Industry research for large-scale sustainability
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14.08.2021

Gesunde Nahrung für alle


Liebe Leserin, lieber Leser

Seit der deutlichen Ablehnung der beiden Initiativen gegen Pflanzenschutz in der Schweiz sind bereits zwei Monate ins Land gezogen. Mittlerweile liegt die Abstimmungsanalyse von gfs.bern vor. Gleichzeitig zeigen die sommerlichen Unwetter sowie der kürzlich veröffentlichte Weltklimabericht, dass es eine moderne Landwirtschaft braucht, die wissenschaftsbasiert und mit grösster Sorgfalt alle Mittel nutzt, um die Ernten zu sichern. Der Swiss-Food-Newsletter bringt ein kurzes Update zur Sommerpause und thematisiert Fragen, die uns alle weiter beschäftigen werden. Doch jetzt der Reihe nach:

«Die Schweizer Stimmbevölkerung bekennt sich zur heutigen Agrarpolitik und solidarisiert sich mit den Bauern», zu diesem Schluss kommt das Forschungsinstitut gfs.bern in ihrer Vox Analyse. Tatsächlich haben Umfragen schon im Vorfeld der Abstimmung gezeigt, dass die Landwirtschaft in der Gesellschaft stark verankert ist. Auch der Tages-Anzeiger reflektiert: «In beiden Fällen stand zudem das Vertrauen in den Bauernstand und die Verbundenheit zur Landwirtschaft im Zentrum.» Das Vertrauen ist dort besonders hoch, wo es durch eigene Erfahrung gestützt ist. Das ist auf dem Land der Fall. Wer den Bauern kennt, der vertraut der regionalen Produktion. Tendenziell ist dies bei den Leuten in den Städten weniger der Fall. Allerdings wurde der Stadt-Land-Graben im Nachhinein grösser gemacht als er wirklich war. Medien lieben das Plakative. Tatsache ist: Auch in den Städten gab es viele Neinstimmen. So waren in Lausanne 48 Prozent der Stimmenden gegen die Trinkwasser-Initiative und auch in Winterthur waren es 43 Prozent. Viele Städter haben verstanden, dass die Initiativen extrem waren und es Pflanzenschutz in der Landwirtschaft braucht, damit sie weiterhin gesundes und gut aussehendes Marktgemüse kaufen können.

Dazu kommen auch umweltökonomische Gründe: wenn die Ernte zugrunde geht, werden Ressourcen verschleudert. Arbeits-, Energie- und finanzieller Aufwand des Landwirts waren für die Katz’, es entsteht Food Waste. Das will niemand. Nach dem deutlichen Fingerzeig von Volk und Ständen gegen rigorose Pflanzenschutzverbote wird das Thema die Politik weiter beschäftigen. Und es geht auch künftig um das richtige Mass der Interventionen. Gesucht ist eine vernünftige Balance zwischen einer produktiven, regionalen Landwirtschaft, die keine Ressourcen verschleudert und dem berechtigten Anliegen, die Nebenwirkungen von Pflanzenschutzmitteln möglichst tief zu halten. Und genau diese Balance hat auch der inoffizielle Gegenvorschlag zu den Initiativen gegen den Pflanzenschutz noch nicht gefunden. Mit drastisch verschärften Grenzwerten schiesst der politische Vorstoss weit über das Ziel hinaus. Die Bestimmungen sind nicht wissenschaftsbasiert. Wir haben darauf schon vor der Volksabstimmung auf swiss-food.ch hingewiesen und auch Agroscope zeigt in ihrer anfangs August veröffentlichen Untersuchung, welche enormen Schäden gewisse der in der Umsetzungsverordnung vorgeschlagenen Massnahmen der landwirtschaftlichen Produktion zufügen würden. Besonders einschneidend ist beispielsweise die Förderung des Verzichts auf Pflanzenschutzmittel mit dem Instrument der Direktzahlungen. Damit wird die Nicht-Produktion von Lebensmitteln belohnt – ein Verschleiss von Ressourcen. Denn die Agroscope-Studie belegt, dass ein Totalverzicht auf Pflanzenschutzmittel Ertragsverluste bis zu 47 Prozent verursachen würde. Ohne Insektizide und Fungizide müssten Mindererträge von bis zu 43 Prozent in Kauf genommen werden. Zweifellos werden diese Zahlen in Jahren mit schwierigen Anbaubedingungen wie 2021 noch erheblich höher sein.

