Warum der Verzicht auf synthetische Pestizide die Nahrungsmittelproduktion verringern und der Umwelt nicht helfen wird

Warum der Verzicht auf synthetische Pestizide die Nahrungsmittelproduktion verringern und der Umwelt nicht helfen wird

Der britische Aktionsplan zur Reduktion von Pestiziden droht laut Agronom Greg Dawson nach hinten loszugehen: Zu strenge Vorgaben könnten die heimische Landwirtschaft unrentabel machen – und Grossbritanniens Abhängigkeit von Importen erhöhen.

Dienstag, 11. November 2025

Nach der Einführung des britischen Nationalen Aktionsplans für Pestizide (NAP) Anfang dieses Jahres, der einen starken Schwerpunkt auf die Reduktion des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft legt, äussert der Agronom Greg Dawson Bedenken: Wenn sich die Politik zu sehr auf willkürliche Reduktionsziele konzentriert, ohne die realen Auswirkungen zu berücksichtigen, könnte sie unbeabsichtigt den Anbau von Nahrungsmitteln im Vereinigten Königreich weniger nachhaltig machen – praktisch, wirtschaftlich und ökologisch. Gehen die Beschränkungen zu weit, werde die Primärproduktion in Grossbritannien unrentabel. Das Ergebnis wäre eine stärkere Abhängigkeit von Lebensmittelimporten und damit weniger Kontrolle über alle Aspekte der Produktion – einschliesslich des Einsatzes von Chemikalien, warnt er.


Der neue Nationale Aktionsplan für Pestizide

Im März brachten die vier britischen Nationen den Pesticides National Action Plan (NAP) 2025 auf den Weg. Grundgedanke: Der Pestizideinsatz müsse zum Schutz von Umwelt und Gesundheit reduziert werden. Zwar erkennt der Plan an, dass Landwirte diese Mittel zum Nahrungsmittelanbau benötigen, und betont die Vorteile des Integrierten Pflanzenschutzes – oder Integrierten Pflanzenbaus (ICM) –, doch vernachlässigt der Ansatz einige entscheidende Punkte.

Eine zu einseitige Fokussierung auf chemische Reduktionsziele, ohne deren reale Auswirkungen zu bedenken, könnte den Anbau in Grossbritannien weniger nachhaltig machen – praktisch, wirtschaftlich und ökologisch.


Jüngste Erfahrungen

In Dänemark etwa führte die Einführung einer Pestizidsteuer zusätzlich zu ohnehin strengen Auflagen dazu, dass der Einsatz des Multisite-Fungizids Mancozeb zur Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln zurückging. Dadurch entstanden aggressivere Pilzstämme, die Pflanzenresistenzen überwanden und die Wirksamkeit verbleibender Fungizide beeinträchtigten. In einigen Fällen erreichten die Ernten keine marktfähigen Erträge – ein Fiasko sowohl für Umwelt als auch für Wirtschaft.

Diese virulenteren Stämme verbreiteten sich inzwischen in ganz Nordeuropa und erschweren integrierte Bekämpfungsstrategien weiter.

In Grossbritannien führte die Neuordnung der Pflanzenschutzmittel-Regulierung nach dem Brexit zum Wegfall der letzten Mittel gegen Ungräser in Winterhafer – einem wichtigen und gesunden Anbauprodukt insbesondere in Schottland. Viele Landwirte stellten den Anbau daraufhin ein.


Integrierter Pflanzenbau

Das Problem liegt nicht nur im Verbot einzelner Mittel, sondern im Grundsatz: Nimmt man die Chemie heraus, fehlt ein tragendes Element. ICM ist ein integrierter Ansatz, bei dem mehrere Werkzeuge aufeinander abgestimmt sind. Wenn durch Regulierung immer mehr chemische Optionen verschwinden, funktioniert das System nicht mehr vollständig.

Fruchtfolgen, Sortenwahl und Aussaatzeitpunkte sind wichtige ICM-Elemente, deren Wirksamkeit aber durch Pflanzenschutzmittel unterstützt und abgesichert wird – insbesondere durch den Wechsel verschiedener Wirkungsmechanismen.

Der Erfolg der «Grünen Revolution» im 20. Jahrhundert sollte nicht vergessen werden: Pflanzenzüchtung, kombiniert mit massvollem Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, hat Erträge vervielfacht, den Lebensstandard verbessert, Bevölkerungswachstum ermöglicht und Lebensmittelpreise gesenkt.

Kein verantwortungsbewusster Produzent fordert einen ungehemmten Einsatz von Chemikalien. Aber sie waren und sind ein entscheidender Bestandteil nachhaltiger Produktion.

Zwischen 1990 und 2020 sank der Einsatz synthetischer Betriebsmittel in Grossbritannien um 60 %, während er weltweit um 90 % zunahm.


Eine realistische Politik für nachhaltige Landwirtschaft

Wer Pflanzenschutzmittel stark einschränken will, muss akzeptieren: Die marktfähigen Erträge pro Hektar sinken, mehr Land wird benötigt – zulasten der Natur –, und die Verbraucher müssen höhere Preise zahlen.

Steigt dadurch der Importanteil, verliert Grossbritannien Kontrolle über Produktionsstandards, einschliesslich des Chemieeinsatzes.

Ein Beispiel ist Rapsöl: Vor dem Verbot der Neonikotinoide (2013) war das Vereinigte Königreich Selbstversorger und Exporteur. Nach dem Verbot gingen Erträge und Anbaufläche drastisch zurück. Heute stammen grosse Teile des importierten Pflanzenöls aus Ländern, in denen Neonikotinoide weiterhin zugelassen sind – ein fragwürdiger «Erfolg» aus Sicht des Umwelt- und Bienenschutzes.

Nach Rapsöl ist Palmöl das am häufigsten konsumierte Pflanzenöl in Grossbritannien. Dessen Produktion in tropischen Ländern steht in direkter Konkurrenz zur Erhaltung der Regenwälder – ein weiteres Beispiel für schwierige Zielkonflikte.

Bis neue «grüne Revolutionen» – etwa Gentechnik, Genomeditierung und biologische Pflanzenschutzmittel – ihre Wirksamkeit bewiesen haben, werden Landwirte weiterhin auf bewährte Werkzeuge setzen: Fruchtfolgen, Pflanzenzüchtung, Bodengesundheit, Düngung – und Chemie.


Wir dürfen gute Werkzeuge nicht wegwerfen

Keine andere Industrie würde ihre technologischen Fortschritte abschaffen und dennoch auf Fortschritt hoffen.

Nachhaltige Landwirtschaft erfordert Ernährungssicherheit, wirtschaftliche Tragfähigkeit und Resilienz gegenüber Klima, Schädlingen und Märkten. Politik kann nur dann nachhaltig sein, wenn sie realistische Pflanzenschutzstrategien fördert – mit einem breiten Spektrum an Werkzeugen, beschleunigter Entwicklung sicherer Alternativen und Unterstützung neuer Technologien wie Genomeditierung.

Doch bis diese Innovationen verfügbar sind, brauchen Landwirte praktikable, wissenschaftlich fundierte Optionen – keine blossen Reduktionsziele.

Dieser Artikel wurde von Greg Dawson, stellvertretendem Geschäftsführer der unabhängigen, von Landwirten getragenen Agronomie-Genossenschaft Scottish Agronomy, verfasst und am 5. August 2025 in englischer Sprache im Genetic Literacy Project veröffentlicht.

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