Ukraine-Konflikt zwingt zu Blick über den eigenen Tellerrand hinaus

Ukraine-Konflikt zwingt zu Blick über den eigenen Tellerrand hinaus

Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland bedroht die Lebensmittelversorgung vieler Länder und wird sich voraussichtlich stark auf die Preise für Nahrungsmittel auswirken. Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbandes, fordert deshalb mehr inländische Produktion – nicht zuletzt auch aus Solidarität mit ärmeren Ländern.

Donnerstag, 17. März 2022

Im Interview mit der Sendung 10vor10 des «SRF» stellt Ritter klar, dass er nicht von stark ansteigenden Brotpreisen aufgrund des Konflikts in der Ukraine ausgehe. Dennoch fordert er, dass in der Schweiz künftig mehr Getreide angebaut werden soll. Dies vor allem auch aus Solidarität mit ärmeren Ländern: «Ich glaube, es ist wichtig, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen. Auf der einen Seite gegenüber den Leuten in Ländern mit wenig Kaufkraft, die sich das Brot kaum leisten können. Dass wir uns also nicht auf dem Weltmarkt zu einem grossen Teil eindecken müssen, sondern auch mit eigener Produktion unsere Ernährung sicherstellen können.»

Schweiz muss Verantwortung wahrnehmen

Auch wenn die Schweiz nur einen geringen Anteil ihres Getreides aus Russland und der Ukraine bezieht: Der Weltmarkt stelle ein geschlossenes System dar: «Wenn sich die Preise erhöhen, werden vor allem Menschen mit tiefem Einkommen – zwei Dollar pro Tag – Hunger leiden. Dieses Jahr könnte ein schwieriges Jahr werden und hier gilt es auch, unsere Verantwortung wahrzunehmen», sagt Ritter. In der Schweiz, wo heute rund 40 Prozent der Nahrungsmittel importiert werden müssen, gehe es auch darum, der inländischen Produktion den richtigen Stellenwert zu geben. Ein gegenwärtiger Vorschlag des Bundesrats, wonach zusätzlich zu den bestehenden 18 Prozent Biodiversitätsflächen, nochmals 3,5 Prozent besten Bodens ausgeschieden würde, hält Ritter für falsch: «Dort, wo wir Brot produzieren können, Weizen produzieren können, sollten wir das auch tun.»

Blindspot-Artikel

Eine umfassend nachhaltige Lebensmittelproduktion und eine gesunde Ernährung sind komplexe Themenfelder. Es braucht die Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln. Doch unliebsame Fakten kommen in der öffentlichen Diskussion häufig zu kurz. Wir beleuchten, was gerne im Schatten bleibt. So kommen die Zielkonflikte zur Sprache.

Steigende Preise führen zu Hunger und Revolten

Der Anstieg des Weizenpreises erreichte im Zuge des Ukraine-Konflikts einen Höchststand. Wie das «SRF» in verschiedenen Beiträgen zeigt, spüren dies vor allem ärmere Menschen in den Ländern des Südens. Zum Beispiel in Ostafrika: Fast 90 Prozent des Weizens in ostafrikanischen Ländern stammt aus Russland oder der Ukraine. In Kenia wurde das Weizenmehl innerhalb weniger Wochen um einen Viertel teurer. Menschen, die in Städten leben und rund die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssen, trifft dies besonders hart. Stark betroffen sind aber auch Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens. Sowohl Ägypten als auch Tunesien importieren riesige Mengen an Weizen aus der Ukraine. In Ägypten, wo der Brotpreis seit Jahren hoch subventioniert ist, drohen aufgrund steigender Weizenpreise Hungerrevolten ähnlich wie zu Beginn des Arabischen Frühlings.

Im Nahen Osten beziehen Länder wie der Libanon oder Syrien grosse Mengen an Weizen aus der Ukraine und Russland. Aufgrund von Kriegen, Korruption, Dürren und Inflation können sich in diesen Ländern viele Menschen schon seit Jahren kaum Brot leisten. Die steigenden Preise für Weizen auf dem Weltmarkt zwingen die Regierungen dieser Länder zu schwerwiegenden Entscheidungen: Eine noch stärkere Subventionierung des Brotes reisst riesige Löcher in die Staatskassen. Steigende Brotpreise drohen andererseits soziale Unruhen auszulösen.

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