Industry research for large-scale sustainability
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27.11.2021

Orientierung am Machbaren


Liebe Leserin, lieber Leser

Kürzlich hat der Bund die Verkaufszahlen von Pflanzenschutzmitteln für das Jahr 2020 veröffentlicht. Auch letztes Jahr war die Zahl der verkauften Pflanzenschutzmittel rückläufig. Während die Landwirte insgesamt immer mehr zu Mitteln greifen, die im Bio-Landbau zugelassen sind, war der Absatz von Pflanzenschutzmitteln für die konventionelle Landwirtschaft rückläufig. Eigentlich sind die Statistiken bereits überholt. Die feuchte Witterung im Sommer 2021 machte den Gemüse-, Obst- und Weinbauern schwer zu schaffen. Der Krankheitsdruck in den Kulturen war hoch und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln war unumgänglich. Nur so konnten die Pilzkrankheiten einigermassen in Schach gehalten werden. Ohne Schutz kam es zu Totalausfällen.

Letztlich holen die Verkaufszahlen von Pflanzenschutzmitteln auch die politischen Diskussionen vom Frühsommer in die Realität zurück. Sowohl der biologische Landbau als auch produktionsorientierte Bauern brauchen Pflanzenschutzmittel. Um den Ertrag zu sichern, müssen Pilzkrankheiten, Schädlinge und Unkräuter bekämpft werden. Der Bund will mit der Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln die Risiken minimieren. «Ob die gesetzten Ziele erreicht werden, bleibt offen», schreibt der «Tages-Anzeiger». Das ist tatsächlich so, denn dazu hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) noch keine Daten. Zudem hat sich der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln mit Wirkstoffen, die ein «besonderes Risikopotential» aufweisen, in den letzten zehn Jahren nicht gross verändert. Zu diesen Wirkstoffen mit «besonderem Risikopotential» gehören wegen ihrer Persistenz im Boden auch Produkte, die für den biologischen Landbau zugelassen sind – beispielsweise Kupfer. Das führt zu Altlasten. Ein Beispiel dafür ist Landwirtschaftsland, das im Zürcher Weinland in ein Naturschutzgebiet umgewandelt wird. Über Jahre wurden auf den Feldern Kartoffeln angebaut. Die Konsequenz des bio-kompatiblen Kupfereinsatzes: Der Boden muss nun in einer speziellen Deponie in Weiach entsorgt werden. Kupfer hat noch einen anderen Nachteil: Es wird leicht abgewaschen. Bei häufigem Regen muss laufend nachgespritzt werden. Das war im nassen Sommer 2021 für die Bauern ein grosses Problem. Auch deshalb wird der Blick in die Verkaufszahlen 2021 interessant sein.

Wie auch immer: Die Politik sollte sich am Machbaren orientieren. Die Bauern brauchen Mittel, um ihre Kulturen zu schützen. Wozu es führt, wenn die Politik ohne realistischen Plan agiert, führt in der Schweiz die Energiepolitik vor Augen. Eine Stromlücke droht. Im indischen Bundesstaat Sikkim hat die Politik 2016 ohne Plan den Einsatz von synthetischen Pestiziden und Mineraldünger verboten. Fazit: Die Bauern kämpfen mit riesigen Ertragsverlusten, weil ihnen geeignete Alternativen zur Schädlingsbekämpfung fehlen. Inspiriert von indischen Aktivisten hatte sich auch Sri Lanka auf den «Pestizidfrei-Pfad» begeben, diesen jedoch nach nur sechs Monaten aufgrund Ernte- und Qualitätsverlusten und Preisverdoppelung bei den Grundnahrungsmitteln im November 2021 wieder aufgegeben.

In der Landwirtschaft gibt es viele Zielkonflikte. Wer sie ausblendet und radikale Massnahmen ohne Plan verordnet, landet unweigerlich in der Versorgungskrise. Das gilt in Zukunft noch viel ausgeprägter, denn die Weltbevölkerung wächst weiter und der Klimawandel verschlechtert die Anbaubedingungen in vielen Regionen. Er wirkt sich auf die Qualität und Quantität von Ernten aus. Gemäss einer kürzlich veröffentlichten Studie drohen bereits ab Mitte der 2030er Jahre deutlich niedrigere Mais-, Reis- und Sojaernten. Betroffen sind in erster Linie Afrika und Südamerika. Umso mehr braucht es im Rest der Welt eine produktive Landwirtschaft.

