Innovation braucht faire Regeln für alle
Am 4. Juni diskutierten Politikerinnen und Experten im Europäischen Parlament über ein zentrales, aber oft übersehenes Thema: den Zugang zu patentierten Eigenschaften in der Pflanzenzucht. Die von der Agricultural Crop Licensing Platform (ACLP) organisierte Debatte zeigte, wie faire Lizenzen Wettbewerb sichern, Innovation beschleunigen – und so die Landwirtschaft zukunftsfähig machen.
Mittwoch, 9. Juli 2025
Wer bekommt Zugang zu den Innovationen der Pflanzenzucht? Um diese unscheinbare, aber entscheidende Frage drehte sich Anfang Juni ein Anlass im Europäischen Parlament. Die von der Agricultural Crop Licensing Platform (ACLP) organisierte Veranstaltung zeigte auf, wie eine transparente Lizenzierung Innovation fördern und gleichzeitig faire Wettbewerbsbedingungen schaffen kann.
Warum Lizenzen über Zukunftschancen entscheiden
Neue Züchtungstechnologien wie die Genom-Editierung mit CRISPR/Cas können Pflanzen robuster machen, Erträge steigern und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Viele dieser Eigenschaften sind patentiert. Patente sind wichtig, um Investitionen in genau diese Forschung zu ermöglichen. Ohne rechtlichen Schutz gibt es keine Anreize für Forschung und Entwicklung.
Doch Patente müssen transparent sein. Genau hier setzen Plattformen wie ACLP oder ILP (International Licensing Platform) an. Sie listen transparent, welche Eigenschaften patentiert sind, wer die Rechte hält und zu welchen Bedingungen Lizenzen erhältlich sind. Das erleichtert Kooperationen und öffnet den Markt für alle forschenden Unternehmen – egal ob gross oder klein.
Rückenwind aus der Bevölkerung
Dass der Zugang zu moderner Züchtung nicht nur Fachleute bewegt, zeigt eine neue repräsentative Civey-Umfrage vom Juli 2025, die im Auftrag verschiedener Verbände der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft durchgeführt wurde.
Die Resultate zeigen: Viele Verbraucher sehen konkrete Vorteile in Neuen Züchtungstechnologien, wie beispielsweise den reduzierten Einsatz von Pestiziden und stehen praktischen Regelungen grundsätzlich offen gegenüber.
79,4 Prozent der Befragten sprechen sich zudem dafür aus, dass präzise optimierte Pflanzen aus neuen Züchtungsmethoden nicht strenger reguliert werden sollten als solche aus klassischer Mutationszüchtung.
Gleichzeitig wissen 80 % nicht, dass bereits drei Viertel unserer Nutzpflanzen durch zufällige genetische Veränderungen – oft mit Strahlung oder Chemikalien – gezüchtet wurden – ohne Kennzeichnung als gentechnisch verändert.
Zur selben Erkenntnis ist auch eine von gfs durchgeführte Umfrage 2024 gekommen: Die Akzeptanz für Genom-Editierung steigt deutlich, wenn ein klarer ökologischer Nutzen erkennbar ist. Über 80 % unterstützen den Einsatz der Technologie, wenn Pflanzen dadurch resistenter gegen Krankheiten werden.
Die Brüsseler Debatte machte deutlich: Patente und Innovation sind kein Widerspruch – solange der Zugang fair geregelt ist. Plattformen wie ACLP können helfen, die Chancen moderner Züchtung allen Züchtern zu öffnen. Europa sollte diesen Weg unterstützen und die Regulierung neuer Technologien so gestalten, dass Fortschritt und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen.
Diese Plattformen zu Patenten existieren bereits
Transparenz ist wichtig für Innovation – genauso wie der Erfinderschutz. Patente sind per se nichts anderes als die Offenlegung des «Rezepts» der Erfindung, damit sie andere gegen eine Lizenzgebühr nutzen können. Daher ist Transparenz auch im Sinne der Industrie. Bereits hat die Branche auf europäischer Ebene mehrere, auch Schweizer Züchtern offenstehende Plattformen geschaffen, um die Transparenz im Bereich der Pflanzenzucht zu erhöhen:
- Die Europäische Datenbank «Patent Information and Transparency Online» (PINTO) von Euroseeds schafft Transparenz durch die Verknüpfung von Sortennamen und Patenten auf Methoden oder Pflanzeneigenschaften. Sie ist für jeden einsehbar und unentgeltlich.
- Im Bereich des Patentschutzes spezifisch für Ackerkulturen macht die digitale Lizenzierungsplattform «Agricultural Crop Licensing Platform» (ACLP) Patente leicht auffindbar und Erfindungen auch für kleine Züchter zugänglich. Mit wenigen Klicks kann ein Unternehmen über die Plattform nach «fairen» (FRAND) Bedingungen eine Lizenz anfragen und die Technologie dann für die eigenen Züchtungen anwenden.
- Im Bereich Gemüsesaatgut haben Familien- und Grossunternehmen zusammen die «International Licensing Platform Vegetable» (ILP-Vegetable) erschaffen, mit demselben Ziel. Dieser vereinfachte Zugang zu Lizenzen erlaubt es, Innovation zu «boosten» und auf den Technologien anderer aufzubauen und gleichzeitig deren «return on investment» via Lizenzgebühren sicherzustellen. Darauf ist unsere Gesellschaft angewiesen.
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