Nobelpreisträgerin befürwortet Genschere in der Ökopflanzenzucht

Nobelpreisträgerin befürwortet Genschere in der Ökopflanzenzucht

Die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard plädiert in einem Meinungsbeitrag in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» für den Einsatz der Genschere CRISPR/Cas9 in der Pflanzenzucht – auch im Ökolandbau. Die Genom-Editierung bringe gerade für den Natur- und Artenschutz zahlreiche Vorteile.

Montag, 24. Januar 2022

Unter dem Titel «Die Vernunft gebietet es, die Genschere im Ökoanbau zu nutzen», prangert Nüsslein-Volhard die nach wie vor restriktiven Gesetze in der EU für den Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen an. Selbst die Genschere stelle für die Politik immer noch ein rotes Tuch dar. «Und das, obwohl gentechnisch hergestellte Sorten in riesigem Ausmass mit Vorteil in anderen Ländern angebaut werden und bisher noch kein einziger Fall eines durch solche Pflanzen verursachten direkten Schadens für Mensch, Tier und Umwelt nachgewiesen wurde», sagt die Forscherin. Und schreibt weiter: «Dabei gebietet es die Vernunft, gerade solche Züchtungen zuzulassen, weil sie, abgesehen vom wirtschaftlichen Nutzen durch höhere Erträge, einen sehr wichtigen Beitrag zum Naturschutz, zur Erhaltung der Artenvielfalt und zur Vermeidung des Insektensterbens leisten können.»


Hohe Erträge erforderlich

Angesichts von Millionenstädten, begrenzter Flächen und Bevölkerungswachstum sei die Erzielung von hohen Erträgen ein Muss. Deshalb führe am Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Moment weder in der konventionellen noch in der Biolandwirtschaft ein Weg vorbei. Zu glauben, dass die Ökolandwirtschaft die Welt ernähren kann, bezeichnet die Nobelpreisträgerin als «reine Romantik». Der Ökolandbau erziele niedrigere Erträge auf gleicher Fläche als die konventionelle Landwirtschaft und sei deutlich aufwendiger und damit teurer. Die knappen zur Verfügung stehenden Flächen sollten daher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nachhaltig bewirtschaftet werden.


Züchtung robuster Sorten

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann jedoch laut der Forscherin problematische Auswirkungen auf die Biodiversität, insbesondere Insekten, haben. Damit künftig weniger Insektizide ausgebracht werden müssen, brauche es mehr resistente Pflanzensorten. Zwar habe die konventionelle Pflanzenzüchtung viel geleistet, doch sie sei langwierig und aufwendig. Bei der konventionellen Züchtung würden Pflanzen oft radioaktiver Strahlung ausgesetzt, wodurch zufällige genetische Mutationen entstünden. Bis durch Zufall eine gewünschte Eigenschaft gefunden werde, könne es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Die Genom-Editierung könne die gezielte Pflanzenzucht beschleunigen.


Effizientere Züchtung mit Genschere

Durch das Einsetzen von arteigenen Resistenzgenen – beispielsweise aus Wildpflanzen – kann der Züchtungsprozess gemäss Nüsslein-Volhard gezielter und schneller erfolgen. So liessen sich beispielsweise Resistenzgene aus Wildkartoffeln in bestehende Sorten einsetzen, die dann der berüchtigten Kraut- und Knollenfäule trotzen. Mit der Genschere CRISPR/Cas9 liessen sich auch inaktive Gene in Pflanzen zum Nutzen von Landwirten und Konsumenten wieder aktivieren. Beispiele seien Sojabohnen mit gesünderen Fettsäuren, glutenreduzierter Weizen, bakterienresistenter Reis oder pilzresistente Wein-, Weizen- oder Kakaosorten. Auf diesem Weg gezüchtete Pflanzen ohne artfremde DNA lassen sich nicht von solchen unterscheiden, die mittels herkömmlicher Methoden gezüchtet wurden. Ein weiterer Vorteil: Den Konsumentinnen und Konsumenten vertraute Sorten lassen sich mit der Genom-Editierung effizient optimieren: «Bereits gut bewährte Sorten können einfach durch eine Genmutation, die sich in anderen Arten als vorteilhaft erwiesen hat, verbessert werden», sagt Nüsslein-Volhard.


Neue Rahmenbedingungen nötig

Für die Nobelpreisträgerin ist es absurd, dass die mit Genom-Editierung gezüchteten Pflanzen dennoch unter das Gentechnikgesetz fallen und damit faktisch nicht angepflanzt werden können. Die restriktive Haltung der Politik gegenüber der Genom-Editierung habe dazu geführt, dass die Züchtung mittels innovativer Verfahren nur noch im Labor stattfinde: «Die deutschen Agrarfirmen haben ihre Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet längst ins Ausland verlegt, die klassischen Forschungsinstitute betreiben keine Pflanzenzüchtungsforschung mehr», gibt Nüsslein-Volhard zu bedenken. Sie hofft auf eine baldige Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen.

Auch Schweizer Bioexperte will Genschere nutzen

Christiane Nüsslein ist mit ihrer Forderung nach einer Lockerung der Gentechnikgesetzgebung nicht allein. Auch Bioforschungspionier Urs Niggli anerkennt die Vorteile neuer gentechnischer Verfahren. In «Die Grüne» warnte er vor der absurden Situation, dass konventionelle Bauern genomeditierte Kartoffeln ohne Pestizide anbauen – und Biobauern ihre Kartoffeln mit dem giftigen Schwermetall Kupfer spritzen müssten.

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