Protein ja – vegan? Eher nein
Nach Jahren des Hypes um Fleischalternativen scheint die Begeisterung für vegane Ernährung zu schwinden. Immer mehr Restaurants kehren zum Fleisch zurück. Auch die Konsumenten setzen wieder stärker auf Pragmatismus statt auf Verzicht.
Freitag, 7. November 2025
Noch vor wenigen Jahren boomten Fleischersatzprodukte. Ob Tofu, Geschnetzeltes aus Soja oder Kichererbsenbällchen – das Angebot an veganen und vegetarischen Alternativen schoss wie Pilze aus dem Boden. Supermärkte, Restaurants und Start-ups überboten sich gegenseitig mit neuen Ideen für eine pflanzenbasierte Ernährung.
Wie der «Tages-Anzeiger» nun berichtet, scheint dieser Boom vorüber zu sein. «Weltrettung? Ist eh wurst», titelte die Sonntagszeitung: Der elitäre Veganismus habe ausgedient. Ein Symbol für diesen Wandel ist das weltberühmte Restaurant Eleven Madison Park in New York. Küchenchef Daniel Humm, ein Schweizer, hatte sein Sternehaus 2021 komplett auf vegane Küche umgestellt. Doch nun kehrt er zum Fleisch zurück. Ab Oktober stehen wieder Fisch- und Fleischgerichte auf der Karte. «Eine rein pflanzenbasierte Küche rechnet sich nicht», sagte Humm der «New York Times».
Der Trend kippt
Viele sehen darin eine grundsätzliche Wende. In London mussten zuletzt zahlreiche vegane Restaurants schliessen. Und auch die Zahlen zeigen: Der Fleischkonsum steigt wieder. Nachdem er in der Schweiz seit 2005 von 58 auf 46 Kilo pro Kopf und Jahr gesunken war, legte er 2024 erstmals wieder zu. Nun beläuft sich der Fleischkonsum wieder auf fast 50 Kilo pro Jahr und Kopf. Parallel dazu stagniert der Anteil der Menschen, die sich fleischlos ernähren. In den fünf grössten Ländern Europas liegt er bei rund zwölf Prozent. Davon zehn Prozent vegetarisch und zwei Prozent vegan.
Der Essensforscher Gunther Hirschfelder bringt es im «Tages-Anzeiger» auf den Punkt: «Das revolutionäre Feuer des Veganismus ist erloschen.» Zwar seien Themen wie Tierwohl und Klima nach wie vor wichtig. Doch viele Konsumenten hätten sich vom moralischen Druck verabschiedet. Statt Dogmen zähle heute Pragmatismus. Die junge Generation setzt auf sogenanntes «smart eating» – also auf eine ausgewogene, individuell angepasste Ernährung statt auf strenge Verzichtsregeln. Der Trend zu proteinreicherer Ernährung wirkt sich auch positiv auf den Milchmarkt aus, wie Stefan Arnold von den Schweizer Milchproduzenten (SMP) gegenüber der BauernZeitung vermerkt: «Der Gesundheitstrend rund um Fitness, Muskelaufbau und bewusste Ernährung stärkt den Milchkonsum.»
Emotionales Thema – auch in der Schweiz
Wie emotional das Thema Fleisch aber nach wie vor ist, zeigte das letzte Green Sofa Live in Bern. Unter dem Titel «Kann die Schweiz vegi?» diskutierten Expertinnen und Experten über die Zukunft unserer Ernährung. Dabei wurde auch über die Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung» von Franziska Herren gesprochen. Die Initiative verlangt eine pflanzenbasierte Ernährung mit hohem Selbstversorgungsgrad. Im Publikum war die Skepsis jedoch spürbar. Viele lehnten Zwang oder Bevormundung klar ab oder zweifelten an der Möglichkeit, die zum Teil sensiblen Proteinkulturen genügend schützen zu können.
