Die parlamentarische Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren» kann grundsätzlich auf eine breite Unterstützung zählen. Sie ist zwar kein Gegenvorschlag, ist aber doch eine einschneidende Antwort des Parlaments auf die beiden extremen Agrarinitiativen. Sowohl die Trinkwasser-Initiative als auch die Pestizidverbots-Initiative schränken die regionale Produktion von Lebensmitteln in der Schweiz sehr stark ein. Denn Tatsache ist: Für eine nennenswerte landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz brauchen die Landwirte auch in Zukunft Antworten auf Schädlingsbefall und Pflanzenkrankheiten.
«Relevante» und «nicht relevante» Abbauprodukte
Neben der Anerkennung des Nutzens von Pflanzenschutz für die regionale Produktion ist die Reduktion von Risiken ein Anliegen, das sowohl von Seiten der Bauern als auch von den Agrarunternehmen unterstützt wird. Wissenschaftlich ist erwiesen, dass die Reduktion am besten bei der Quelle geschieht. Das heisst, es muss beispielsweise durch präzise Anwendung oder Abstandsregelungen vermieden werden, dass die Mittel direkt in Fliessgewässer gelangen. Gesetzliche Grenzwerte für die Wirkstoffe und die Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln sind ein weiteres Mittel zur Kontrolle der Belastung.
Nun hat die Wirtschaftskommission des Nationalrats richtigerweise entschieden, dass die strengeren Grenzwerte nur bei den Wirkstoffen selbst und bei relevanten Abbauprodukten von Pflanzenschutzmitteln gelten sollen. Im Gegensatz zu relevanten Abbauprodukten sind nicht relevante Abbauprodukte nämlich ungefährlich für Mensch, Tier und Umwelt. Sie entfalten keine biologische Wirkung. Die Unterscheidung macht aus einer wissenschaftlichen und faktenbasierten Sicht sehr viel Sinn und ist auch in den EU-Staaten wie in der Schweiz gebräuchlich. Es ist auch nicht so, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, dass als nicht-relevant Abbauprodukte gelten, «bei denen keine entsprechende Wirkung nachgewiesen werden kann».
Unbedenklichkeit muss erwiesen werden
Im Gegenteil: Als «nicht relevant» gilt nur, wenn die zuständigen Behörden nach eingehender Überprüfung von wissenschaftlichen Studien zum Schluss kommen, dass die Abbauprodukte unbedenklich sind. Produzenten von Pflanzenschutzmitteln können also nicht die Hände in den Schoss legen, wie die «NZZ am Sonntag» suggeriert, sondern sie müssen aktiv einen Nachweis zur Unbedenklichkeit liefern. Das hat eine ganz andere Qualität. Erst wenn wissenschaftlich belegt ist, dass sie nicht relevant sind, darf der strenge Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter durch die Abbauprodukte überschritten werden.
Nun haben Wasser-Lobbyisten ein juristisches Gutachten bestellt, auf dem der NZZ-Artikel beruht und sie kommen darin entsprechend ausführlich zu Wort. Basierend auf der falschen Annahme der «NZZ am Sonntag» zur wissenschaftlichen Beweislage wird ein ehemaliger Beamter aus dem Kanton Solothurn zitiert, dass gerade das Beispiel Chlorothalonil beweise, dass auch nicht-relevante Metaboliten Grenzwerte einhalten müssten. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Stoff, der über Jahre als nicht relevant galt, aufgrund neuer Erkenntnisse plötzlich als relevant eingestuft werden muss – dass er also gefährlicher ist als gedacht.» So sei das im Fall Chlorothalonil geschehen.
Riskante Importstrategie
Doch genau dies ist nicht richtig. Der Bund kam vor dem zweifelhaften Verbot nämlich zum Schluss, dass die heute von den Wasserversorgern gefundenen Abbauprodukte nicht relevant sind. Dies geschah selbstverständlich auf Basis wissenschaftlicher Studien. Die Interessengemeinschaft «4aqua» will dem Gewässerschutz eine «faktenbasierte politische Stimme» geben. Das macht die Lobbygruppe wohl am besten, indem sie bei den Fakten bleibt. Wie der neuste Agrarbericht des Bundes belegt, sind nämlich die Risiken fürs Wasser in der Schweiz gesunken und nicht gestiegen.
Die einseitige Haltung der Gruppe aus Befürwortern der Trinkwasserinitiative zeigt sich auch darin, dass sie selbst Notzulassungen von Pflanzenschutzmitteln verhindern will, wenn es aufgrund des Verbots eines Pflanzenschutzmittels zu einer starken Beeinträchtigung der Inlandversorgung kommt. Vermutlich steht dahinter der Gedanke, dass man im Notfall ja alles importieren kann. Den gleichen Gedanken verfolgen auch die Initianten der Trinkwasserinitiative. Ihre Initiative müsste eigentlich «Import-Initiative» heissen. Sie verunmöglicht eine ressourceneffiziente moderne Landwirtschaft. Wer verantwortlich denkt, setzt sich für wissenschafts- und risikobasierte stete Verbesserungen in der landwirtschaftlichen Produktion wie in der Wirtschaft ein. Verbote oder das Verhindern einer nennenswerten Produktion sind dagegen nicht hilfreich.