Den Gegnern grüner Gentechnik fehlen Fakten. Ihre Antihaltung ist gefährliche Ideologie

Den Gegnern grüner Gentechnik fehlen Fakten. Ihre Antihaltung ist gefährliche Ideologie

Die Schweiz und die EU entscheiden 2025 über den Anbau mittels neuer Züchtungstechnologien veränderter Pflanzen. Eine Zulassung ist vernünftig – und längst überfällig. Denn Gentechnik ist bereits heute verbreitet.

Dienstag, 8. April 2025

Weizen ist die wichtigste Getreideart in Deutschland und in der Schweiz. Viren im Boden können bis zu 70 Prozent der Ernte eines Feldes vernichten. Das Problem ist real, der tägliche Kampf der Landwirte gegen solche und weitere Gefahren ist global eine grosse Herausforderung. Kommt hinzu, dass vielerorts den Bauern immer weniger Mittel zugestanden werden, um ihre Kulturen zu schützen. Es ist daher passend, wenn Manuel Stark in der «NZZ» mit folgendem Gedanken einsteigt: «Wie viele Probleme wären gelöst, gäbe es eine Technologie, die unsere Nahrungsversorgung sicherer machte. Wenn in einer Zeit, in der sich Umweltbedingungen rasant verändern, durch diese Technologie Pflanzen denkbar wären, die Dürren oder Überflutungen überstehen und weniger Agrargifte oder Dünger brauchen, um zu gedeihen.» Der Konjunktiv ist hier lediglich ein Stilmittel. Denn gleich im Anschluss löst der Autor auf: «Zunächst die gute Nachricht: Diese Technologie gibt es bereits. Und in diesem Jahr werden sowohl die EU als auch die Schweiz entscheiden, ob sie ausserhalb der Forschung zugelassen wird: die grüne Gentechnik.»

Die schlechte Nachricht ist natürlich, dass diese Technologie, wenn überhaupt, nur unzureichend legalisiert werden wird in der Schweiz und der EU. Die aktuellen Stossrichtungen in den Regierungen und Parlamenten deuten darauf hin. Dabei ist der Fall aus wissenschaftlicher Sicht längst klar. Dies sieht auch Stark so: «Wie überfällig es ist, durch gentechnische Verfahren gezüchtete Nutzpflanzen endlich zuzulassen, zeigt ein Anwendungsbeispiel: Anders als Menschen besitzen Pflanzen kein Immunsystem. Sie sind entweder durch ihre Gene resistent gegen ein Virus – oder nicht. Während der Corona-Pandemie hat die Menschheit erfahren, wie schnell Viren sich verändern. Eine einzige Resistenz gegen ein Virus in eine Weizensorte überzuführen, dauert mit konventionellen Zuchtmethoden mindestens zwölf Jahre. Durch moderne Methoden grüner Gentechnik lässt sich diese Zeit auf zwei Jahre verkürzen.»

Pflanzenviren würden sich zwar langsamer als das Coronavirus verändern, aber noch immer schnell genug, um unserer Nahrungsversorgung zuzusetzen: «Viren vernichten schon heute etwa die Hälfte der weltweit möglichen Ernten. Und diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren verschlimmern. Unter anderem, weil milde Winter und Wetterereignisse wie Überschwemmungen vielen Viren helfen, sich schneller zu verbreiten.» Schon einmal habe ein Virus in Deutschland eine Getreidesorte beinahe ausgerottet – Wissenschafter und Züchter hätten damals knapp rechtzeitig eine Resistenz gegen das Gelbgersten-Mosaikvirus gefunden: «Mindestens zwölf Jahre für eine einzige Resistenz; gut möglich, dass in Zukunft ein Virus mutiert, bei dem das zu lange ist.»


Andere Länder marschieren voran

Die Ausgangslage ist also klar: Wollen wir auch in Zukunft in einer sich immer schneller wandelnden Welt unsere Kulturen schützen, werden wir nicht darum herumkommen, innovativer, schneller, besser zu werden. Genau das ist das grosse Versprechen der neuen Züchtungsmethoden. Diese setzen auf Genomeditierung, etwa durch die Genschere Crispr/Cas9: «Stellt man sich die DNA einer Pflanze als Buch vor, in dem all ihre Eigenschaften vermerkt sind – also wie hoch sie wächst, wie gut sie Dürren oder Fluten übersteht und auch, wie sie sich gegen ein Virus wehrt –, dann ist die Genschere ein Korrekturwerkzeug, das Wörter streichen kann und sie bei Bedarf durch andere Formulierungen ersetzt oder um neue Begriffe ergänzt. Während klassische Pflanzenzucht die Kapitel und Sätze des Buchs so oft durcheinanderwirft, bis zumindest die meisten Buchstaben zufällig so stehen, wie man möchte, verändert Genomeditierung gezielt nur das, was man ändern will», so die «NZZ». Kommt hinzu, dass bei ungezielter Züchtung erwünschte Eigenschaften immer auch wieder verloren gehen. Kurzum: Die klassischen Züchtungen sind der ungezielte Hammer, mit dem man zwar an einem Ende etwas einfügen oder verbessern, aber auch ungewollte Schäden anrichten kann. Die neuen Methoden sind dahingegen das Skalpell, mit dem man nur das verändert, was man auch wirklich will.

