
Biolandwirtschaft mit höherem CO2-Ausstoss
Auch die Landwirtschaft soll einen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstosses leisten. Dabei zeigt sich Erstaunliches. Würde die Landwirtschaft zu 100 Prozent auf Bio umsteigen, erhöht sich gemäss einer britischen Studie ihr CO2-Ausstoss. Die gleichen Mechanismen gelten auch für die Schweiz, berichten die SonntagsZeitung und der Blick. Eine Ausdehnung der Bio-Produktion hätte für das Klima negative Folgen.
Donnerstag, 1. Oktober 2020
Über den Zusammenhang von Bioproduktion und CO2-Ausstoss titelte die «SonntagsZeitung»: «100 Prozent Bio erhöht den CO2-Ausstoss». Der Grund ist einfach: Biologische Landwirtschaft verbraucht mehr Fläche. Ihre Erträge sind deutlich tiefer als in der konventionellen Landwirtschaft. Das heisst: Mit Bio steigt die Klimabelastung, wenn der Ertrag gleich gross werden soll. Das liegt am steigenden Flächenbedarf, aber auch daran, dass eine mechanische Bearbeitung des Bodens mehr Treibhausgase freisetzt und mehr Energie verbraucht.
40 Prozent geringere Erträge
Um die Klimaziele zu erreichen, soll auch die Landwirtschaft einen Beitrag leisten. Das gelingt jedoch umso weniger, je mehr die Landwirtschaft auf Bio umsteigt, schreiben Forscher der Cranfield University im wissenschaftlichen Fachblatt «Nature Communications». Sie haben die Treibhausgasemissionen berechnet, wenn England und Wales komplett auf Bio-Landwirtschaft setzen würden. Die Studienresultate zeigen, dass mit Biolandbau» zwar die CO2-, Lachgas- und Methanemissionen durch die Landwirtschaft generell um 20 Prozent und in der Viehwirtschaft um vier Prozent abnehmen würden. Doch das eingesparte CO2 würde an anderen Orten wieder anfallen. Denn die Erträge aus den Bio-Äckern wären um rund 40 Prozent tiefer als in der konventionellen Landwirtschaft. Das heisst: Es müssten entweder mehr Grünland oder Biodiversitätsflächen in Äcker umgewandelt, oder 40 Prozent mehr Nahrungsmittel importiert werden. Damit ist dem Klima nicht geholfen.
Gleiche Mechanismen in der Schweiz
Die oben erwähnte Studie bezieht sich zwar auf Grossbritannien, doch die Resultate können auch auf die Schweiz übertragen werden. Wie Adrian Müller vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) gegenüber dem «Blick» sagt, wirken hier die gleichen Mechanismen. Die Treibhausgasemissionen würden im Inland zurückgehen, dafür aber im Ausland wachsen. Was für England, Wales und auch die Schweiz gilt, ist auch ein globales Problem. Auf der ganzen Erde wächst die Bevölkerung weiter. Die UNO rechnet bis 2050 mit einem Anstieg der Weltbevölkerung auf 9,5 Milliarden Menschen. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft weltweit ihre Erträge weiter steigern muss, damit es nicht zu Hungersnöten kommt. Biolandwirtschaft senkt jedoch die Erträge.
Verbesserungspotenzial bei Food Waste
Letztlich schadet eine ineffiziente Landwirtschaft nicht nur dem Klima, sondern auch den Menschen. Um mit einer Biolandwirtschaft Klimaziele und Ernährungssicherheit zu erreichen, müssten die Menschen den Fleischkonsum massiv senken. Das ist aber kaum realistisch, weil die wachsende Mittelschicht in Indien und China sich erstmals Fleisch leisten kann und nachfragt. Wo aber noch Verbesserungspotenzial liegt, ist beim Food Waste: Hier ist jeder einzelne Konsument gefragt, aber auch der Detailhandel und die verarbeitende Industrie. Letztere aber ist angewiesen auf einwandfreie Agrarprodukte, die zum Beispiel frei von Pilzgiften sind. Pflanzenschutz hilft, die Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verlängern, Biozide garantieren die Lebensmittelsicherheit und Hygiene.
Führt Bio zu mehr Biodiversität?
Es ist eine weit verbreitete Ansicht, dass die Förderung der Biolandwirtschaft positive Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat. Doch sie ist falsch. Zwar leben auf Bioflächen mehr Arten. Allerdings ist der Flächenverbrauch deutlich grösser als in der konventionellen Landwirtschaft. Biodiversitätsflächen werden zurückgedrängt. Damit verschwinden sämtliche Vorteile für die Biodiversität.
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