Mit der Genschere in die Zukunft – bald auch in der Schweiz?

Mit der Genschere in die Zukunft – bald auch in der Schweiz?

Die Genom-Editierung gilt als Hoffnungsträger für eine nachhaltigere, klimaresilientere Landwirtschaft. Doch die Schweiz zögert bei der Zulassung. Eine Volksinitiative verlangt gar deren Verhinderung. Doch was kann CRISPR wirklich leisten?

Dienstag, 12. August 2025

Mit der Genschere kann das Erbgut von Pflanzen präzise und gezielt verändert werden – schneller und schonender als bei klassischen Züchtungsmethoden. Einzelne DNA-Bausteine können gezielt ausgeschaltet oder verändert werden. So lassen sich auch bestehende Sorten verändern, damit sie resistenter gegen Trockenheit, Krankheiten oder Schädlinge sind. Ein Bericht in der «Handelszeitung» beantwortet fünf Fragen zu CRISPR.


Politischer Stillstand trotz wissenschaftlicher Klarheit

Die Vorteile sind in der Forschung seit Jahren belegt: Genomeditierte Pflanzen bergen kein grösseres Risiko als herkömmlich gezüchtete Pflanzen. Länder wie die USA, Argentinien oder Grossbritannien regulieren Verfahren ohne transgenes Erbgut bereits produktbasiert und ermöglichen deren Anbau ohne zusätzliche Hürden. In der Schweiz dagegen fallen alle neuen Verfahren – ob mit oder ohne artfremdes Erbgut – unter das Gentechnikgesetz und somit unter das Gentechmoratorium.

Beispiele aus der Forschung zeigen, was möglich wäre: Weizen mit dauerhafter Mehltauresistenz, Kartoffeln mit eingebautem Schutz gegen Kraut- und Knollenfäule oder Reben, die weniger Pflanzenschutz brauchen. All dies liesse sich mit CRISPR aus bestehenden, beliebten Sorten entwickeln, ohne deren typische Eigenschaften zu verlieren.


Die Industrie ist bereit – ist es auch die Politik?

Die Weltbevölkerung wächst, der Ressourcenverbrauch steigt und der Klimawandel setzt die Landwirte zunehmend unter Druck. Schon heute sind laut der «Handelszeitung» rund 75 Prozent der Böden in der Schweiz in einem schlechten Zustand. Hitze, Trockenheit und neue Schädlinge stellen Produzenten vor immer grössere Herausforderungen.

Die Züchtung robuster Sorten wird deshalb zur Überlebensfrage – nicht nur global, sondern auch bei uns. In den USA, Brasilien oder Argentinien arbeitet die Industrie längst mit Hochdruck an CRISPR-basierten Innovationen. So betreibt beispielsweise Syngenta in Illinois (USA) ein Forschungszentrum, das sich ganz der Entwicklung neuer Sorten widmet und dafür u.a. au ch virtual und augmented reality einsetzt. Die Schweiz aber steckt in der regulatorischen Sackgasse.


Schneller züchten, gezielter schützen

Ein Beispiel, wie CRISPR konkret helfen kann, liefert die Apfelzüchtung: Krankheiten wie Feuerbrand, Apfelschorf oder Mehltau bedrohen Ernten und zwingen Landwirte zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Mit CRISPR liessen sich resistentere Sorten schneller entwickeln – ohne jahrelange Kreuzungsprogramme und mit weniger Einsatz von Pflanzenschutz. In einem Artikel der «BauernZeitung» betont der Schweizer Züchter Beat Lehner: «Die heutige Gentechnik ist nicht mehr dieselbe wie vor 30 Jahren.» Und: «Für eine neue Sorte braucht es immer auch die traditionelle Züchtung.» Die Genschere sei eine Ergänzung, kein Ersatz.

Auch der renommierte Agrarwissenschaftler Urs Niggli sieht enormes Potenzial. In seinem Meinungsbeitrag in der «NZZ» schreibt er: «Die Genschere revolutioniert auch den biologischen Pflanzenschutz.» Denn durch die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit von Pflanzen kann CRISPR-Cas9 zu nachhaltigeren Anbaumethoden beitragen.


Zeit zu handeln – auch für den Pflanzenschutz

Weltweit sind bereits zahlreiche CRISPR-Produkte auf dem Markt. Sie zeigen, dass die Technologie nicht nur theoretisches Potenzial hat, sondern reale Lösungen bietet.

CRISPR ist keine Allzweckwaffe. Aber sie ist ein wichtiges Instrument, um die Landwirtschaft nachhaltiger, ressourcenschonender und widerstandsfähiger zu machen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird im biologischen wie konventionellen Landbau reduziert, die Biodiversität gefördert und die Versorgungssicherheit verbessert.

Die Schweiz steht jetzt vor einer Richtungsentscheidung: Entweder sie schafft einen praxisnahen Regulierungsrahmen oder sie gerät ins Hintertreffen. Die Genschere ist bereit. Jetzt muss die Politik es auch sein.

Sources

Handelszeitung, 6. August 2025

Der Beitrag in der Handelszeitung ist auch frei zugänglich auf Blick.ch erschienen. Hier zum Artikel

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