund den Grenzwert für Chlorothalonil im selben Monat im Widerspruch zur eigenen Behörde um das 100-Fache. Der Wert wurde damit von 10 Mikrogramm pro Liter auf 0,1 Mikrogramm pro Liter gesenkt. Das entspricht 0,1 Millionstel Gramm pro Liter. Es erstaunt nicht, dass es in der Folge zu vermehrten Grenzwertüberschreitungen kam. Doch deswegen ist das Schweizer Trinkwasser noch lange nicht «vergiftet».
Grenzwert sagt nichts über Gesundheitsrisiko
Dies bestätigt auch der Toxikologe Rex Fitzgerald vom Schweizerischen Zentrum für Angewandte Humantoxikologie (SCAHT): «Wir müssen zwischen gesundheitsbezogenen Grenzwerten und politisch festgesetzten Grenzwerten unterscheiden. Das wird immer wieder vermischt.» Gesundheitsbezogene Grenzwerte legen die Dosis fest, die trotz lebenslangem und täglichem Konsum keine schädliche Wirkung hat. Daneben gibt es gesetzliche Grenzwerte, die nichts mit dem Gesundheitsrisiko zu tun haben. Beim Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter handelt es sich um einen politisch festgesetzten Grenzwert. Dieser widerspiegelt den Willen des Gesetzgebers, möglichst reines Wasser zu haben. Er sagt jedoch nichts über ein mögliches Gesundheitsrisiko aus. Es sei deshalb grundfalsch, in diesem Zusammenhang von «toxischem Wasser» zu sprechen, so der Toxikologe.
Fakt ist:
Das Schweizer Trinkwasser ist qualitativ hochstehend. Rund 80 Prozent des Trinkwassers wird aus dem Grundwasser entnommen. Die Hälfte davon kann direkt und ohne Aufbereitung über das Leitungsnetz in die Haushalte geliefert werden. Bei der anderen Hälfte reicht eine einfache Desinfektion mit Chlor oder UV aus. Sowohl die nationale Grundwasserbeobachtung NAQUA als auch der Verband der Schweizer Kantonschemiker stufen die Qualität des Trinkwassers in der Schweiz als gut ein. Ein Mensch mit einem Körpergewicht von 90 Kilogramm müsste täglich 13’500 Liter oder ungefähr 100 Badewannen voll Wasser trinken, um die maximal erlaubte Tagesdosis an Chlorothalonil gemäss EFSA (Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit) zu erreichen. Im Grundwasser gilt heute für einen als “nicht-relevant” eingestuften Metaboliten in der EU eine Höchstkonzentration von maximal 10 µg/l. Einige EU-Länder wie Deutschland und Österreich haben zusätzlich gesundheitliche Orientierungswerte definiert. Diese liegen in den allermeisten Fällen bei 3 μg/l. Eine Diskussion über Chlorothalonil-Metaboliten findet dort nicht statt. Das zeigt: In der Schweiz ist nicht das Trinkwasser «vergiftet» sondern nur die politische Diskussion.