PFAS, Zielkonflikte und Verantwortung – wie Politik und Landwirtschaft Lösungen finden

PFAS, Zielkonflikte und Verantwortung – wie Politik und Landwirtschaft Lösungen finden

In dieser Episode der gemeinsamen Serie von Agrarpolitik – der Podcast und swiss-food.ch spricht Nationalrätin Christine Badertscher darüber, wie Rückstände und Grenzwerte im Parlament diskutiert werden.

Montag, 17. November 2025

Die ausserordentliche Session zu PFAS in der Herbstsession 2025 des Schweizer Parlaments verlief erstaunlich sachlich. Für Badertscher ist klar: PFAS sind ein Problem, das alle betrifft. Entsprechend breit war die Bereitschaft, erste Massnahmen wie Forschungsförderung, die Prüfung von Deklarationspflichten und Unterstützung für landwirtschaftliche Betriebe mit PFAS-Rückständen belasteten Böden aufzugleisen.

Badertscher betont dabei auch, wie stark unterschiedliche Akteure – von NGOs über Branchenverbände bis hin zur Industrie – versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Dieser Lobbyismus prägt die Parlamentsarbeit, nicht nur bei PFAS, sondern bei praktisch allen Fragen im Bereich Umwelt und Landwirtschaft.

Viele politische Debatten drehen sich um Zielkonflikte: Wie lassen sich Gesundheitsschutz, Umweltanliegen und wirtschaftliche Realität miteinander vereinbaren? Badertscher beschreibt, wie schwierig diese Abwägungen sind und erklärt, dass es oft zu Missverständnissen zwischen Landwirtschaft und Politik kommt. Beide Seiten hätten ihre blinden Flecken: Die Landwirtschaft tue sich teilweise schwer, Probleme anzuerkennen, während die Politik die praktischen Herausforderungen in der Produktion unterschätze.

Zur gesamten Serie Agrarpolitik – der Podcast mit swiss-food

Der Agrarpolitik-Podcast und swiss-food.ch beleuchten in einer gemeinsamen Serie, wie wir in der Schweiz mit Risiken, Messwerten und Wahrnehmungen von Chemikalien umgehen – sachlich, verständlich und praxisnah.

Den krönenden Abschluss bildete der Live-Event im Bogen F in Zürich.

Zu den Folgen:

Folge 1 mit Dr. Angela Bearth (Hier zur Folge)

Folge 2 mit Dr. Lothar Aicher (Hier zur Folge)

Folge 3 mit Dr. Michael Beer (Hier zur Folge)

Folge 4 mit Christine Badertscher (Hier zur Folge)

Ein zentraler Punkt für Badertscher ist die Gleichbehandlung von Importen und einheimischer Produktion. Ihre Motion zur Nulltoleranz für verbotene Wirkstoffe auf Importprodukten wurde angenommen und muss nun umgesetzt werden. Das führt zu Anpassungen in den Wertschöpfungsketten – aber solche Veränderungen brauchen Zeit. Ein zweites Thema ist der Zugang zu risikoärmeren Pflanzenschutzmitteln. Für Badertscher dauert es zu lange, bis Low-Risk-Produkte zugelassen sind. Ihre Motion zielt darauf ab, den Prozess zu beschleunigen, damit sichere Alternativen schneller verfügbar werden.

Auch die Rolle der Konsumenten komme in den politischen Debatten zu kurz, sagt Badertscher. Wer mehr Nachhaltigkeit und strengere Vorgaben fordere, müsse auch das eigene Konsumverhalten einbeziehen. Zum Schluss betont sie, dass Regulierung immer das Zusammenspiel unterschiedlicher Interessen sei: NGOs, Industrie, Landwirtschaft und Politik. Wichtig sei, dass alle Beteiligten das Problem anerkennen und gemeinsam an Lösungen arbeiten.

Badertscher spricht sich dafür aus, dass in der Schweiz verbotene Pflanzenschutzmittel nicht exportiert werden dürfen. Diese Forderung greift jedoch zu kurz. Schweizer Hersteller exportieren nur Produkte, die über ein vollständiges OECD-Dossier verfügen und im Zielland zugelassen und reguliert sind. Die internationale Regulierung orientiert sich an lokalen agronomischen Bedürfnissen und Kulturen. So werden in der Schweiz nun mal keine Cashews, Avocados oder Baumwolle angepflanzt. Eine Schweizer Sonderregelung würde den internationalen Handel unnötig verkomplizieren, ohne den Schutz der Bevölkerung im Importland zu verbessern. Denn wenn ein Land Pflanzenschutzmittel braucht, importiert es sie – auch aus dubiosen Quellen: Der Handel mit gefälschten und illegalen Pestiziden sowohl online als auch offline stellt nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt eine erhebliche Gefahr dar. Wenn Länder wie die Schweiz Landwirte in regulatorisch schwächeren Ländern wirklich schützen wollen, setzen sie auf Technical Assistance – also Hilfe beim Aufbau robuster Regulierungsbehörden wie das die Rotterdam Konvention vorsieht.

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