In der modernen Pflanzenschutz-Forschung haben mögliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt oberste Priorität. Die Belastung von Boden, Wasser und Nicht-Zielorganismen muss auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Für den menschlichen Körper dürfen auch geringste Konzentrationen zu keinerlei Beeinträchtigungen führen. Die Anforderungen an neue Mittel wachsen stetig. Das schlägt sich auch in einer längeren Entwicklungsdauer nieder. Dauerte es 1995 im Schnitt noch 8,3 Jahre bis ein neuer Wirkstoff die Marktreife erlangte, so betrug dieser Wert 2015 bereits 11,3 Jahre. Gestiegen ist auch der finanzielle Aufwand. Zwischen 2010 und 2014 betrugen die jährlichen Entwicklungskosten für ein neues Pflanzenschutzmittel durchschnittlich 286 Millionen Dollar. Gleichzeitig bietet die Forschung aber auch Perspektiven.

Wie die Wirtschaftsendung Trend berichtet hat, ist die Biotech-Begeisterung von Studierenden ungebrochen. Ein wichtiger Treiber sind dabei die Erfolge bei der Bereitstellung von neuen Corona-Impfstoffen. Mit dem Fokus auf Biotechnologie wird auch die Diskussion in der Bevölkerung über das «Künstliche» und das «Natürliche» angeregt. Ein gutes Gespräch zwischen der Psychologin Angela Bearth und dem Biotechnologen Sven Panke über die diesbezügliche Herausforderung findet sich im ETH Magazin «Globe». ETH und Uni Zürich verfolgen das wichtige Thema an der interaktiven Publikumsmesse Scientifica am ersten Septemberwochenende weiter. «natürlich künstlich» - selbst das Zürcher Theaterspektakel springt auf das Thema auf. Das ist gut so. Der allzu naive Glaube, dass nur das «Natürliche» gut ist, behindert den Fortschritt und schadet letztlich der Umwelt. Denn es ergibt schlicht keinen Sinn, alles aus den bereits zu knappen natürlichen Ressourcen herstellen zu wollen und damit den Druck auf Naturreservate und Urwälder noch mehr zu erhöhen.

Nicht nur die Ferien in der Schweiz fielen ins Wasser. Auch die landschaftlichen Kulturen haben in den vergangenen Wochen durch Nässe und Unwetter stark gelitten. So sind die Qualität und die Erträge bei Gerste zumeist schlecht, beim Raps zeichnet sich ähnliches ab. Pflanzenkrankheiten und Schädlinge machen den Bauern zu schaffen. Auswuchs, Mykotoxine und Fäulnis werden gemäss Schweizer Bauer zu sehr schlechten Ernten führen. Um die Kraut- und Knollenfäule nur einigermassen im Griff zu haben, braucht es Pflanzenschutzmittel. Ruedi Fischer, Präsident der Kartoffelproduzenten, sagt gegenüber dem Schweizer Bauer: «Die Krautfäulesituation ist in der ganzen Schweiz ausserordentlich. (…) Der Verbrauch an synthetischen Fungiziden wird dieses Jahr überdurchschnittlich hoch sein. Vor 150 Jahren, als unsere Vorfahren noch keine Fungizide hatten und die Kartoffelimporte auch nicht möglich waren, hätte eine solche Situation wohl zu einer Hungersnot geführt – und dies nur wenige Wochen nach einer Abstimmung, die uns unter anderem den Schutz mit synthetischen Fungiziden verbieten wollte.» Und weiter: «Von den Unwettern sind nun praktisch alle Hauptanbaugebiete betroffen. Ich gehe davon aus, dass es wohl kaum eine Parzelle gibt, die nicht von Krautfäule betroffen ist. Im biologischen Anbau ist es ganz schlimm.» In der Tat sind Biobauern besonders betroffen. Das Institut für biologischen Landbau hat den Landwirten deshalb empfohlen, die Kartoffeln vorsorglich mit Kupfer zu spritzen.

Auch die Westschweizer Tageszeitung «24 heures» erinnert daran, dass zwei Volksinitiativen vor kurzer Zeit den Einsatz von Pestiziden verbieten wollten. Das Signal, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen, stimme zwar noch. Trotzdem sei am Ende Realismus der Fiktion vorzuziehen. Pflanzenschutzmittel bleiben die beste Verteidigung gegen den Mehltau. Und der Weinbau zeigt, dass es ohne Synthetik nicht geht. Ob biologisch oder konventionell: «Die Möglichkeit, bei Bedarf in die Apotheke gehen zu können, bleibt ein Sicherheitsventil», sagt Johannes Rösti, Leiter der kantonalen Weinbaustation mit Sitz in Auvernier. Ganz direkt betroffen sind auch Konsumentinnen und Konsumenten. Die Gemüseknappheit führt zu höheren Preisen.

