Warum KI in der Landwirtschaft noch nicht ihren Durchbruch hatte
Künstliche Intelligenz ist in vielen Bereichen auf dem Vormarsch. In der Landwirtschaft scheint die neue Technologie aber noch nicht wirklich angekommen zu sein. Schuld daran ist die Natur, welche KI einen Strich durch die Rechnung macht. Nichtsdestotrotz wären die Chancen, welche KI der Landwirtschaft zu bieten hätte, immens.
Mittwoch, 1. Mai 2024
Spätestens seit der Gründung von ChatGPT ist Künstliche Intelligenz in aller Munde. Während die Technologie bereits in zahlreichen Bereichen Anwendung findet und bereits Prozesse effizienter gestaltet, ist in anderen Bereichen noch unklar, wie KI eingesetzt werden kann. Einer davon ist die Landwirtschaft.
Während die Digitalisierung in der Landwirtschaft angekommen ist, muss die Künstliche Intelligenz noch weitgehend trainiert werden, um in der Landwirtschaft effizient genutzt werden zu können. Die grösste Schwierigkeit ist dabei, dass die Natur häufig unberechenbar ist. «Aus Sicht der KI-Spezialisten gibt es nichts Brutaleres als die Natur», erklärt Philipp Schmid, Forschungsleiter beim Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM), im Interview mit der «Bauern Zeitung». Das Problem liegt Thomas Anken der Forschungsgruppe Digitale Produktion bei Agroscope zufolge vielfach in der Erhebung der Daten. KI sei auf gute Daten angewiesen, in der Landwirtschaft seien solche aber häufig Mangelware. «Im Bereich der Sensorsysteme gibt es noch sehr viele Lücken, da sich viele wichtige Parameter noch nicht kostengünstig und einfach erheben lassen.» Ein Beispiel dafür sei der Nitratgehalt im Boden.
Mit Super-Drohne Biodiversität messen
Eine weitere Hürde für die KI in der Landwirtschaft stellen die kleinen Flächen dar. Wie Schmid erläutert, ist die Schweiz voll von Kleinbetrieben mit unterschiedlichen Bewirtschaftungszonen und vielen Spezialgegebenheiten – schlechte Voraussetzungen für erschwingliche KI-Anwendungen.
Generell sind Schmid zufolge Landwirte neuen Technologien oder KI gegenüber aber nicht abgeneigt. Das mache auch die schnelle Verbreitung von autonomen Stallrobotern oder Drohnen deutlich. Erst kürzlich hat eine neue Drohne, welche die Biodiversität in Wäldern messen kann, für Schlagzeilen gesorgt. Wie einem Bericht des «Schweizer Bauers» zu entnehmen war, wurde die Drohne von einem Team von Forschenden der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, der ETH Zürich und der Universität Pisa entwickelt. Anders als herkömmliche Drohne nimmt die von den Wissenschaftern entwickelte Monitoring-Drohne Sträucher und Äster nicht als Hindernis wahr, sondern kann sie wegdrücken, oder gar durch sie hindurchgleiten und so die Biodiversität beobachten.
Eine weitere Möglichkeit, um die Biodiversität zu monitoren, bietet die Flora-Incognita-App. Sie ermöglicht es, einfach und schnell Pflanzen zu bestimmen. Die Anwendung der App ist kinderleicht: Nutzer schiessen mit ihrer Smartphone-Kamera ein Foto der Pflanze, über die sie mehr erfahren möchten, laden es auf der App hoch und erhalten anschliessend Informationen zur Pflanze. Geliefert werden diese von Botanikerinnen und Botanikern.
Wenn Laien Biodiversität messen
Das Beste: Die Biodiversität wird komplett mittels Citizen Science beobachtet. So trägt jedes einzelne User-Pflanzenfoto zusammen mit Standort und Zeitpunkt zu einem grossen Datensatz bei, der schliesslich Informationen zur Biodiversität in den einzelnen Gebieten liefert.
