
Vegane Alternativen dank Gentechnik
Wie ernähren wir eine wachsende Weltbevölkerung nachhaltig? Die Antwort liegt immer öfter im Labor und in der Gentechnik. Ob Labormilch, vegane Tintenfische oder gezüchteter Lachs – Gentechnik ist überall drin. Höchste Zeit, mit alten Mythen aufzuräumen.
Donnerstag, 7. August 2025
Wissenschaftsjournalist Ludger Weß bringt es in seinem letzten Artikel auf swiss-food.ch auf den Punkt: «Ohne Gentechnik geht gar nicht(s)!» Seine Kritik: Politiker und Verbände schüren seit Jahren Ängste vor Gentechnik – obwohl sie längst Teil unseres Alltags ist. Ob in Lebensmitteln, Kosmetikprodukten oder in der Medizin: Gentechnische Verfahren werden seit Jahrzehnten eingesetzt.
Hinzu kommt: Gentechnologie kann helfen, Ressourcen zu sparen, die Umwelt zu schonen und die Qualität von Nahrungsmitteln zu verbessern. Produkte werden verträglicher, ressourcenschonender herstellbar und vielfältiger. Die Technik bringt nicht nur «herkömmliche» Lebensmittel weiter – sie ermöglicht auch innovative Alternativen für Veganer, die bewusst auf tierische Produkte verzichten.
Milch aus Fäkalbakterien
Ein Beispiel ist Milch. Was einst aus dem Euter kam, kann mittlerweile im Labor produziert werden – und zwar mithilfe von Fäkalbakterien. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, hat dies ein schwedisch-dänisches Forscherteam in einer neuen Studie erstmals unter Beweis gestellt. Dabei ist dem Forschungsteam ein besonderer Coup gelungen: Ihre Labormilch enthält gar die wichtigsten Milchproteine Casein und Molke. Bisher war es nur möglich, einzelne Proteine mit Hefe herzustellen.
Die Forscher arbeiten mit zwei Ansätzen: Bei der ersten Variante handelt es sich um klassisches Gen-Editing: Einem Milch-Gen aus der Kuh werden Bakterien eingepflanzt, wodurch das Originalprotein aus der Kuh künstlich hergestellt und Milch erzeugt wird. Beim zweiten Verfahren handelt es sich um ein modifiziertes Protein, das dem natürlichen Casein ähnelt und ebenfalls Kalzium binden kann. In beiden Fällen ist das Resultat verblüffend: Die Labormilch kommt geschmacklich näher ans Original heran als pflanzliche Alternativen auf Hafer-, Soja- oder Mandelbasis.
Auf den Markt kommt diese Technologie in der Schweiz und Europa vorerst nicht. Schuld daran sind einmal mehr hohe regulatorische Hürden, die Innovation bremsen. Während Länder wie Israel aktiv in diese Entwicklungen investieren, tritt die Schweiz regulatorisch auf der Stelle. Doch die Schweiz könnte auch anders: Das Brugger Start-up Yeastup, das mithilfe von Bierhefe ein hochwertiges Protein für Lebensmittel, Kosmetikprodukte und Nahrungsergänzung herstellt, wird inzwischen mit knapp 9 Millionen Franken an Investorengeldern unterstützt. Auch dieses Verfahren basiert auf Gentechnik – und zeigt das Potenzial der neuen Methoden.
Besseres Bier dank Gentechnik
Auch beim Bier kommt moderne Gentechnik zum Einsatz. Ein belgisches Forscherteam um den Molekularbiologen Johan Thevelein hat mithilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas9 den Geschmack von Bier deutlich verbessert. Der Hintergrund: In den heute üblichen geschlossenen Gärbehältern geht durch den hohen Kohlendioxiddruck oft Aroma verloren. Besonders betroffen ist dabei das bananenartige Isoamylacetat, ein typischer Geschmacksstoff im Bier.
Die Forscher fanden heraus, dass eine bestimmte Genmutation – eingebracht mit CRISPR – Hefestämme deutlich robuster gegen den Druck macht. So bleibt der volle Geschmack erhalten, ohne den Brauprozess zu verändern. Die Methode wurde bereits erfolgreich in kommerziellen Brauereihefen angewendet. Auch Rosenaromen, Glyceringehalt und Hitzeresistenz konnten auf diese Weise gezielt verbessert werden. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Gentechnik dort wirkt, wo man sie am wenigsten erwartet: im Feierabendbier.
Tintenfisch aus Pilzprotein
Auch pflanzenbasierte Alternativen profitieren von biotechnologischen Verfahren. Ein Beispiel ist THE KRAKEN. Dabei handelt es sich um einen veganen Tintenfischersatz des Wiener Unternehmens Revo Foods. Das Produkt basiert auf Mykoprotein, einem eiweissreichen Stoff, der aus Pilzen gewonnen wird. Dieses Protein besitzt eine faserige Struktur, die an Fleisch erinnert und enthält viele Nährstoffe. Damit das Mykoprotein in dieser Form nutzbar wird, können gentechnisch optimierte Fermentationsverfahren angewendet werden. Das Resultat: eine täuschend echte Textur, ohne dass dafür Tiere leiden oder die Umwelt geschädigt wird.
Lachs aus echten Zellen
Und auch vor dem «echten» Fisch macht die Technologie nicht Halt. In den USA wurde vor Kurzem erstmals Laborlachs zum Verkauf zugelassen. Dabei handelt es sich nicht um eine pflanzliche Imitation, sondern um Lachsfilet, das aus echten Fischzellen in vitro gezüchtet wurde – in Bioreaktoren unter kontrollierten Bedingungen. Laut dem Fachmagazin Food and Wine überzeugt der Laborlachs sogar Feinschmecker: Er hat «Sashimi-Qualität» und wird bereits in einem renommierten Restaurant in Portland serviert.
Hühnerprotein aus dem Bioreaktor – für gesunde Hunde
Gentechnologie findet auch im Tierfutter ihren Platz. Forschende der University of Illinois und des US-Start-ups Bond Pet Foods haben mithilfe von Präzisionsfermentation ein spezielles Hühnerprotein hergestellt – gebraut mit gentechnisch veränderter Bierhefe. In einer Studie mit Hunden zeigte sich: Das neue Protein ist gut verträglich, verbessert die Darmgesundheit und beeinflusst die Zusammensetzung der Darmflora positiv. Das Futter wurde aus echten Hühnergenen in Hefe produziert – ganz ohne Tierhaltung. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Gentechnik hilft, nachhaltige Alternativen zu schaffen, die wirken.
Gentechnik gehört zur Realität
Alle diese Beispiele zeigen: Gentechnik steckt in innovativen Produkten, die auf nachhaltige Weise hergestellt werden und neue Möglichkeiten für Konsum und Ernährung eröffnen. Und das ist erst der Anfang. Denn mit dem Fortschritt der Biotechnologie wächst auch die Vielfalt an Lösungen für einige der Herausforderungen unserer Zeit: Klimawandel, Ernährungssicherheit, Gesundheit.
Sources
Ähnliche Artikel

