Vertical Farming als Beitrag zur Ernährungssicherheit?

Vertical Farming als Beitrag zur Ernährungssicherheit?

Um wertvolles Ackerland zu sparen, will ein Schweizer Start-up Kräuter gestapelt in einer Halle kultivieren. Neben der Fläche sollen so zudem Ressourcen wie Wasser und Düngemittel gespart werden. Ob das «vertikale» Anpflanzen einen Beitrag zur Welternährung leisten kann, muss sich jedoch erst noch zeigen. Für Produkte wie Kartoffeln und Mais eignet sich der Anbau in der Halle (noch) nicht. Ein Problem besteht zudem beim hohen Stromverbrauch.

Dienstag, 15. Februar 2022

Die Wirtschaftssendung «Trend» des Schweizer Radio und Fernsehens berichtet über das ETH Spin-off YASAI, welches in einer Industriehalle in Niederhasli Basilikum anbaut. Auf 20 Meter langen und 10 Meter breiten Flossen schwimmen Tausende junger Basilikumpflänzchen. Sie benötigen im Gegensatz zu herkömmlichen Anbauformen keine Erde. Und auch Platz braucht der Indoor-Basilikum viel weniger. Auf bis zu sechs gestapelten Etagen will YASAI dereinst Kräuter anpflanzen. Jede Etage ist mit viel Technologie zur Bewässerung, Beleuchtung und internen Logistik ausgerüstet. Alles wird automatisch geregelt – auch die von Pflanze zu Pflanze unterschiedliche Nährstoffzufuhr. In der Halle werden keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt, da sich Schädlinge im abgeschlossenen Raum nicht verbreiten können. Ziel des Start-ups ist es, jährlich 20 Tonnen Kräuter in den Schweizer Handel zu bringen. Das entspräche einem Prozent des Verkaufs des Jahres 2021.

Das ETH Spin-off YASAI baut in einer Pilot Farm in Niederhasli Basilikum an. (Bild: YASAI)
Das ETH Spin-off YASAI baut in einer Pilot Farm in Niederhasli Basilikum an. (Bild: YASAI)

Weniger Platzbedarf

Gemäss Mark Zahran, dem Gründer von YASAI, brauchen wir derzeit zu viel Land für unsere Ernährung: «Um acht Milliarden Menschen zu ernähren, brauchen wir rund 40 Prozent der eisfreien Landflächen. Im Vergleich dazu machen alle städtischen Gebiete rund drei Prozent der Landfläche aus.» Das Unternehmen möchte einen Beitrag leisten, damit künftig weniger Landfläche für den Anbau von Nahrungsmitteln gebraucht wird. Der grosse Vorteil neben dem geringeren Platzverbrauch sind die für das Pflanzenwachstum optimalen Anbaubedingungen, die in der Halle rund um die Uhr gleich bleiben. Ernten können nicht durch Schädlinge oder Unwetter verloren gehen. «Wir können bis zu 200-mal mehr pro Quadratmeter produzieren. Dies weil wir stapeln und über das ganze Jahr produzieren können», sagt Zahran. Das Wasser, in dem die Kräuter schwimmen, muss nicht ständig gewechselt werden, da es zirkuliert. «Mit unserem Kreislaufsystem brauchen wir 90 Prozent weniger Wasser als mit herkömmlichen Methoden.»

In der Anlage sollen dereinst auf sechs Etagen Kräuter gezüchtet werden. (Bild: YASAI)
In der Anlage sollen dereinst auf sechs Etagen Kräuter gezüchtet werden. (Bild: YASAI)

Fokus auf Importprodukte

Um einen Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen leisten zu können, fokussiert sich das Start-up vor allem auf Produkte, die im Winter eingeflogen werden müssen – wie zum Beispiel Basilikum. Andere Produkte wie Kartoffeln oder Mais sind hingegen für den Anbau in der Halle nicht geeignet. Zum einen ist ihr Anbau auf dem Feld kostengünstiger. Zum anderen wären die Platzverhältnisse für solche Pflanzen zu eng. Die konventionelle Landwirtschaft im Freien und die Produktion sogenannter «staple crops» – Grundnahrungsmittel wie Getreide – kann zumindest heute nicht durch «Vertical Farming» ersetzt werden. Es ist derzeit eine Nische für sogenannte «cash crops»: Landwirtschaftliche Erzeugnisse mit hoher Verkaufsmarge, die die hohen Produktionskosten decken. Unternehmen wie YASAI können aber Wege zu einer ressourceneffizienteren Nahrungsmittelproduktion aufzeigen. Ein Problem gibt es jedoch noch: der grosse Stromverbrauch der Anlagen. Sofern der Strom für die Anlage nicht aus CO2-freier Produktion stammt, verschlechtert sich die Umweltbilanz. Allerdings fehlen dem Unternehmen derzeit noch genaue Zahlen zum Energieverbrauch.

Urban Farming – eine Notwendigkeit in der Zukunft?

Bereits heute leben 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, die UNO geht davon aus, dass es 2050 ungefähr 70 Prozent der Weltbevölkerung sein werden. Mit der Bildung von sog. Megacities mit Millionen von Einwohnern kommt der innerstädtischen Versorgung der Einwohner mit Frischprodukten wie Salaten oder Gemüse eine steigende Bedeutung zu, da die Lieferwege in solchen Riesenstädten von ausserhalb für verderbliche Waren schlicht zu lang sind. Urban Farming rückt damit auch in den Blickpunkt. Züchtungsunternehmen bieten daher zunehmend Sorten für den Eigenanbau und professionelles Saatgut für Indoor- oder Vertical Farming an.

Ähnliche Artikel

Mit der Genschere in die Zukunft – bald auch in der Schweiz?
Medien

Mit der Genschere in die Zukunft – bald auch in der Schweiz?

Die Genom-Editierung gilt als Hoffnungsträger für eine nachhaltigere, klimaresilientere Landwirtschaft. Doch die Schweiz zögert bei der Zulassung. Eine Volksinitiative verlangt gar deren Verhinderung. Doch was kann CRISPR wirklich leisten?

Weniger als 50 Prozent: Wie die Schweiz ihre Selbstversorgung verspielt
Medien

Weniger als 50 Prozent: Wie die Schweiz ihre Selbstversorgung verspielt

Die Schweizer Landwirtschaft steht massiv unter Druck. Wetterextreme, Schädlinge und immer strengere Auflagen setzen den Produzenten zu. Die Folge: Der Selbstversorgungsgrad sinkt dramatisch – besonders bei pflanzlichen Lebensmitteln. Um die Ernährungssicherheit in der Schweiz sicherzustellen, braucht es dringend wirksame Pflanzenschutzmittel.

Nur die halbe Wahrheit in der Gentech-Debatte
Neue Züchtungstechnologien Medien

Nur die halbe Wahrheit in der Gentech-Debatte

Wer nur Risiken sieht, bleibt blind für die Chancen einer neuen Technologie. Die Gentech-Gegner haben eine neue Umfrage zu den neuen Züchtungsmethoden vorgelegt, welche vielsagende Leerstellen aufweist. 

«Das BLW lässt die produzierende Landwirtschaft im Stich»
Medien

«Das BLW lässt die produzierende Landwirtschaft im Stich»

Zunehmende Schädlinge, fehlende Mittel, wachsende Bürokratie – die Kritik der Bauern am Bund ist laut und deutlich. Die Schweizer Landwirtschaft stehe am Limit, berichtet der «Blick». Die Forderung: Es braucht endlich wieder wirksame Pflanzenschutzmittel.

Weitere Beiträge aus Medien