Sieben Jahre Spitzenforschung mit angezogener Handbremse

Sieben Jahre Spitzenforschung mit angezogener Handbremse

Die «BauernZeitung» widmet sich in der Ausgabe vom 5. Februar der europaweit einzigen Einrichtung, an der Feldforschung mit genetisch veränderten Pflanzen durchgeführt werden kann. Im zürcherischen Reckenholz betreibt die Agroscope seit 2014 eine gesicherte Versuchsfläche. Das Gentech-Moratorium setzt den Versuchen aber enge Grenzen.

Freitag, 12. Februar 2021

Das Wichtigste in Kürze

  • Im zürcherischen Reckenholz erforscht Agroscope seit 2014 gentechnisch modifizierte Pflanzen mit Resistenzen gegen Mehltau oder Feuerbrand.
  • Die restriktiven Auflagen durch das Gentech-Moratorium behindern die Forschung jedoch massiv.
  • Darunter leidet der Forschungsplatz Schweiz aber auch die Umwelt.

Zurzeit dürfte nicht allzu viel los sein auf den Feldern der Agroscope. Doch schon bald, wenn Schnee und Kälte weichen, erste Frühlingsboten die warme Zeit ankünden, wird sich auch das Pflanzengrün im zürcherischen Reckenholz seinen Weg durch die dunkle Scholle bahnen. Die Sprösslinge werden vorerst nicht zu unterscheiden sein von jenen, die ausserhalb der eingezäunten Versuchsanlage spriessen. Und doch gibt es einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Die meisten Pflanzen auf den Versuchsfeldern sind genetisch modifiziert und dürfen nur in diesem speziellen Rahmen angebaut werden.


Restriktive Feldversuche in der Zürcher Agglomeration

Die Schweiz kennt seit 2005 ein Gentech-Moratorium, das zwar die Erforschung der Gentechnik erlaubt, es jedoch untersagt, genetisch veränderte Pflanzen auszusäen – mit Ausnahme der Testfelder in Reckenholz. Seit 2014 wurden dort verschiedene mehrjährige Feldversuche mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen durchgeführt, wie Agroscope in einem jüngst publizierten Artikel zur «Protected Site» schreibt. Beim Sommerweizen wurden Mehltau-, bei Apfelbäumen Feuerbrand-, bei Mais und Gerste Pilzresistenzen erforscht. Darüber hinaus wurde in einem weiteren Projekt versucht, durch gezielte Eingriffe ins Genom eine Ertragssteigerung beim Winterweizen herbeizuführen.Für die Forschenden ist die Versuchsanlage in Reckenholz ein Segen. Innerhalb Europas nehmen die Felder der Agroscope denn auch eine Ausnahmestellung ein. Doch es zeigt sich, dass der Weg vom Labor auf das Feld aufwendig ist. Bevor Feldversuche starten können, müssen Gesuche beim Bundesamt für Umwelt eingereicht werden. Oft dauert es ein halbes Jahr, bis das Gesuch eingereicht werden kann. Nach Einreichung vergehen nochmals sechs bis sieben Monate, bis die Bewilligung erteilt wird und mit der Arbeit auf dem Feld begonnen werden kann. Kommt die Antwort nur einige Wochen später, kann es gar sein, dass es für die Aussaat zu spät ist und ein Jahr gewartet werden muss.


Forschungsfeindliche Auflagen

Doch nicht nur das Gesuch an sich nimmt Zeit in Anspruch, sondern auch die Auflagen, welche sicherstellen sollen, dass kein genverändertes Material ausserhalb des Versuchsfeldes gelangt. Bei den Resistenz-Versuchen mit den Apfelbäumen musste beispielsweise verhindert werden, dass sich deren Pollen weiterverbreiten. Durch die notwendigen, künstlichen Eingriffe in den Blüten konnten keine Aussagen mehr über den Fruchtertrag gemacht werden. Die strengen Auflagen in Reckenholz limitieren also vielfach Erkenntnisse, die zusätzlich aus den Versuchsreihen gezogen werden könnten.

Limitierend wirkt sich auch die geplante Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis 2026 aus: Zwar wäre die Feldforschung noch immer möglich, doch würde wegen der fehlenden Perspektive die anwendungsorientierte Forschung weniger interessant, schreiben die Autoren von Agroscope. Dabei wäre die Zeit ideal, um die Erforschung neuer Verfahren voranzutreiben und auszuweiten. Vor allem die neuen Methoden der Pflanzenzucht, die auf der Genom-Editierung beruhen, sind vielversprechend. Doch gemäss dem Bundesrat sollen auch diese Ansätze explizit unter das verlängerte Moratorium fallen. «In vielen Ländern sind heute Pflanzen, die mittels dieser Technik verändert wurden, ohne dabei fremde Erbinformationen aufzunehmen, nicht als genveränderte GVO eingestuft, und es ist zu erwarten, dass die Zulassung solcher Sorten in diesen Märkten stark ansteigen wird», schreiben die Autoren von Agroscope. Zurzeit würden global rund 140 marktorientierte Nutzpflanzen mittels Genom-Editierung entwickelt.

Auch in Reckenholz dürften in Zukunft genom-editierte Pflanzen verstärkt erforscht werden. Sollte das Gentech-Moratorium in geplanter Form durchkommen, dürften den Versuchen jedoch enge Grenzen gesetzt sein. Zum Leidwesen der Forschung und der Innovation in der Schweiz.

Ähnliche Artikel

Mit Crispr gegen Klimawandel
Medien Forschung

Mit Crispr gegen Klimawandel

Im «Tages-Anzeiger» spricht die Nobelpreisträgerin Jennifer Doudna über die Chan-cen und Risiken der Genschere. Mit dem Werkzeug lassen sich Erbkrankheiten gezielt behandeln, dürretolerante Pflanzen züchten und der Treibhausgasausstoss von Kü-hen senken.

Angstschweiss als Hilferuf
Medien Forschung

Angstschweiss als Hilferuf

Pflanzen leben gefährlich. Sie sind von Fressfeinden umgeben. Doch ganz ausgeliefert sind sie nicht. Dies zeigt jahrzehntelange Forschung. So sondern Pflanzen bei einer Attacke beispielsweise Duftstoffe ab. Die Erkenntnis könnte zu neuen Strategien beim Pflanzenschutz führen. Ob dies jedoch jemals zu einem breit angewendeten Produkt führt, ist noch unsicher.

Genauer hinschauen lohnt sich
Medien Forschung

Genauer hinschauen lohnt sich

Pestizide seien schuld an einer Häufung von Hirntumoren bei Kindern im Zürcher Weinland und dem Berner Seeland, sagte eine Studie von vor drei Jahren.

Globale Ereignisse erfordern Anpassungen
Forschung

Globale Ereignisse erfordern Anpassungen

Die Schweizerinnen und Schweizer wollen möglichst viel einheimische Nahrungsmittel auf dem Teller. Ein Wunsch, der immer schwerer zu erfüllen ist. So haben die Bauern immer grössere Mühe, ihre Ernten zu schützen. Kein Wunder ist der Eigenversorgungsgrad im Sinkflug.

Weitere Beiträge aus Forschung