Realitätsverweigerung ist kein guter Ratgeber. Und mantramässiges Wiederholen ungeprüfter Aussagen auch nicht. So halten sich Begriffe wie «Bienensterben» in den Medien hartnäckig. Verantwortlich gemacht für das angebliche «Bienensterben» werden Pestizide oder gentechnisch veränderte Pflanzen. Die Ergebnisse von 13 grossangelegten Feldstudien innerhalb der letzten zehn Jahre zeichnen ein anderes Bild. Es wurde untersucht, inwiefern sich mit Neonicotinoiden behandelte Pflanzen auf die Gesundheit von Bienen- oder Hummelvölker auswirken. Zwar können Pflanzenschutzmittel einzelne Bienen beeinträchtigen. Insgesamt konnten jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Bienenvölker beobachtet werden. Bezogen auf Europa steigt sowohl die Anzahl der Bienenvölker als auch die Honigproduktion.

Neonicotionoide keine Gefahr für Bienenvölker

Dennoch existieren für die Bienengesundheit viele nicht zu unterschätzende Gefahren. Als grösste Geissel der Honigbiene gilt die ursprünglich aus Asien stammende Varroa-Milbe, die sich im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa und den USA verbreitete. Und unbestritten ist, dass bei der Bienenhaltung Zeit und Fachwissen nötig sind, zum Beispiel für den Umgang mit verschiedenen Bioziden zur Bekämpfung der Varroa-Milbe. Denn es gilt Bienenvergiftungen durch Fehlanwendung zu verhindern.

Neben Imkern stehen aber auch Landwirte in der Verantwortung, Pflanzenschutzmittel mit möglichen bienentoxischen Eigenschaften im Bio-Landbau genauso wie in der konventionellen Landwirtschaft sorgfältig und gemäss Bestimmungen des Herstellers auszubringen. So dürfen die Mittel beispielsweise nur ausserhalb des Bienenflugs ausgebracht werden. Der Jahresbericht 2020 des Bienengesundheitsdienstes zeigt, dass sich im Jahr 2020 alle fünf Fälle von Bienenvergiftungen durch eine sorgfältigere Anwendung der Biozide durch die Imker und der Pflanzenschutzmittel durch die Landwirte hätten verhindern lassen.

Die Diskussion über die Nahrungsmittelproduktion wird oft von Mythen beherrscht. In vielen Köpfen haben sie sich festgesetzt, obwohl die Fakten fehlen. Wir haben zehn der gängigsten Mythen auf swiss-food.ch aufgearbeitet. Das Spektrum reicht von «Pestizide werden immer giftiger» bis zu «Pestizide sind schuld am Insektensterben». Ein kleines Nachschlagewerk.

Viele Mythen ranken sich auch um die Gentechnik. Kürzlich hat die vorberatende Kommission des Ständerats entschieden, dass Genom-Editierung differenziert reguliert werden soll. Jan Lucht von scienceindustries ordnet den Entscheid ein. Wie eine Befragung von gfs.bern zeigt, sehen auch Konsumentinnen und Konsumenten den Nutzen von gezielten Pflanzenzüchtungen. Auch der prominente Agrarjournalist Jürg Vollmer prophezeit BioSuisse und dem Schweizer Bauernverband, dass sie sich mit ihrer Ablehnung der Genschere Crispr/Cas ins Abseits stellen werden. Seine Begründung: «CRISPR/Cas-Züchtungen könnten Schädlingen trotzen, Pestizide einsparen, trockene Böden tolerieren – und dabei mehr Ertrag liefern. Eine Ablehnung der Genschere ist so ziemlich das Dümmste, was man sich ausdenken kann.» Für die Wissenschaft ist der Fall klar: ETH-Professor Achim Walter erläutert in einem Beitrag auf swiss-food.ch den Nutzen von gezielten Züchtungen.

Noch muss der Ständerat den ermutigenden Entscheid der Kommission in der Wintersession bestätigen, damit eine Differenz zum Nationalrat entsteht und die modernen Züchtungsmethoden nicht auch pauschal im Moratorium erstarren – zum Schaden einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion. Auch die Genom-Editierung unter das Moratorium zu stellen, wäre ein strategischer Fehler. Sinnvoll wäre, das sinnvolle Machbare nicht hinauszuschieben, sondern anzupacken. Für eine umfassend nachhaltige und ressourceneffiziente Landwirtschaft, die auch morgen noch unser Essen produzieren kann.

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