
Genom-editierte Pflanzen auf dem Weg zum Markt
Für die Landwirtschaft sind der Klimawandel und das globale Bevölkerungswachstum die zentralen Herausforderungen des gegenwärtigen Jahrhunderts. Die Genschere CIRSPR/Cas eröffnet hier neue und ungeahnte Möglichkeiten. Obwohl die Technologie noch jung ist, dürften viele Anwendungen bald reif für den Markt sein.
Freitag, 24. Juni 2022
Das «SRF Wissenschaftsmagazin» widmet sich in einer Ausgabe der Genom-Editierung. Darunter werden neuartige Technologien, zu denen auch die nobelpreisgekrönte Genschere CRISPR/Cas gehört, zusammengefasst. Sie erlauben eine äusserst effiziente und zielgenaue Bearbeitung von Pflanzen-DNA. Die Methode kann in Zukunft dazu beitragen, dass Pflanzen mit weniger Wasser auskommen, resistent gegenüber bestimmten Schädlingen sind und somit weniger Pflanzenschutzmittel benötigen.
Grössere Ressourceneffizienz
Das US-amerikanische Start-up «Inari», zu dessen wissenschaftlichem Beratungsgremium auch die Nobelpreisträgerin Jennifer Doudna gehört, will möglichst viele Anwendungen erforschen, die später direkt auf dem Acker zum Einsatz kommen. So zum Beispiel ein Mais, der weniger Wasser und Stickstoff benötigt. Dazu werden Embryonen aus den Maiskörnern von bestehenden Pflanzen herausgetrennt und mit Agrobakterien (Agrobacter tumefaciens) behandelt. Die Bakterien dienen dazu, um bestimmte Gene in den Embryo einschleusen zu können. Aus den Maisembryonen erwachsen schliesslich kleine Pflanzen. In Gewächshäusern wachsen sie bis zu ihrer Normalgrösse heran. Dies ist der Moment, an dem sich zeigt, ob die Pflanze die gewünschten neuen Eigenschaften besitzt.
Vielfältige Anwendungen
Das Spektrum von möglichen Anwendungen der Genschere ist breit. Das «SRF Wissenschaftsmagazin» zählt etwa mehltauresistenter Weizen und Tomaten, virusresistente Randen, Mais mit verbesserter Stresstoleranz gegenüber Trockenheit oder platzsparende Tomaten dazu. Doch daneben existieren noch viele weitere erfolgsversprechende Pflanzenzüchtungen. swiss-food.ch hat zehn besonders vielversprechende Anwendungen für die Schweiz aufgelistet. Auch wenn die meisten dieser Pflanzensorten noch nicht zugelassen sind: Ihre Entwicklung ist weit fortgeschritten. Zugelassen sind bisher beispielsweise mit Aminosäuren angereicherte Tomaten in Japan oder langsamer bräunende Champignons in den USA. Die Behauptung, dass CRISPR «nur Lifestyle-Produkte» ermögliche, aber keinen substanziellen Beitrag zur landwirtschaftlichen Produktion beisteuern könne, ist dagegen falsch. Die Zulassungsprozesse brauchen einfach noch etwas Zeit. Nach Einschätzung des «SRF Wissenschaftsmagazins» werden schädlingsresistente Pflanzen, die mit relativ einfachen Eingriffen ins Erbgut gezüchtet werden können, wohl als erste die Marktreife erlangen.
Angepasste Rahmenbedingungen
Entscheidend sind auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen. So lange der Anbau von genom-editierten Pflanzen in vielen Ländern noch verboten ist, ist auch das Entwicklungstempo eher langsam. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung hat die Schweiz jedoch kürzlich unternommen. So haben sich sowohl der National- als auch der Ständerat für Lockerungen bei der Regulierung der Genom-Editierung ausgesprochen. Bis Mitte 2024 muss der Bundesart einen Gesetzesentwurf ausarbeiten, der genomeditierte Pflanzen nicht mehr unter das seit 2005 bestehende Gentech-Moratorium stellt.
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