Ob Fleisch oder Vegi-Plätzli, ist schlussendlich Wurst – sprich eine Frage der persönlichen Präferenz. Klar ist: Einfache Lösungen gibt es nicht. Eine nachhaltige Ernährung muss nicht nur ökologisch, sondern auch ressourceneffizient und für den Konsumenten erschwinglich sein. Denn echte Veränderung gelingt nur dann, wenn sie auch im Alltag funktioniert.
Wurst ist nicht Wurst – Deklarationen in EU und Schweiz
In der Schweiz hat das Bundesgericht im Mai 2025 entschieden, dass pflanzliche Fleischalternativen keine Tierbezeichnungen wie «Poulet», «Schwein» oder «Güggeli» mehr tragen dürfen. Solche Begriffe seien irreführend, auch wenn auf der Verpackung klar steht, dass das Produkt pflanzlich ist. Erlaubt bleiben dagegen generische Bezeichnungen wie «Steak», «Schnitzel» oder «Filet» – ebenso etablierte Fantasienamen wie «Gummibär» oder «Katzenzunge».
In der Europäischen Union hat dieses Thema erst kürzlich für Diskussionsstoff gesorgt: Das EU-Parlament hat im Oktober 2025 mit knapper Mehrheit eine Position für ein Verbot solcher Bezeichnungen bei pflanzlichen Produkten beschlossen. Befürworter argumentieren mit Verbraucherschutz und Klarheit für die Landwirte. Das Vorhaben ist jedoch noch nicht rechtskräftig – die endgültige Regelung hängt von den weiteren Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten ab.
Sources
Ähnliche Artikel
Vegane Alternativen dank Gentechnik
Wie ernähren wir eine wachsende Weltbevölkerung nachhaltig? Die Antwort liegt immer öfter im Labor und in der Gentechnik. Ob Labormilch, vegane Tintenfische oder gezüchteter Lachs – Gentechnik ist überall drin. Höchste Zeit, mit alten Mythen aufzuräumen.
Fleischalternativen noch zu teuer
Im «Veganuary» werden Fleischersatzprodukte prominent beworben. Doch diese sind im Laden häufig viel teurer als die Originalprodukte aus richtigem Fleisch.
Die Suche nach dem Ei der Zukunft
Gekocht, gerührt, gebraten: Eier sind nicht nur zu Ostern beliebt. Gleichzeitig steigt das Interesse für Alternativen zu den bei uns gängigen tierischen Eiweissprodukten. Die Suche nach neuen Proteinquellen macht deshalb auch vor dem Hühnerei nicht halt.
Triazol im Genfersee: Behörden geben Entwarnung
Im Spätsommer 2025 sorgte die Nachricht für Aufsehen: Im Trinkwasser aus dem Genfersee wurde der Stoff 1,2,4-Triazol gefunden – eine chemische Verbindung, die aus verschiedensten Verwendungen stammt. Nun geben die Kantone Genf, Waadt und Wallis Entwarnung: Das Wasser kann bedenkenlos getrunken werden.
«Es gibt auch ein Leben vor dem Tod» – Weinpapst Philipp Schwander zum Zeitgeist und zum Aktivismus der Gesundheitsämter
Der Schweizer Master of Wine kritisiert in einem Interview, dass Wein zunehmend pauschal verteufelt werde – entgegen wissenschaftlicher Evidenz und ohne einen Diskurs über Dosis und Risiken.
Sushi aus Schweizer Reis – seit ein paar Jahren möglich
Wo früher Feldsalat und Kartoffeln wuchsen, gedeiht heute eine Kultur, die man bisher eher aus Asien kennt: Reis. Was nach exotischer Spielerei klingt, hat sich in einigen Regionen der Schweiz zu einer spannenden Nische mit Zukunft entwickelt.
Ameisenplage bedroht Zürcher Gemeinden
Eine invasive Ameise aus dem Mittelmeerraum breitet sich rasant im Kanton Zürich aus und bedroht Gemeinden ebenso wie Bauprojekte und Landwirtschaft. Insektizide könnten helfen – doch deren Einsatz ist nach wie vor stark eingeschränkt.