
Insektensterben: Die Fakten hinter dem Alarm
Insekten sind für unser Ökosystem unverzichtbar: Sie bestäuben Pflanzen, zersetzen organisches Material und dienen vielen Tieren als Nahrungsquelle. Entsprechend gross ist die Sorge, wenn Medien von einem «Insektensterben» berichten – teils sogar von einem drohenden «Insekten-Armageddon». Doch was sagen die wissenschaftlichen Daten wirklich? Ein neuer Beitrag des Genetic Literacy Project zeigt: Die Lage ist ernst, aber längst nicht so einseitig und dramatisch, wie oft dargestellt wird.
Donnerstag, 15. Mai 2025
Es gibt bislang keine belastbaren Belege für einen flächendeckenden, globalen Zusammenbruch der Insektenwelt: So der Tenor des Genetic-Literacy-Project-Beitrags. Vielmehr zeigen die Daten ein differenziertes Bild: Während manche Arten in bestimmten Regionen tatsächlich zurückgehen, nehmen andere Arten zu – oft sogar in denselben Landschaftsräumen. Eine aktuelle Übersicht wissenschaftlicher Studien belegt, dass viele der dramatischen Schlagzeilen auf selektiv ausgewählten Einzelstudien basieren, nicht aber auf global gültigen Datensätzen.
Vielschichtige Ursachen
Ein häufig wiederkehrendes Motiv in der öffentlichen Debatte ist die pauschale Schuldzuweisung an die Landwirtschaft – insbesondere an synthetische Pflanzenschutzmittel. Doch Fachleute mahnen zur Differenzierung: Der Rückgang mancher Insektenarten hat viele Ursachen. Dazu zählen vor allem der Verlust von Lebensräumen durch Verstädterung, die Zerschneidung von Landschaften durch Infrastruktur, der Klimawandel, Lichtverschmutzung, invasive Arten sowie Krankheiten und Parasiten. Eine aktuelle Studie zeigt sogar, dass mit der Bedeckung des Bodens mit Nutzpflanzen wie beispielsweise Mais, Sojabohnen, Weizen oder Heu ein Anstieg der Insektenpopulationen einhergeht.
Pflanzenschutzmittel können Auswirkungen auf Nichtzielorganismen haben, wenn sie unsachgemäss eingesetzt werden. In der Praxis jedoch sind moderne Mittel streng reguliert. Sie durchlaufen umfangreiche Zulassungsverfahren und gehören damit zu den am besten untersuchten Chemikalien. Die Forschung zeigt: Bei sachgerechter Anwendung sind die Risiken für Insekten gering.
Die Honigbiene als Gegenbeispiel
Ein häufig bemühtes Symbol für das Insektensterben ist die Honigbiene. Doch gerade sie zeigt, dass eine pauschale Krisenrhetorik fehl am Platz ist. Die Zahl der Honigbienenvölker nimmt in vielen Ländern Europas seit Jahren zu. Auch weltweit ist der Bestand dieser «Nutztiere der Lüfte» stabil oder sogar wachsend. Verantwortlich dafür sind unter anderem moderne Imkerei, gezielte Förderung sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtinnen, Landwirten und Bienenhaltern. Diese Entwicklung zeigt: Landwirtschaft und Insektenschutz müssen keine Gegensätze sein. Im Gegenteil – sie können sich ergänzen, wenn das Zusammenspiel gut koordiniert ist.
Und auch die sogenannte Vogelapokalypse kam nie richtig in Gang, wie es im Artikel heisst: «Nach einigen fragwürdigen Studien wurde schnell klar, dass sich der frühere Rückgang der Vogelbestände in den 1990er-Jahren stabilisierte und sogar umkehrte. Die wahren Vogelkiller sind übrigens Katzen, sowohl Wild- als auch Hauskatzen. Schätzungen zufolge töten sie allein in den USA jährlich zwischen 1,3 und 4 Milliarden Vögel.» Ein Katzenverbot ist jedoch unpopulär, weshalb auch viele Politiker dieses heisse Eisen nicht anfassen.
Medien tragen Verantwortung
Der Beitrag des Genetic Literacy Project zeigt vor allem auch eines: Es ist für die objektive Einschätzung ernster Themen fatal, wenn ideologisch betriebene Wissenschaft auf eine alarmistische Medienberichterstattung trifft. Viele Studien leiden an methodischen Schwächen, unzureichender Replizierbarkeit und selektiver Dateninterpretation. Dies ist kein Problem, sofern man deren Ergebnisse nicht als endgültige Wahrheiten aufbaut, um damit endzeitliche Schlagzeilen zu kriegen. Oft wird vereinfacht, dramatisiert und pauschalisiert. Die Folge: Eine emotionalisierte Debatte, in der wissenschaftliche Differenzierung kaum noch Platz hat. Dabei braucht es genau das – eine faktenbasierte Auseinandersetzung, die Raum lässt für regionale Unterschiede, langfristige Trends und unterschiedliche Einflussfaktoren, wenn man nicht nur Aufmerksamkeit generieren, sondern ein Problem ernsthaft angehen will.
Die Insektenvielfalt steht in vielen Regionen unter Druck – das ist unbestritten. Doch wer wirksam gegen den Rückgang angehen will, braucht ein klares Bild der Lage. Alarmistische Überschriften mögen kurzfristig Aufmerksamkeit erzeugen. Doch langfristig schaden sie der Glaubwürdigkeit der Debatte – und führen nicht zu besseren Lösungen. Entscheidend ist: Wir brauchen bessere wissenschaftliche Daten und eine Politik, die auf Wissen statt auf Bauchgefühl setzt. Nur so können Biodiversität und Landwirtschaft gemeinsam weiterentwickelt werden – zum Nutzen von Natur, Mensch und Ernährungssicherheit.
Sources
Genetic Literacy Project, 12. April 2024
swiss-food.ch, 31. Oktober 2024: Der ideologische Missbrauch «wissenschaftlicher» Studien
swiss-food.ch, 18. Juli 2022: Zulassungsstau wegen Umweltorganisationen
swiss-food.ch, 15. März 2025: Warum Hauskatzen die Biodiversität bedrohen
swiss-food.ch, 2. November: «Pestizide sind schuld am Insektensterben.»
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