Produktion: Mehr Nahrung mit weniger Ressourcen

Produktion: Mehr Nahrung mit weniger Ressourcen

Eine der grössten Herausforderungen dieses Jahrhunderts wird die sichere und nachhaltige Ernährung von voraussichtlich zehn Milliarden Menschen sein. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine deutlich produktivere Landwirtschaft. Natürliche Ressourcen wie Flächen oder Wasser werden knapper und müssen geschützt werden. Um mit «weniger mehr zu produzieren» brauchen wir neue Technologien, die vom Input über Aussaat und Ernte bis zum Konsumenten für mehr Ressourceneffizienz sorgen.

Mittwoch, 24. November 2021

Die Weltbevölkerung wächst. Bis zum Jahr 2050 werden gemäss Schätzungen der Vereinten Nationen fast zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Gleichzeitig gehen die zur Verfügung stehenden fruchtbaren Flächen zurück. Und es gilt, Flächen zu sparen, weil Wälder und naturbelassener Boden viel CO2 speichern können. Biodiversitätsflächen sind zudem Heimat für unzählige Lebewesen. Das heisst: Die landwirtschaftliche Produktion sollte «verdichtet» und nicht extensiviert werden. Auf kleinerer Nutzfläche muss die Produktivität gesteigert und die Ressourceneffizienz erhöht werden. Dies kann nur gelingen, wenn Landwirte auf der ganzen Welt einen vollen Werkzeugkasten an Technologien besitzen. Dies setzt Offenheit gegenüber Innovationen der Agrarforschung voraus.


Technologie für mehr Produktivität

Umfassende Ressourceneffizienz ist eine der grossen Herausforderungen – umfassend heisst effizienter Umgang mit Finanzen, Energie, Arbeitskräften und natürlichen Ressourcen. Eine Schlüsseltechnologie, um mit weniger Ressourcen höhere Erträge erzielen zu können, ist die Genom-Editierung. Sie setzt am Anfang der Nahrungsmittelproduktion an: Bei der Züchtung von ertragreichen und robusten Sorten. Klassische Züchtungsmethoden bleiben wichtig. Schliesslich haben wir viele Sorten, die uns ans Herz gewachsen sind, auf diese Weise erreicht. Doch die Genom-Editierung kann bewährte Sorten verbessern, indem sie diese beispielsweise resistenter gegenüber Trockenheit oder Hitze macht. So können knappe Wasserressourcen eingespart werden. Auch gegen Schädlinge, die sich auf Grund des Klimawandels immer weiter ausbreiten, kann die Genom-Editierung ein «Gamechanger» sein. So lassen sich Pflanzen mit Resistenzen gegen bestimmte Krankheiten und Schadorganismen ausstatten. Der Effekt: Auf den begrenzten Flächen gehen weniger Pflanzen ein.


Präzision dank Digitalisierung

Mehr Präzision ist dringend nötig, um auf den bestehenden Flächen Ressourcen so optimal und effizient wie möglich einzusetzen. Deshalb spielen digitale Technologien auch in der Landwirtschaft eine immer wichtigere Rolle. Sie ermöglichen eine Präzisionslandwirtschaft. GPS-gesteuerte Drohnen und Roboter bringen Pflanzenschutzmittel, Dünger und Wasser nur exakt dort aus, wo dies benötigt wird. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Deep Learning versuchen forschende Agrarunternehmen schon heute, rasch neue geeignete Moleküle für nachhaltige Pflanzenschutz-Wirkstoffe zu finden. Auch Pflanzenschutzmittel tragen dazu bei, Food Loss auf dem Acker und Food Waste durch Verderben über die ganze Lebensmittelkette zu verringern.


Labors und Tanks als Produktionsstätten

Die knappen natürlichen Ressourcen werden nicht reichen, um 10 Milliarden Menschen gesund und nachhaltig zu ernähren. Deshalb forschen derzeit immer mehr Nahrungsmittelhersteller an «künstlichem» Fleisch aus dem Labor – sogenanntem «Cultured Meat». Auch Algen könnten dereinst ein wichtiges Puzzleteil in der Lebensmittelproduktion darstellen. Sie sind nährstoffreich, platzsparend und eignen sich als Nahrung für Menschen und Tiere. Weitere alternative Proteinquellen sind Insekten. Für die Versorgung grosser Städte mit Frischprodukten könnte Vertical Farming wichtiger werden. Genierell ändern sich die Präferenzen der Konsumentinnen und Konsumenten. Das Interesse an gesundheitsfördernden Lebensmitteln sowie Nahrungsergänzungsmitteln wächst. Die meisten der Ergänzungsstoffe stammen aus Reinheits- und Ressourceneffizienzgründen aus dem Labor.


Zugang zu Vitaminen verbessern

Rund zwei Milliarden Menschen befinden sich in einer «Mikronährstofflücke». Das heisst: Sie haben ungenügenden Zugang zu ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen. Der EAT Lancet Report schätzt deshalb, dass die Gemüse- und Früchteproduktion bis 2050 verdoppelt werden muss, damit für die gesamte Weltbevölkerung eine gesunde, ausgewogene Ernährung möglich ist. Heute konsumiert nur ein Bruchteil der Weltbevölkerung die empfohlenen Mengen an Obst und Gemüse. Neben einer gesteigerten Früchte- und Gemüseproduktion werden aber auch Nahrungsergänzungsmittel sowie angereicherte Lebensmittel eine immer wichtigere Rolle spielen. Bestes Beispiel dafür ist der sogenannte «Golden Rice». Der mit Vitamin-A angereicherte Reis hat auf den Philippinen unlängst die Zulassung erhalten und könnte in Zukunft Millionen von Kindern vor einem Vitamin-A-Mangel und einer damit verbundenen Erblindung oder dem Tod bewahren.

Viele dieser beispielhaft aufgeführten Lösungen erfordern die Überwindung bisheriger Denkschemen. «Natürlich ist gut, künstlich ist gefährlich» hat als simpelster aller Narrative ausgedient. Wirklich nachhaltige Lösungen können durchaus aus dem Labor kommen – «lab based sustainability» eben.


Ressourcenschonende Produktion in und aus der forschenden Industrie

Alternative Treibstoffe aus pflanzlichen Abfallprodukten sparen CO2 ein, ohne die Lebensmittel­pro­duk­tion zu konkurrenzieren. Aromen können aus Kunststoffabfällen entstehen: Die Kreislaufwirtschaft gewinnt an Bedeutung. Wo sinnvoll und nachhaltiger werden tierische durch pflanzliche Rohstoffe ersetzt. So entstehen zum Beispiel Riechstoffingredienzien aus fermentiertem Zuckerrohr statt tierischen Ursprungs. Die forschende Industrie entwickelt und betreibt ihre Anlagen so, dass der sich weiterentwickelnde Stand an Sicherheit, Gesundheits‐ und Umweltschutz sichergestellt ist. Sie ist bestrebt, innovative Produkte zu entwickeln und herzustellen, die sicherer und umweltverträglicher produziert, transportiert, angewendet und entsorgt werden können.

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