Andere Länder, unter anderem die USA und China, setzen längst auf grüne Gentechnik. Und das ist die schlechte Nachricht: Es sei gut möglich, so die «NZZ», dass diese Länder in Zukunft bestimmen, was wir essen. Weil es in einer Welt, in der sich Umweltbedingungen immer schneller verändern, eine Pflanzenzucht braucht, die auf Veränderungen rasch reagieren kann. Und weil viele Politiker in der EU und der Schweiz in der Debatte um grüne Gentechnik kein Interesse an Fakten zeigen. Stattdessen geht es vor allem um Ideologie.

Ein Beispiel ist die Position der Bundestagsfraktion der deutschen Grünen. Die Fraktion mahnt, gentechnisch veränderte Pflanzen könnten «Ökosysteme durcheinanderwirbeln», durch eine Lockerung der Zulassungsregeln für grüne Gentechnik seien «Umwelt- und Gesundheitsschutz in Gefahr». Die gleiche Position vertreten die Grünen in der Schweiz und behaupten, es gebe bis jetzt «wenig Risikoforschung».

Beide Behauptungen sind falsch. Seit mehr als zehn Jahren kommen «Studien zu Lebensmittel- und Umweltsicherheit immer wieder zum gleichen Ergebnis: Pflanzenzucht mit modernen Methoden grüner Gentechnik ist sicher. Die Nationale Akademie der Wissenschaften in Deutschland, die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, die National Academy of Sciences in den USA, die Welternährungsorganisation – eigentlich alle seriösen Wissenschaftsinstitutionen sehen grüne Gentechnik positiv und gegenüber klassischer Zucht zuweilen in genau den Punkten im Vorteil, bei denen Gentechnik-Gegner von Gefahren phantasieren», fasst die «NZZ» die verfahrene Situation zusammen.


Die Wählerklientel scheint wichtiger als vernünftige Politik

Besonders paradox wirke dabei die Argumentation des grünen Landwirtschaftsministers von Deutschland, Cem Özdemir. Dieser lehne, treu der Linie seiner Partei, eine Lockerung grüner Gentech-Regularien grundsätzlich ab. Und er begründet seine Haltung damit, dass durch Genomeditierung gezüchtete Gewächse nicht unterscheidbar seien von konventionell gezüchteten Pflanzen.

Es stimmt, was Özdemir sagt: Sieht man sich die Eigenschaften der Pflanze an, ist das einzige Merkmal, welches einen gentechnisch gezüchteten Apfel von einem Artgenossen aus dem Bio-Segment unterscheidet, ein Bio-Aufkleber. Wie aber sollen gentechnisch veränderte Gewächse dann Ökosysteme gefährden und die Gesundheit angreifen, während Bioprodukte gerade von den Grünen oft als Schritt in eine bessere Welt angepriesen werden?

Dem Minister sind die Fakten bekannt. Seinen fachpolitischen Kollegen in der Schweiz ist Gleiches zu unterstellen. Warum dann diese Antihaltung bei grüner Gentechnik? Vielleicht ist es den Grünen wichtiger, ihrer Wählerklientel zu gefallen, als aufrichtig zu sein und ihre Politik nach Vernunft zu gestalten.


Die Gegner grüner Gentechnik schüren Angst

Es gibt weitere Institutionen, die in ihrer Position zu grüner Gentechnik religiöser Ideologie näher stehen als Vernunft und Logik. Dazu gehören etwa Brot für die Welt, der Bund Naturschutz, Vertreter der Bio-Industrie und allen voran Greenpeace. Sie spinnen an einer Erzählung, indem sie Aussagen verbreiten wie jene, dass die möglichen Gefahren von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht abschliessend geklärt seien.

