Bio Suisse lehnt moderne Züchtungsmethoden ab

Bio Suisse lehnt moderne Züchtungsmethoden ab

Die Delegierten von Bio Suisse lehnten an ihrer Versammlung vom April 2023 den Gebrauch von neuen Züchtungsmethoden in der biologischen Landwirtschaft ab. Damit verschliesst sich der Bio-Verband der Möglichkeit durch moderne Präzisionszüchtungen produktiver und zugleich nachhaltiger zu werden, etwa durch die Einzüchtung von Krankheitstoleranzen mit der Genschere Crispr/Cas. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, fiel der Entscheid der Delegierten deutlich aus. Eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung zum Thema habe nicht stattgefunden.

Dienstag, 9. Mai 2023

Die Meinungen waren offenbar gemacht. Dies obwohl in jüngster Vergangenheit Bewegung in die öffentliche Debatte gekommen ist. So spricht sich beispielsweise der Bio-Experte Urs Niggli seit Längerem für Präzisionszüchtung aus. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt er, dass Lebensmittel schon seit 15'000 Jahren das Ergebnis von technischen Eingriffen in die Natur darstellen – auch in der Biolandwirtschaft: «Der Zellkern wird durch jede Züchtungsmethode verändert.»


Bio setzt auf Chemie und Radioaktivität

Die Züchtung neuer Pflanzensorten – egal ob mit herkömmlichen oder neuen Züchtungstechnologien – ist immer ein Eingriff in die Natur. Auch in der Biolandwirtschaft kommen Züchtungsmethoden zum Einsatz, die auf eine Veränderung des Pflanzengenoms zielen. Bei der sogenannten Mutagenese werden Pflanzen mit Chemikalien oder radioaktiver Strahlung behandelt, deren Gene mutieren dann zufällig. Viele Pastaweizen beruhen auf solchen Methoden. Die Mutagenese ist auch in der Biolandwirtschaft zugelassen – obwohl im Grunde genommen Gene in grosser Zahl verändert werden. Neue Züchtungstechnologien funktionieren indes viel zielgenauer.

Ironischerweise beruhen jene Weizensorten auf der Mutagenese, die im Biolandbau besonders gut funktionieren. Das Beispiel zeigt: Bio Suisse geht es nicht um eine wissenschaftsbasierte Diskussion. Die Gründe für die Ablehnung neuer Züchtungstechnologien liegen gemäss Urs Niggli denn auch viel mehr im Marketing: «Sie dienen den eigenen Vermarktungsinteressen von Bio Suisse», sagt er gegenüber dem «Tages-Anzeiger».


Slalomkurs bei Gentechnik

Das Verhältnis von Bio Suisse zur konventionellen Züchtung ist aber nicht immer so simpel, denn nicht jede Anwendung wird abgelehnt. Wenn die Biolandwirtschaft in Notsituationen gerät, greift sie gerne auf Methoden der konventionellen Landwirtschaft zurück. So werden modernste biotechnologische Methoden dann von Bio Suisse zugelassen, wenn zu wenig Biohefe zur Verfügung steht. Oder wenn Küken dank einem gentechnisch veränderten Impfstoff vor einem gefährlichen Virus geschützt werden können. Umgekehrt lehnt Bio Suisse gentechnische Methoden ab, wenn damit das Tierwohl verbessert werden könnte. Mit der Genschere CRISPR/Cas könnte das Töten männlicher Küken verhindert werden, weil gezielt nur noch weibliche Küken gezüchtet werden könnten.

Das Vereinigte Königreich hat die Genom-Editierung für kommerzielle Zwecke freigegeben, sofern damit nur arteigene Gene bearbeitet werden. Einen ähnlichen Weg will auch das Schweizer Parlament gehen. Die Genom-Editierung stellt vor diesem Hintergrund lediglich eine Fortsetzung der oben beschriebenen Mutagenese dar. Nur, dass neue Züchtungstechnologien ohne chemische Behandlung und Radioaktivität auskommen und viel präziser sind. Dass Bio Suisse von diesen Vorteilen nicht profitieren will, ist unverständlich. Denn auch Biolandwirte stehen vor der Herausforderung, in Zukunft mehr mit weniger produzieren zu müssen.

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