
Natürliche Abwehrkräfte von Pflanzen nutzen
Pflanzen setzen Duftstoffe frei, um Schädlinge abzuwehren. Untersuchungen zeigen, dass diese natürlichen Signale auch als Herbizide genutzt werden könnten. Der Ansatz ist spannend, jedoch kein Allheilmittel – herkömmliche Pflanzenschutzmittel bleiben unverzichtbar.
Dienstag, 21. Januar 2025
Pflanzen sind keine stummen Wesen – über chemische Signale kommunizieren sie miteinander und vertreiben damit Schädlinge. Die «NZZ» berichtete erst kürzlich über die raffinierte Schädlingsbekämpfung. Wittern Pflanzen Gefahr, setzen sie Duftstoffe frei, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Gleichzeitig warnen sie damit benachbarte Pflanzen und locken Nützlinge an. Untersuchungen, wie die von Matthias Erb der Universität Bern, zeigen, dass diese Duftstoffe eine Schlüsselrolle im Pflanzenschutz spielen könnten – beispielsweise in Form von schonenden Insektiziden.
Erbs Team simulierte dabei den Befall von Maispflanzen, indem sie kleine Löcher in die Blätter der Pflanze geritzt und Mottenspeichel hinzugefügt haben. Die Pflanzen reagierten sofort: Sie setzten Duftstoffe frei, welche den vermeintlichen Fressfeinden den Garaus machten und gleichzeitig Schlupfwespen – die natürlichen Gegenspieler der Schädlinge – anlockten.
Weltweit bereits über 1500 verschiedene Moleküle identifiziert
Ähnliche Mechanismen wurden bereits bei anderen Pflanzen entdeckt. So reagierte die Ackerschmalwand – eine beliebte Modellpflanze der Forschung – innerhalb von Sekunden auf chemische Signale aus der Luft. Die Menge an Kalziumionen stieg unmittelbar an. Wissenschafter aus Japan haben das Phänomen mittels einer speziellen Technik der Kalzium-Bildgebung auf Video festgehalten.
Pflanzen setzen jedoch nicht nur bei Gefahr, sondern kontinuierlich kleine, flüchtige Moleküle in die Luft frei. «Der physiologische Zustand einer Pflanze spiegelt sich in ihrem Duftstoffbouquet wider», wird Erb im «NZZ»-Artikel zitiert. Weltweit wurden bereits über 1500 verschiedene flüchtige organische Moleküle, die Informationen zu Identität und Befinden von Pflanzen liefern, identifiziert. Nichtsdestotrotz steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen. Ob diese Mechanismen für alle Pflanzen gelten, ist noch unklar.
Industrie entwickelt neue Lösungen
Doch nicht nur die Wissenschaft, auch Unternehmen wie Bayer und Syngenta machen sich diese Erkenntnisse bereits zu Nutze und forschen in diesem Bereich. Bayer hat mit «FLiPPER» ein biologisches Insektizid auf den Markt gebracht, das auf natürlichen Fettsäuren basiert und gezielt Schädlinge bekämpft, ohne Nützlinge zu gefährden. Syngenta wiederum liess sich von einem natürlichen Phänomen inspirieren: So machte einer ihrer Wissenschafter die Beobachtung, dass unter dem Myrtengewächs Callistemon citrinus kein Unkraut wuchs. Es stellte sich heraus, dass die Pflanze den Duftstoff Leptospermon ausscheidet. Dieser diente schliesslich als Vorlage für das von Syngenta entwickelte Herbizid Mesotrione, das erstmals unter dem Produktenamen Callisto vermarktet wurde.
Keine Esoterik, aber auch kein Allheilmittel
Erb vermeidet Formulierungen wie «Kommunikation zwischen Pflanzen» strikt: «Bis jetzt gibt es keine ernstzunehmenden Hinweise, dass Pflanzen chemische Signale gezielt aussenden, um anderen Gewächsen etwas mitzuteilen.» Die Vorstellung von sprechenden Bäumen und Sträuchern, die sich bei Gefahr warnen und gegenseitig helfen, klinge zwar schön, sagt Erb, sei aber «esoterischer Mumpitz». Festzuhalten ist auch: Obwohl diese natürlichen Ansätze vielversprechend sind, wäre es naiv zu glauben, dass sie die Herausforderungen im Pflanzenschutz lösen können. Natürliche Pflanzenschutzmittel dienen als Ergänzung, jedoch nicht als Ersatz für herkömmliche Pflanzenschutzmittel. Für eine ressourceneffiziente Landwirtschaft bleiben diese unverzichtbar – genauso wie synthetisch oder biotechnologisch hergestellte Medikamente für Mensch und Tier.
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