Bundesrätliche Verhinderungspolitik schadet der Schweiz

Bundesrätliche Verhinderungspolitik schadet der Schweiz

Ende Juni hat der Bundesrat die Botschaft zum Gentechnikgesetz publiziert. Im Grundsatz soll das bestehende Moratorium bis 2025 verlängert werden. Die neuen Technologien wie die Genom-Editierung werden dabei dem bestehenden Gesetz zugerechnet. Falls das Parlament dem Bundesrat folgt, wird in der Schweiz auch in den kommenden vier Jahren die kommerzielle Nutzung von Genom-Editierungs-Anwendungen verboten bleiben.

Donnerstag, 8. Juli 2021

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Bundesrat will das bestehende Gentech-Moratorium um weitere vier Jahre verlängern.
  • Auch neue Methoden zur Pflanzenzüchtung wie die Genom-Editierung sollen unter das Moratorium fallen.
  • Verliererinnen des Entscheids sind Wissenschaft und Umwelt.

Die Argumentation des Bundesrats ist dabei nur schwer nachvollziehbar. Er argumentiert, dass durch die neuen gentechnischen Verfahren Eingriffe ins Genom einer Pflanze stattfinden würden, die unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkämen. Er lässt dabei ausser Acht, dass ein Grossteil der neuen Anwendungen Produkte hervorbringen, die genauso gut durch eine spontane Mutation oder durch natürliche Rekombination entstehen könnten. Zudem sind bereits heute Züchtungsmethoden in der Schweiz zugelassen, die massiv ins Genom einer Pflanze eingreifen. Die klassische Mutagenese tut dies dabei weit weniger präzise als die modernen Technologien. Diese Ungleichbehandlung ist stossend.


Bisher keine negativen Erfahrungen

Zudem ist es falsch, eine ganze Technologie nur deshalb zu verbieten, weil diese «weitreichende Möglichkeiten» bietet. Es wäre an der Zeit, auch in der Schweiz zu einem risikobasierten Verfahren überzugehen. Interessanterweise wäre dies bereits unter dem geltenden Gentechnikgesetz möglich. Doch der Bundesrat argumentiert in der aktuellen Botschaft, dass für die Produkte der Genom-Editierung «noch zu wenig Daten und Erfahrungswerte vorhanden» seien, eine «history of safe use» fehle. Angesichts dessen, dass die Technologie in verschiedensten Nutzpflanzen bereits angewandt wird und in verschiedenen Ländern bereits heute genomeditierte Nahrungsmittel angebaut und verzehrt werden, ohne negative Erfahrungen, dafür mit grossem gesundheitlichem Nutzen für die Konsumenten, ist dies eine erstaunliche Aussage.


Genom-Editierung ist sicher

Wie lange möchte der Bundesrat zuwarten? Nochmals vier Jahre oder dann vielleicht acht? So lange, bis die entsprechende Forschung abgewandert ist und die lokalen kleinen Züchtungsunternehmen gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz definitiv im Abseits stehen? Die Evidenz liegt bereits heute auf dem Tisch: Die bekannten Genom-Editierung-Anwendungen sind sicher – für den Menschen und die Umwelt. Angesichts dessen wäre es zu begrüssen, wenn das Parlament, das die Vorlage in der Herbstsession berät, dies auch anerkennen und eine risiko- und produktbasierte Regulierung fordern würde. Dass Genom-Editierung gerade in einem kleinstrukturierten Land wie der Schweiz mit hohem technischem Know-how und sehr gut ausgebildeten Landwirten besonders nutzbringend eingesetzt werden könnte, wird kaum debattiert. Auch nicht, dass Genom-Editierung hilfreich wäre, die oft geforderten agrar-ökologischen Konzepte wie Sorten- und Artenmischungen praxistauglich zu machen. Es ist Zeit für eine evidenzbasierte, zukunftsgerichtete Gentechnikpolitik in diesem Land, die Innovationen auch im Feld zulässt und jungen Talenten eine Forschungsperspektive bietet. Denn Genom-Editierung findet nutzbringend statt. Wenn nicht hier, dann anderswo.

Gut zu wissen

Moderne Züchtungsmethoden sind zentral für eine in allen Dimensionen ressourceneffiziente Landwirtschaft. Die verschiedenen Methoden sind hier erläutert. Genom-Editierung kann zur Verhinderung von «Feed Waste» und zu mehr inländischem Futter beitragen, um nur ein Beispiel zu nennen.

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