
Erster Schritt aus der Gentech-Blockade
Der Ständerat spricht sich für eine Lockerung des Gentech-Moratoriums aus. Zwar hat er eine Verlängerung um weitere vier Jahre beschlossen. Gleichzeitig gibt es eine Ausnahme: Gentechnisch veränderte Organismen, denen kein artfremdes Erbgut eingefügt wurde, sind vom Moratorium ausgenommen.
Dienstag, 7. Dezember 2021
Das Gentech-Moratorium ist in der Schweizer Politik eine heilige Kuh. Lange Zeit galt es als unvorstellbar, dass sich daran etwas ändern könnte. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, hat sich der Ständerat überraschend für eine Lockerung in der Gesetzgebung für gentechnisch veränderte Pflanzen ausgesprochen. Neu soll der Anbau gentechnisch gezüchteter Pflanzen zugelassen werden, die kein artfremdes (transgenes), sondern nur arteigenes (cisgenes) Erbgut enthalten.
Damit hat der Ständerat auch neuen Züchtungstechniken wie der Genom-Editierung die Steine aus dem Weg geräumt. Mit der Technik lassen sich Gene im Erbgut von Pflanzen gezielter als bei bisherigen Züchtungsverfahren ein- bzw. ausschalten. Das gilt insbesondere im Vergleich mit Techniken wie der ungezielten Mutationszüchtung, bei der Pflanzen radioaktiv bestrahlt oder chemisch behandelt werden. Die Genom-Editierung ersetzt die klassische Züchtung neuer Sorten, die eine Vielzahl von Eigenschaften haben sollen, nicht, kann aber zum Beispiel bewährte und beliebte Sorten gezielt mit Schutzeigenschaften ausstatten.
Zeichen an den Forschungsplatz
Der knappe Entscheid zugunsten der Lockerung, ist auch auf das Engagement von direkt betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zurückzuführen. Gemäss «Tages-Anzeiger» haben sich rund 70 Forscherinnen und Forscher diverser Schweizer Hochschulen und Universitäten gegen eine Verlängerung des Gentech-Moratoriums eingesetzt. Ihre Botschaft: Es herrscht ein wissenschaftlicher Konsens, dass gentechnisch veränderte Pflanzen kein höheres Risiko darstellen als herkömmlich gezüchtete Pflanzen.
Der Entscheid kann als Entgegenkommen an den Schweizer Forschungsplatz gewertet werden. Denn nach dem faktischen Ausschluss der Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon Europe haben hiesige Forschungsinstitutionen mit Problemen zu kämpfen. Mit dem Entscheid des Ständerats könnte die Schweiz für Forscherinnen und Forscher im Bereich der Biotechnologie an Attraktivität gewinnen. Auch für Biotechfirmen ist der Entscheid positiv, da nun die Möglichkeit besteht, Produkte künftig auch auf den Markt bringen zu können.
Widersprüchliche Gentech-Gegner
Trotz des Entscheids des Ständerats dürften aber noch Jahre vergehen, bis genomeditierte Pflanzen im Angebot von Lebensmittelläden sind. Einerseits muss auch der Nationalrat dem Ständerat folgen. Andererseits sind die Bewilligungsverfahren für genomeditierte Pflanzensorten sehr streng. Hersteller müssten belegen können, dass ihre Pflanzen für Mensch und Umwelt kein Risiko darstellen. Eine Lockerung, so der «Tages-Anzeiger», würde in der Praxis vorerst wohl ohne Folgen bleiben.
Allerdings konnte sich eine neue Perspektive in der Debatte etablieren: Genomeditierte Pflanzen sind als Chance und nicht als Risiko zu betrachten. Gerade hinsichtlich des Klimawandels und des Umweltschutzes sind neue Züchtungsmethoden unabdingbar, um Ernten zu sichern. Es mutet daher seltsam an, dass gerade in grünen Kreisen die Ablehnung gegenüber der Gentechnik nach wie vor gross ist. Sie warnen am stärksten vor den Folgen des Klimawandels und müssten um jede umweltschonende Technologie froh sein. Dieselben Kreise blockieren zudem mit dem Verbandsbeschwerderecht die Zulassung neuer, fortschrittlicherer und umweltverträglicherer Pflanzenschutzmittel. Eine nachhaltigere Landwirtschaft ist aber mit nur Nein sagen nicht zu haben.
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