Diese Rhetorik ist perfide. Sie schürt Angst und leider verfängt diese viel zu oft: Mehr als drei Viertel der Deutschen sehen grüne Gentechnik kritisch, mehr als 90 Prozent fordern weitere Untersuchungen über Negativfolgen. Auch drei von vier Schweizern sind gegen gentechnisch veränderte Pflanzen. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn rund 80 Prozent der Befragten in der gleichen Schweizer Umfrage finden die Genom-Editierung nützlich, wenn damit Kulturpflanzen gegen Pflanzenkrankheiten resistenter gemacht werden können. Die Umfrage widerlegt somit das von Technologie-Skeptikern häufig geäusserte Argument, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Genom-Editierung ablehnen. Der Fall ist komplexer. Im Gegenteil, die Akzeptanz ist – verbunden mit einem klaren Nutzen – ausserordentlich hoch. Fakten sind noch immer die beste Therapie gegen Angst-Kampagnen.

Das heisst aber nicht, dass das Angst-Argument nicht weitergespielt wird, wie die NZZ weiter zeigt: «Dabei sind die Worte so gewählt, dass seriöse Wissenschaft nicht widersprechen kann. Keinesfalls, weil das Gerede von «möglichen Gefahren» plausibel wäre. Sondern weil es mit empirischer Forschung nur möglich ist, Vorhandenes nachzuweisen. Die Nichtexistenz von Möglichkeiten zu belegen, entzieht sich ihrer Natur. Wenn jemand nun behaupten würde, ein unsichtbares Einhorn tanze auf seiner Schulter und singe das Lied «Atemlos durch die Nacht» von Helene Fischer auf einer nicht wahrnehmbaren Tonfrequenz, dann kann empirische Wissenschaft nur sagen: Nach allem, was wir wissen, ist da kein Einhorn. Würde nun ernsthaft jemand argumentieren, ob dort ein Einhorn tanze, sei nicht abschliessend geklärt? Greenpeace und Co. müssen jetzt mit Ja antworten. Einige ihrer Argumente gegen grüne Gentechnik folgen genau dieser Logik.» Besser könnte man die perfide Angst-Kampagne nicht demaskieren: Absichtlich ahnungslos durch die Nacht!


Genomeditierung hilft auch regionalen Pflanzenzüchtern

Ähnlich aufrichtig ist die Erzählung, Gentechnik helfe nur Grosskonzernen. Das Gegenteil ist wahr: Nur Milliardenunternehmen können sich aufwendige Zulassungsverfahren leisten. Studien zeigen, dass regionale Sortenzüchter ihren Anteil am Saatgutmarkt ausbauen, wenn die Zulassungsregeln für grüne Gentechnik gelockert werden.» Die meisten Forscher sind sich einig: «Die extreme Regulierung neuer gentechnischer Methoden verstärkt die Konzentration der Marktmacht auf wenige Grosskonzerne.» In der EU und der Schweiz, deren Gesetze für grüne Gentechnik zu den strengsten der Welt zählen, kontrollieren nur fünf Konzerne 95 Prozent des Saatguts für Gemüse. Die Kritiker fördern also genau das, was sie zu bekämpfen vorgeben!

«Nun verweisen Kritiker oft auf Länder wie die USA, wo Konzerne gegen einzelne Bauern klagen. Mit grüner Gentechnik ist es wie mit jedem Werkzeug: Wichtig ist, wie man es einsetzt. Ja, wer mithilfe grüner Gentechnik Pflanzen züchtet, die Resistenz gegen spezielle Herbizide besitzen, und diese Gifte gleich mit verkauft, macht ein gutes Geschäft – zuweilen zulasten der Umwelt und von Bauern. Wer Sorten aber so züchtet, dass sie regionale Standortvorteile haben, kann selbst dort Flächen bewirtschaften, wo Elite-Sorten von Konzernen versagen. Und wie grüne Gentechnik genutzt wird, lässt sich steuern: indem man die Eigenschaften einer Pflanze reguliert statt die Methoden der Zucht

In der Schweiz sollte das Gentech-Moratorium eigentlich zum 31. Dezember enden. Allerdings votierte der Nationalrat mit 153 zu 42 Stimmen für eine Verlängerung bis 2030. Nun wird der Ständerat sich mit der Diskussion um Genomeditierung bei der Pflanzenzucht befassen. Das EU-Parlament hat einen Änderungsvorschlag zum Gentechnikrecht beschlossen, dort müssen die Landwirtschaftsminister abstimmen.

«2025 ist das Jahr der Wahl zwischen Vernunft und Ideologie.» Leider gleicht die Debatte bis jetzt weniger einem konstruktiven Streit als einem vernunftlosen Gerangel. Das liegt auch an den Erzählungen derer, die von der Angst vor grüner Gentechnik profitieren: «Geld und Macht politisch wirkender Institutionen hängen davon ab, wie viele Leute sie mit ihren Botschaften überzeugen. Und mit Angst erreicht man Menschen leichter als mit Logik und Vernunft», besser hätte der hervorragende Artikel von Manuel Stark nicht enden können.

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