40 Prozent Ernteausfall: Geht den Räbeliechtli bald das Licht aus?

40 Prozent Ernteausfall: Geht den Räbeliechtli bald das Licht aus?

Im November finden wieder die traditionellen Räbeliechtli-Umzüge statt. Doch die Produktion der Räben wird für die Bauern gemäss «Aargauer Zeitung» immer schwieriger. Weil wichtige Pflanzenschutzmittel vom Markt genommen werden, können die Räben immer schlechter vor Schädlingen und Krankheiten geschützt werden.

Dienstag, 8. November 2022

Bald finden in der ganzen Deutschschweiz wieder die Räbeliechtliumzüge statt. Dann hört man auf den Strassen wieder «Räbeliechtli, Räbeliechtli …» Der Räbeliechtliumzug gilt als Pendent zum amerikanischen Halloween und hat seinen Ursprung in den 1860er-Jahren. Die dafür benötigten Herbstrüben werden von Kindern ausgehöhlt und die Aussenseite mit Schnitzereien versehen. Zündet man eine Kerze im inneren der Räbe an, lässt sich das Gemüse wunderbar als Lampion durch die Strassen tragen.


Qualität der Räben entscheidend

Christoph Hagenbuch, Landwirt und Präsident des Aargauer Bauernverbands, baut selbst auf 1,5 Hektaren Herbstrüben oder «Räben» an. Für die Räbeliechtliumzüge muss die Qualität der Räben stimmen. «Unten müssen sie schön weiss, oben violett sein. Das sind die knalligen Farben, die für den Kontrast sorgen, wenn eine Kerze im ‹Lampion› schimmert», sagt Hagenbuch gegenüber der «Aargauer Zeitung». Angeschlagene Räben kommen dagegen bei den Kindern nicht gut an.

Zu viel Hitze und Wärme kann die Qualität der Räben beeinträchtigen. Deshalb musste Hagenbuch im heissen Sommer 2022 nochmals nachsäen. Der Boden muss genügend feine Erde und Feuchtigkeit aufweisen. Zudem muss darauf geachtet werden, dass die Herbstrüben immer an einem anderen Ort angepflanzt werden. Ansonsten können überlebende Schaderreger vom letzten Jahr die neue Saat gleich wieder befallen. Deshalb ist die Einhaltung der Fruchtfolge, aber auch eine gute Düngung und ein guter Pflanzenschutz matchentscheidend.


Fehlende Pflanzenschutzmittel erhöhen Ernteausfälle

Doch genau da hapert es. Kohlfliegen sowie Drahtwürmer machen den Landwirten zunehmend zu schaffen – nicht nur bei den Herbstrüben, sondern zum Beispiel auch beim Rosenkohl oder den Zwiebeln. Das Problem bei den Räben: «Die Zulassungen für Mittel gegen Insekten sind in den Jahren 2017 und 2019 ausgelaufen», sagt Hagenbuch. Es existieren lediglich noch einige Fungizide – also Mittel gegen Pilzbefall –, die angewendet werden können. Weil so viele Pflanzenschutzmittel die Zulassung verloren haben, musste Hagenbuch seine Anbaufläche für Räben erhöhen, um die 30 bis 40 Prozent der Ernteverluste zu kompensieren.

Der Wegfall von so vielen Pflanzenschutzmitteln führt automatisch zu grösseren Ernteverlusten und damit zu Food Waste: «Im Grundsatz ist es gut, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Weniger Pflanzenschutzmittel heisst leider immer auch ein höheres Ernteausfallrisiko», so Hagenbuch. Dies führt zu höheren Preisen für regionale Lebensmittel. Landwirte müssen grössere Flächen bewirtschaften, um gleich grosse Ernten einzufahren. Alternativ nehmen die Importe von Lebensmitteln zu. Die hohen Ansprüche von Konsumentinnen und Konsumenten kommen erschwerend dazu. Auch bei den Räbeliechtli: Frassspuren an den Räben werden gemäss Hagenbuch von einigen Kindern als eklig empfunden. Doch viele Produkte mit minimalen Schäden könnten problemlos konsumiert werden.

Bild: Wikipedia. Micha L. Rieser

Ähnliche Artikel

Wird dieser Feldversuch die Gersten-Produktion revolutionieren?
Medien

Wird dieser Feldversuch die Gersten-Produktion revolutionieren?

Ab diesem Frühling startet in Zürich der erste Feldversuch der Schweiz, bei dem Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien zum Einsatz kommen. Konkret soll eine Sommergerste gezüchtet werden, die mehr Körner pro Ähre herstellt. Funktioniert der Versuch, dürfte die Technologie für die Schweizer Landwirtschaft von grossem Interesse sein.

Foie Gras ohne schlechtes Gewissen
Medien

Foie Gras ohne schlechtes Gewissen

Der Begriff Foie Gras ist häufig negativ behaftet. Grund dafür ist die Stopfleber-Produktion, bei der die Tiere grosse Qualen erleiden. Nachdem bereits Spitzengastronomen Rezepte mit ungestopfter Leber entwickelten, bietet nun auch die Migros «Happy Foie» an. Dabei handelt es sich um ein tierfreundliches Foie Gras, das geschmacklich genauso gut sein soll wie das Original. Patente dienen dabei dem Schutz der Erfinder.

Warum Vertrauen in die Wissenschaft so wichtig ist
Medien

Warum Vertrauen in die Wissenschaft so wichtig ist

Es ist essenziell, dass die Gesellschaft Vertrauen in die Forschung hat. Nur so kann sie ihr maximales Potenzial ausschöpfen und schliesslich gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel oder eine Pandemie meistern. Aber es gibt auch kritische Stimmen: Ein Teil der Schweizer Bevölkerung hat wenig oder kein Vertrauen in die Wissenschaft. Wie die Forschung das Vertrauen der Menschen gewinnen kann, darüber haben vier Experten an einer «NZZ Live»-Podiumsdiskussion debattiert.

Pflanzenschutzmittel fehlen – und bald auch die ersten Gemüsesorten
Medien

Pflanzenschutzmittel fehlen – und bald auch die ersten Gemüsesorten

Die Gemüseproduzenten haben derzeit zu kämpfen. Grund dafür sind die fehlenden Pflanzenschutzmittel. Es werde zunehmend schwieriger, verkaufsfähige Produkte auf den Markt zu bringen. Einige Landwirte kommen gar derart an ihre Grenzen, dass sie die Produktion gewisser Gemüsesorten einstellen mussten.

Weitere Beiträge aus Medien