Dies nur ein paar wenige Beispiele. Eins ist klar: KI bietet für die Landwirtschaft viele Chancen. Durch die neuen Technologien können nicht nur die Effizienz, die Produktivität und die Nachhaltigkeit verbessert werden, sondern auch das Tierwohl erhöht und die körperliche Belastung und den zeitlichen Einsatz der Landwirte verringert werden.
Nichtsdestotrotz berge KI auch gewisse Gefahren. So seien Cyberkriminalität oder Datenmissbrauch stets ein Thema. Anken zufolge ist es daher wichtig, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um solchen Missbrauch zu verhindern.
Ähnliche Artikel
Produktion: Mehr Nahrung mit weniger Ressourcen
Um mit «weniger mehr zu produzieren» brauchen wir neue Technologien, die vom Input über Aussaat und Ernte bis zum Konsumenten für mehr Ressourceneffizienz sorgen.
Von Daten zu Ernten – Wie die Digitalisierung die Landwirtschaft verbessert
Die Digitalisierung ist in der Landwirtschaft angekommen. Am Swiss-Food Talk vom 25. April 2023 sprachen drei Experten aus Landmaschinenindustrie, Gemüsebau und Agrarjournalismus darüber, wie die Digitalisierung die Produktion von Lebensmitteln verändert. Einigkeit herrscht darüber, dass wir uns am Übergang von der industriellen zur intelligenten Landwirtschaft befinden. Daten und Algorithmen als Unterstützung erlauben präzise Eingriffe und dienen damit auch der Nachhaltigkeit.
Grüne Gentechnik: Ein Umdenken tut Not
Die Skepsis gegenüber biotechnologischen Methoden zur Pflanzenzüchtung ist nach wie vor verbreitet. Obwohl 30 Jahre Forschung eine eindeutige Datengrundlage geschaffen hat. Die klassische Gentechnik oder die modernere CRISPR/Cas-Methode sind nicht mit mehr Risiken behaftet als herkömmliche Züchtungsmethoden – beispielsweise die Kreuzzüchtung.
Der ideologische Missbrauch «wissenschaftlicher» Studien
Wissenschaft dient als Grundlage für politische Entscheidungen, auch im Naturschutz. Eine zentrale Frage ist jedoch: Wie vertrauenswürdig sind die zugrundeliegenden Studien und Daten? Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag» und die Erläuterungen von Quarks bieten aufschlussreiche Perspektiven über die Qualität von wissenschaftlichen Studien und den möglichen Missbrauch von Zahlen.
Wie lässt sich Biodiversität effizient schützen?
Biodiversität ist eine wichtige Lebensgrundlage. Und das Thema ist sehr aktuell: Die Pflicht zur Ausscheidung von Biodiversitätsförderflächen in der Schweizer Landwirtschaft hat offensichtlich nicht die angestrebten Ziele erreicht. Die Artenvielfalt bleibt gemäss aktuellen Veröffentlichungen unter Druck. Dies ist Anlass für swiss-food, das Spannungsfeld Biodiversität und Landwirtschaft in den Mittelpunkt des periodischen Talks, der am 26. Juni stattgefunden hat, mit drei ausgewiesenen Experten zu stellen und Hintergründe auszuleuchten.
Ernährung: Gehört der grünen Genschere die Zukunft?
Neue Pflanzensorten tragen zur Versorgungssicherheit bei. Die als «Genschere» bekannten neuen Züchtungsmethoden wie Crispr haben das Potenzial, die Landwirtschaft und die Ernährung zu revolutionieren.
Regionale Produkte sind gefragter denn je
Die Nachfrage nach regionalen Produkten könnte kaum grösser sein. Das zeigt eine neue Studie der Hochschule für Wirtschaft Zürich. Konsumenten schätzen regionale Produkte gar als deutlich nachhaltiger ein als Bio- oder Premiumprodukte. Um dem Trend gerecht zu werden, wird es deshalb umso wichtiger, moderne Züchtungstechniken und Pflanzenschutzmittel zu fördern.