Um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in solch schwierigen Zeiten zu reduzieren, braucht es resistente Sorten. Allein die Kraut- und Knollenfäule verursacht jedes Jahr schätzungsweise 20 Prozent Ernteeinbussen. Die Forschung beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Züchtung von mehltau-resistenten Kartoffeln. Eine erfolgreiche Lösung existiert bereits. Mittels molekularbiologischer Methoden können Resistenzgene aus Wildkartoffeln in bestehende Sorten eingefügt werden. Der Haken dabei: Die Lösung basiert auf Gentechnik und in der Schweiz ist der Anbau von gentechnisch veränderten Sorten verboten. Der Schaden durch diese Verhinderungspolitik ist beträchtlich. Und nun will sie der Bundesrat sogar noch verschärfen, indem er auch die nobelpreisgekrönte Genom-Editierung dem Moratorium unterstellen will. Das ist absurd. Die meisten der mit Genom-Editierung gezüchteten Pflanzen lassen sich nicht von herkömmlichen Züchtungen unterscheiden. Die Konsequenz ist Food Waste auf dem Acker. Der wichtige australische Bundesstaat New South Wales demgegenüber hat den Nutzen der Grünen Gentechnik auch für die Umwelt erkannt. Und auch Grossbritannien nutzt die neue Freiheit ausserhalb der EU für eine Gentech-Offensive. Geplant ist eine Liberalisierung der grünen Gentechnik. Die Regierung verspricht sich Wettbewerbsvorteile. Die Schweiz könnte sich hier ein Beispiel nehmen, denn Moratorien können Forscherkarrieren beschädigen. Doch auch Schweizer Züchter sehen das Potenzial der Genschere, beispielweise bei der Züchtung von resistenten Apfelsorten. Ein Ostschweizer Apfelzüchter spricht sich deshalb für die Abschaffung des Gentech-Moratoriums aus.

Kein Beispiel zeigt den Nutzen von laborbasierten Lösungen für die Gesundheit besser als der «Golden Rice». Gemäss WHO erblinden jährlich weltweit gegen 500'000 Kinder wegen einem Mangel an Vitamin A. Und die Hälfte von ihnen stirbt innerhalb von 12 Monaten. Golden Rice schafft Abhilfe, weil er genügend Beta-Carotin enthält. Nun wurde der Reis in den Philippinen zugelassen. Ein wichtiger Durchbruch für die Weltgesundheit. Nahrungsergänzungsmittel spielen auch in unseren Breitengraden eine wichtige Rolle, um der Unterversorgung vorzubeugen, denken wir zum Beispiel an Folsäure.

Trotz der Covid-19-Pandemie war die Ernährungssicherheit in der Schweiz zu jeder Zeit gewährleistet. Doch: Aktuell ist nicht nur der Anbau, sondern auch der Import von Lebensmitteln schwierig. Denn auch unsere Nachbarländer kämpfen mit Wetterextremen. Daher sollten wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Laut einer aktuellen Analyse von Agroscope bestehen für die Nahrungsmittelversorgung auch nach Corona viele Gefährdungen. Zu den grössten Risiken für die inländische Ernährungssicherheit gehören Strommangel, Auslandabhängigkeit und der Klimawandel. Sicher ist, die Zukunft liegt in der Präzisionslandwirtschaft. Sie macht sich alle Mittel der Technik und der Wissenschaft zunutze. In einem Gespräch erläutert Camilla Corsi, globale Leiterin der Forschung Pflanzenschutz bei Syngenta, die Möglichkeiten, welche die Wissenschaft für die Pflanzengesundheit bietet. Als Quelle für neue Wirkmechanismen kommt auch den sogenannten Biologicals eine immer wichtigere Rolle zu. Sie sind wertvolle Instrumente im Resistenzmanagement und ergänzen den synthetischen Pflanzenschutz. Sarah Hovinga, Forscherin Biologicals Pflanzenkrankheiten bei Bayer, erklärt deren Vorteile in einem Video-Interview.

Im Mittelpunkt steht letztlich eine ausreichende und gesunde Ernährung. Mangelernährung oder zu einseitige Ernährung gefährden die Gesundheit und Millionen von Menschen. Um die wachsende Weltbevölkerung ausgewogen und ausreichend zu ernähren, muss die Produktion von Früchten und Gemüse drastisch gesteigert werden. Auf den Punkt gebracht: Es braucht Gemüse und Früchte für alle. Dafür sind moderne Technologien wie Pflanzenzüchtungen, Pflanzenschutz, aber auch die Digitalisierung unumgänglich.

Die Industrie nimmt die Herausforderung an, eine steigende Weltbevölkerung mit sicheren und erschwinglichen Nahrungsmitteln zu versorgen und gleichzeitig Biodiversität und Klima zu schützen. Doch ist der Beitrag von allen nötig: Staaten müssen innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen, es braucht exzellente Grundlagenforschung und nicht zuletzt Kooperationen in verschiedensten Konstellationen und über ideologische Barrieren hinaus.

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