Zulassungen werden weltweit zur Innovationsbremse – und die Landwirtschaft bleibt auf der Strecke

Zulassungen werden weltweit zur Innovationsbremse – und die Landwirtschaft bleibt auf der Strecke

Neue Erkenntnisse aus den USA verdeutlichen, was auch in Europa und der Schweiz längst Realität ist: Entwicklung und Zulassung neuer Pflanzenschutzmittel ist zu einem derart aufwendigen, langwierigen und teuren Prozess geworden, dass selbst innovative, nachhaltige Lösungen kaum noch den Markt erreichen.

lundi 2 juin 2025

Selbst in den USA, wo traditionell risikobasiert reguliert wird, geraten Hersteller zunehmend an Grenzen. Ein Bericht auf Agropages schildert eindrücklich, wie selbst grosse Unternehmen wie Syngenta oder Certis Biologicals mit den Hürden kämpfen, die die heutigen Zulassungsverfahren mit sich bringen.

Dabei wäre gerade jetzt die Zeit, um neue Wirkstoffe rascher und effizienter verfügbar zu machen. Der Klimawandel verändert Schädlingsdruck und Krankheitsbilder in Rekordtempo, auch in der Schweiz. Resistenzen gegen bestehende Wirkstoffe nehmen zu. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit – zurecht. Doch um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, braucht es Fortschritt – und Fortschritt braucht Innovation. Wenn diese Innovationen durch Regulierungsprozesse systematisch ausgebremst werden, gefährdet das nicht nur die landwirtschaftliche Produktivität, sondern auch die Ernährungssicherheit und den Umwelt- und Bodenschutz.

Weltweit wachsende Herausforderungen – und schrumpfender Handlungsspielraum

Im Zentrum des Problems stehen die weltweit zunehmenden Auflagen bei der Wirkstoffzulassung. In den letzten Jahren sind die Anforderungen an Daten, Studien, Testverfahren und Dokumentation massiv gestiegen. Die Zeit bis zur Zulassung eines neuen Pflanzenschutzmittels kann heute zehn Jahre oder länger betragen – selbst dann, wenn es sich um ein biologisches Produkt handelt, das kaum toxisch ist und damit eigentlich schnell verfügbar sein sollte.

Hinzu kommen personelle Engpässe in den zuständigen Behörden, ein sprunghafter Anstieg der Anzahl eingereichter Anträge und neue Auflagen, etwa zu Arten- und Biodiversitätsschutz, die plötzlich in Verfahren integriert werden und zu jahrelangen Verzögerungen führen.

Ein Beispiel aus dem erwähnten Agropages-Artikel: Ein Unternehmen reichte ein Produkt bei der US-Umweltbehörde EPA ein und erhielt eine Zusage für eine Genehmigung innert 90 Tagen. Kurz vor Ablauf dieser Frist wurde plötzlich eine zusätzliche Risikoabschätzung zum Schutz bedrohter Arten verlangt – das Verfahren dauerte schliesslich über zwei Jahre. Solche Situationen führen nicht nur zu massiven Zusatzkosten, sondern auch zu Planungsunsicherheit, die gerade für kleine und mittlere Unternehmen kaum zu tragen ist.

Neue Technologien – auf dem Papier willkommen, in der Praxis blockiert

Dabei sind es gerade die neuen Technologien, die dringend gebraucht würden: Wirkstoffe mit neuen Wirkmechanismen, die bestehende Resistenzen umgehen. Formulierungen, die gezielter wirken und Nebenwirkungen auf Umwelt und Nützlinge minimieren. Digitale Anwendungen und KI-gestützte Entwicklungsansätze, die Effizienz und Nachhaltigkeit verbessern könnten. Doch solange der regulatorische Rahmen auf alte Strukturen ausgerichtet bleibt, werden diese Innovationen nicht marktfähig. Unternehmen investieren dann lieber in die Reformulierung bestehender Wirkstoffe oder ziehen sich ganz aus der Forschung zurück. Was auf der Strecke bleibt, ist der Fortschritt – und damit auch die Fähigkeit der Landwirtschaft, sich an veränderte Bedingungen anzupassen.

Es braucht ein neues Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Innovation

Natürlich braucht es Schutzmechanismen – für Umwelt, Gesundheit, Biodiversität. Niemand fordert, dass die Sicherheit der Zulassungsverfahren aufgeweicht wird. Aber es braucht ein Umdenken in der Regulierung: Prozesse müssen effizienter, transparenter und planbarer werden. Digitale Tools und künstliche Intelligenz sollten nicht als zusätzlicher Prüfgegenstand, sondern als Instrument zur Beschleunigung genutzt werden. Und vor allem: Der Fokus muss wieder stärker auf das tatsächliche Risiko und nicht allein auf hypothetische Worst-Case-Szenarien gelegt werden. Und die Prüfung des Nutzens der zuzulassenden Technologie und des Risikos derer Nicht-Anwendung muss ebenfalls fester Bestandteil des Zulassungsverfahrens werden. Denn aus Angst etwas nicht zuzulassen, kann nicht Sicherung des Status quo, sondern Rückschritt bedeuten. Die Welt steht nicht still.

Wollen wir unsere Pflanzen in Zukunft noch wirksam und umweltschonend schützen, dann müssen diese regulatorischen Hürden wieder auf ein tragbares Mass zurückgeführt werden. Nur so bleibt die Forschung an neuen Wirkstoffen wirtschaftlich attraktiv und machbar. Ansonsten wird niemand mehr bereit sein, in die Entwicklung zu investieren – zum Schaden der Landwirtschaft, der Konsumentinnen und Konsumenten und letztlich auch der Umwelt.

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