Konsumenten sind aufgeschlossener als Gentech-Gegner behaupten
Die Revision des Gentechnikgesetzes böte eine gute Gelegenheit, um über den angemessenen Umgang mit modernen Züchtungsmethoden wie der Genom-Editierung zu diskutieren. Dies findet auch Angela Bearth, Forscherin am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich und Vizepräsidentin des Forums Genforschung der SCNAT in einem lesenswerten Beitrag.
Mittwoch, 18. August 2021
Es ist das Totschlagargument der Gentechnik-Kritiker: Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel würden die Schweizer Konsumenten ohnehin nicht akzeptieren. Aus diesem Grund könne man nun auch ohne Weiteres das bestehende Gentechnik-Moratorium um vier weitere Jahre verlängern.
Ob dieses gerne vorgebrachte Argument auch stimmt, ist mehr als fraglich. Denn oft werden als Beweis für die Unlust der Konsumenten an gentechnisch veränderten Lebensmitteln Studien älteren Datums angeführt, wie Angela Bearth von der ETH Zürich in einem aktuellen Beitrag schreibt. Zudem wisse man aus der Forschung, dass Leute bereit sind, ein kleines Mass an Unsicherheit oder Risiko zu akzeptieren, wenn sie einen relevanten Nutzen sehen. «Wenn die Gentechnologie beispielsweise dazu beiträgt, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zu reduzieren, könnte die Technologie durchaus auf Akzeptanz stossen.»
Genom-Editierung bringt Fortschritt
Gerne wird von der Gegnerschaft auch unterschlagen, dass im Gebiet der Gentechnik enorme Fortschritte passiert sind und noch immer erzielt werden: «Es sind viele neue, präzisere Werkzeuge entstanden, die sogenannte Genom-Editierung. Die Gesetzgebung differenziert nicht und unterstellt auch die neuen Werkzeuge dem Moratorium. Die Bevölkerung scheint dies differenzierter zu sehen: Neuere Studien zeigen eine Offenheit der Bevölkerung gegenüber dem Einsatz von Genom-Editierung in der Pflanzenzüchtung», schreibt Bearth weiter.
Nicht zuletzt die intensiven Diskussionen über die Pestizid-Initiativen haben es gezeigt: Die Schweizerinnen und Schweizer möchten eine leistungsfähige, aber auch möglichst pestizidarme Landwirtschaft. Zusätzlich zu diesem Druck seitens der Stimmbürger und Konsumenten werden auch die Folgen des Klimawandels die Schweizer Bauern vor grosse Herausforderungen stellen. Die neuen Methoden der Pflanzenzucht könnten hier in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten. Voraussetzung ist jedoch die Akzeptanz bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Und diese scheint vor allem bezüglich der neueren Ansätze vorhanden zu sein. Nicht zuletzt auch deshalb braucht es jetzt eine breite öffentliche Debatte über Nutzen und Risiken der neuen Züchtungsmethoden. Denn die Vorzeichen haben sich seit der letzten grossen Debatte um die Gentechnik zu Beginn der 2000er-Jahre massiv verändert. «Die Herausforderungen sind zu drängend, um uns jahrzehntelang unter den alten Argumenten einzubunkern», ist Bearth überzeugt.
Ähnliche Artikel
Was wirklich im Einkaufskorb steckt
Gentechnik im Einkaufskorb? Ja – und viel häufiger, als wir denken. Ob Pasta, Brot oder Gemüse: Viele unserer Alltagsprodukte stammen aus Mutationszüchtungen, die ein Eingriff ins Genom sind und als sicher gelten. Höchste Zeit, mit gängigen Mythen aufzuräumen.
Die genomischen Züchtungsmethoden bekommen keine Chance, sich zu beweisen
Moderne genomische Züchtungsmethoden gelten rechtlich als Gentechnik – und sind deshalb bis heute faktisch blockiert. Dabei essen wir seit Jahrzehnten gentechnisch veränderte Pflanzen, nur unter dem Etikett «klassische Mutagenese». Die neuen, präziseren Verfahren werden strenger reguliert als die alten, obwohl sie wissenschaftlich als sicherer gelten. Ein Widerspruch, der dringend korrigiert werden müsste. Die EU geht mit gutem Beispiel voran..
Keine Schweinerei: Warum hodenlose Eber ein klares Plus fürs Tierwohl sind
Neue Züchtungsmethoden eröffnen neue Möglichkeiten in der Pflanzen- und Tierzucht. Sie erlauben gezielte Veränderungen im Erbgut, die auch Tiere widerstandsfähiger, anpassungsfähiger und gesünder machen können.
Stillstand statt Fortschritt: Die Schweiz droht bei neuen Züchtungen zurückzufallen
Ein Überblicksartikel im Schweizer Bauer zeigt, wie stark die neuen Züchtungsmethoden die bäuerlichen Kreise beschäftigen. Nach Abschluss der Vernehmlassung zum Bundesgesetz wird eine Vorlage erwartet – dann zeigt sich, ob der politische Wille zur Zulassung tatsächlich besteht.