Auf dem Weg ins wissenschaftliche Abseits
Diese Woche entscheidet der Nationalrat, ob das bestehende Gentech-Moratorium um weitere vier Jahre verlängert wird. Im Zentrum der Debatte stehen neue Technologien wie die Genom-Editierung, die ebenfalls unter das innovationsfeindliche Verbot fallen sollen. In der Westschweizer Presse debattieren eine Befürworterin des Moratoriums sowie ein Gegner über das bevorstehende Geschäft. Dabei wird klar: Die Gegner der Gentechnik tun sich schwer mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Mittwoch, 22. September 2021
In der Westschweizer Zeitung «24heures» streiten sich Befürworter und Gegner des Gentech-Moratoriums. Auf der Pro-Seite die Nationalrätin Isabelle Chevalley, auf der Kontra-Seite der Nationalrat Christian Wasserfallen. Die Pro-Seite argumentiert im Wesentlichen mit dem aus ihrer Sicht noch ungenügenden Wissensstand zu den Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen. Zu viele Fragen, so Chevalley, seien noch offen. Zudem wird ins Feld geführt, dass Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz gar keine Gentechnik haben wollen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von gfs-bern zeigt jedoch, dass Verbraucher durchaus Interesse an neuen gentechnischen Verfahren zeigen, sofern ihnen der Nutzen bekannt ist.
Moratorium blockiert Innovation
Für Christian Wasserfallen ist dagegen klar: Das Argument mit dem ungenügenden Wissensstand ist bloss vorgeschoben. Eine nationale Studie hat gezeigt, dass von gentechnisch veränderten Pflanzen kein grösseres Risiko ausgeht als von herkömmlich gezüchteten. Zudem sind die neuen Technologien um die Genom-Editierung noch viel präziser geworden. Dass die Genschere CRISPR/Cas9 nun ebenfalls unter das Gentech-Moratorium fallen soll, ist für Wasserfallen Ausdruck von Innovations- und Forschungsfeindlichkeit. Die Genom-Editierung bietet einmalige Chancen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und des Wasserverbrauchs. Sie könnten damit zu einer effizienteren und nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen.
Immer weiter im Abseits
Die Schweiz ist für ihren starken Forschungsstandort bekannt. Dass die Technologie verboten bleibt, ist deshalb umso bedauerlicher. Andere Länder wie beispielsweise Australien oder Grossbritannien sind wesentlich fortschrittlicher. Zwar ist die Forschung mit gentechnisch veränderten Organismen in der Schweiz unter der Berücksichtigung strenger Regeln erlaubt. So werden im zürcherischen Reckenholz in einer streng bewachten und abgeriegelten Anlage gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Dennoch hinkt die Schweiz gerade in der angewandten Forschung der Welt hinterher und wird ihrem Ruf als Forschernation in der Grünen Gentechnik nicht gerecht. Mit jeder weiteren Verlängerung des Gentech-Moratoriums manövriert sich die Schweiz weiter ins wissenschaftliche Abseits.
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