Gentechnik? Ja, natürlich.
Als Konsument weiss man es oft nicht: In als gentechnikfrei beworbenen Produkten steckt längst Gentechnik drin. Gentechnik-Gegnern ist das ein Dorn im Auge. Doch es ist einfacher, den «Skandal» zu verschweigen – denn etwas, was wir schon lange essen, macht uns keine Angst mehr.

Wie Gentechnik die Cavendish-Banane rettet
Wegen einem hartnäckigen Pilz könnte die beliebteste Bananensorte – die sogenannte Cavendish-Banane – bald verschwinden. Australische Forscher haben eine auf Gentechnik basierende Lösung entwickelt.

«Ohne Gentechnik» geht gar nicht(s)!
Politiker und Ökoverbände schüren seit Jahren Ängste vor einer Technologie, die schon seit Jahrzehnten dafür sorgt, dass Ressourcen und Umwelt geschont und Nahrungsmittel und Kosmetika besser werden. Es ist an der Zeit, mit dieser Verbrauchertäuschung Schluss zu machen.

Stillstand statt Fortschritt: Die Schweiz droht bei neuen Züchtungen zurückzufallen
Dass die neuen Züchtungsmethoden gerade auch die bäuerlichen Kreise in der Schweiz stark beschäftigen, zeigt ein Überblicksartikel im Schweizer Bauer. Darin wird die aktuelle Situation des laufenden Gesetzgebungsprozesses nachgezeichnet. Am 9. Juli endete die Vernehmlassung zum «Bundesgesetz über Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien», mit dem der Bundesrat eine Zulassung dieser Verfahren ermöglichen möchte. In den kommenden Monaten wird die Regierung eine definitive Vorlage präsentieren. Dann wird sich zeigen, ob tatsächlich der politische Wille vorhanden ist, die neuen Züchtungsmethoden auch praktisch zuzulassen.

Die Biotechnologie hat erst begonnen
Als Frank Schirrmacher am 27. Juni 2000 die Seiten des Feuilletons der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» freiräumte, um über sechs Seiten das soeben erstmals entzifferte menschliche Genom Buchstabe für Buchstabe zu publizieren, rückte die Biotechnologie erstmals in den Fokus der breiten Öffentlichkeit.

Gentechnik? Ja, natürlich.
Als Konsument weiss man es oft nicht: In als gentechnikfrei beworbenen Produkten steckt längst Gentechnik drin. Gentechnik-Gegnern ist das ein Dorn im Auge. Doch es ist einfacher, den «Skandal» zu verschweigen – denn etwas, was wir schon lange essen, macht uns keine Angst mehr.

Nur die halbe Wahrheit in der Gentech-Debatte
Wer nur Risiken sieht, bleibt blind für die Chancen einer neuen Technologie. Die Gentech-Gegner haben eine neue Umfrage zu den neuen Züchtungsmethoden vorgelegt, welche vielsagende Leerstellen aufweist.