BAFU: Anti-Gentech-Propaganda frei Haus geliefert

BAFU: Anti-Gentech-Propaganda frei Haus geliefert

Selektives Zitieren ist eine mächtige Waffe, wenn es darum geht, das eigene Weltbild aufrechtzuerhalten und die eigene Erzählung einer breiten Öffentlichkeit als unumstössliche Wahrheit zu verkaufen. Jüngstes Beispiel ist ein Artikel im Magazin «Die Umwelt – natürliche Ressourcen in der Schweiz» des Bundesamts für Umwelt (BAFU).

Montag, 13. Dezember 2021

Der Artikel im BAFU-Magazin widmet sich, wie der Titel «Neue Technologien um jeden Preis» bereits andeutet, der Frage, ob zur Bewältigung der Klimaerwärmung der Einsatz neuer Technologien zu rechtfertigen ist. Insbesondere dann, wenn diese «noch weitgehend unerprobt» sind. Damit ist schon mal ein Auftakt gemacht, für das, was auf den nächsten Seiten folgt. Denn nach längeren Ausführungen zu Technologien, welche beispielsweise CO2 einlagern oder der Atmosphäre entziehen können, schwenkt die Autorin schliesslich auf die Genom-Editierung ein. Diese modernen Ansätze der Pflanzenzucht versprechen zwar nicht die Lösung der CO2-Problematik. Doch ist eine Landwirtschaft, die sich besser und rascher an den Klimawandel anpassen kann, angesichts der kommenden Herausforderungen eine dringliche Sache. Sie ahnen es vermutlich: Diese Technologie sei, wie die Einleitung des Artikels bereits suggeriert, noch viel zu unerprobt, als dass sie zugelassen werden kann. Angesichts des breiten wissenschaftlichen Konsenses und verschiedener Länder, die den Anbau genomeditierter Pflanzen bereits erlauben, ist dies eine steile Aussage.


Vorbelastete Kronzeugen…

Als Kronzeugin fungiert praktischerweise gleich die eigene Chefin: Anne Gabrielle Wüst Saucy, Chefin der Sektion Biotechnologie des BAFU. Sie macht klar, bis wohin es gehen soll: Die Risiken der Genom-Editierung seien momentan noch nicht hinreichend bekannt, «das Vorsorgeprinzip hat oberste Priorität».

Damit diese Aussage noch zusätzliches Gewicht erhält, wird von der Autorin des Artikels noch eine weitere «Expertin» angeführt. Namentlich ist es Eva Gelinsky, Mitglied der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH). Gelinsky sagt: «Die ersten Studien haben gezeigt, dass Prozesse wie CRISPR/Cas nicht nur den Zielbereich des Pflanzengenoms verändern, sondern anderswo indirekte Folgen haben.» Dass dies schlicht nur in Ausnahmen vorkommt, aber bei herkömmlichen Züchtungsmethoden wie der klassischen Mutagenese eine Selbstverständlichkeit ist, wird hier verschwiegen – genauso wie der Umstand, dass Frau Gelinsky schlicht nicht als neutrale Expertin taugt. Sie ist eben nicht nur Mitglied der EKAH, sondern auch Aktivistin im Vorstand der «Allianz Gentechfrei» sowie Mitglied bei der «Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut)».

Wenig überraschend trägt auch Frau Gelinsky das Vorsorgeprinzip wie eine Monstranz vor sich her. Ganz der Linie der Vereinigungen, denen sie angehört folgend, ist sie denn auch der Meinung, dass «ein Systemwandel in unserer Landwirtschaft wichtiger ist, als auf die prioritäre Anwendung der neuen Technologien zu setzen». Wieso den wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen, wenn man bequemerweise der eigenen Ideologie aufsitzen kann? Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es ausgerechnet Frau Gelinsky war, welche 2020 im Auftrag des BAFU eine Zusammenstellung anfertigte, die zeigt, wie weit fortgeschritten die Kommerzialisierung der auf Genomeditierung beruhenden Pflanzen bereits ist: Dutzende Produkte dürften schon bald auf den Markt kommen. Weiter weg von grundsätzlichen Bedenken, wie sie im BAFU und der EKAH kultiviert werden, könnte die Realität gar nicht sein.


… und ignorierte Fachkommission

Fern von einer realistischen Darstellung der Debatte über die Genomeditierung ist auch der Artikel im BAFU-Magazin. So dürfte es auch dessen Autorin nicht entgangen sein, dass es nebst der EKAH eine eidgenössische Kommission gibt, die sich mit Fragen der Gentechnik und allgemeinen Biorisiken auseinandersetzt. Und diese ist entgegen der im Artikel ausgiebig zitierten Ethikkommission auch tatsächlich mit Wissenschaftlern besetzt, welche naturwissenschaftliches Fachwissen einbringen. Die eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) hält wenig überraschend gar nichts vom geltenden Gentechnik-Moratorium. In der abgelaufenen Vernehmlassung zum Gentechnikgesetz hat man klar Stellung bezogen für die neuen Züchtungsmethoden. Es gebe aus wissenschaftlicher Warte keinen Grund, diese zu verbieten.

Der Ständerat hat in der Wintersession einen historischen Entscheid gefällt. Man will auf Anraten der eigenen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-S) und entgegen der Meinung von Bundesrat und Nationalrat die neuen Züchtungsmethoden vom Gentech-Moratorium ausnehmen. Wie in der Debatte in der Kleinen Kammer ausgeführt wurde, war es offenbar das BAFU, welches den entsprechenden Gesetzespassus ausgearbeitet hat. Die Handschrift des Amtes ist dabei unverkennbar. So schreibt der neue Gesetzespassus nebst der EFBS auch der Ethikkommission rund um Frau Gelinsky eine wichtige Rolle zu. Sie sollen für den Bundesrat die Zulassungsgesuche für genomeditierte Pflanzen beurteilen. Wie dies herauskommen dürfte, kann sich jeder selbst ausmalen.

Aus journalistischer Sicht ist der Artikel im BAFU-Magazin nicht gut herausgekommen: Kein Wort zur Haltung der Fachkommission für biologische Sicherheit und auch kein Wort zu den zahlreichen Stimmen aus Schweizer Universitäten und Hochschulen, welche das Verbot für unwissenschaftlich halten. Ironischerweise ist der erwähnte Artikel Teil des Schwerpunkts des aktuellen BAFU-Hefts, der sich um das Thema Ethik dreht. Es wäre gerade in diesem Kontext ethisch korrekt oder zumindest redlich gewesen, den breiten wissenschaftlichen Konsens beim Thema Genom-Editierung zumindest ansatzweise zu erwähnen.

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