
Klimaschutz darf Ernährungssicherheit nicht gefährden
Die Landwirtschaft steht zunehmend unter Druck, klimaneutral zu wirtschaften. Doch wie kann dies gelingen, ohne die Ernährungssicherheit zu gefährden? Im Agrarpolitik-Podcast betont Hannah von Ballmoos-Hofer, Leiterin des Geschäftsbereichs Energie beim Schweizer Bauernverband, dass Klimaschutz wichtig ist, aber nicht auf Kosten der Ernährungssicherheit gehen darf.
Freitag, 7. März 2025
Ist eine klimaneutrale Landwirtschaft möglich? Dieser Frage geht Podcaster und Agrarpolitik-Experte Andreas Wyss in Staffel 14 des Agrarpolitik-Podcasts im Gespräch mit Hannah von Ballmoos-Hofer nach. Sie leitet den Geschäftsbereich Energie beim Schweizer Bauernverband und ist Präsidentin der Wissensplattform AgroCleanTech.
Hannah von Ballmoos-Hofer betont, dass technische Innovationen zentral sind, wenn es um die Reduktion von Treibhausgasemissionen geht. In vielen Bereichen gäbe es jedoch noch Luft nach oben – so beispielsweise bei der Nutzung von Hofdünger, dem Einsatz von Biogasanlagen oder den technischen Innovationen bei landwirtschaftlichen Maschinen. Auch Fütterungszusätze und konservierende Anbausysteme könnten einen wichtigen Beitrag leisten. Eine grosse Herausforderung bestehe jedoch darin, die Wirkung solcher Massnahmen zu messen.
Wie Messmethoden das Bild verändern
Ein entscheidender Punkt sei zudem auch die Methodik zur Berechnung von Treibhausgasemissionen. «Wie gross der Beitrag der Landwirtschaft zur Klimaneutralität ist, hängt auch davon ab, wie wir messen und rechnen», so Hannah von Ballmoos-Hofer. Sie zeigt dies am Beispiel von Methan auf: Mit der aktuell angewendeten Methode GWP 100 verursache Methan zwei Drittel der Emissionen der Landwirtschaft. GWP 100 stellt das CO2 in den Vordergrund, das sehr lange in der Atmosphäre verbleibt. Das Methan hingegen sei kurzlebig – es baut sich innerhalb von 12 Jahren ab. Eine konstante Methan-Emission sei entsprechend wenig klimawirksam. Eine alternative Berechnungsmethode wie GWP 12 würde dieser Kurzlebigkeit besser Rechnung tragen.
Doch nicht nur die Messmethoden, auch in den zahlreichen Zielkonflikten, die der Landwirtschaft aufgebürdet werden, sieht von Ballmoos-Hofer als grosse Herausforderung: «Bis jetzt wird von den Bauernfamilien erwartet, diese Konflikte selbst zu lösen, was unfair ist», kritisiert sie. Zahlreiche beteiligte Gruppen würde man nicht in die Diskussion einbeziehen – so beispielsweise Konsumentinnen und Konsumenten sowie den Detailhandel. Daher sei es entscheidend, dass Politik und Gesellschaft klare Prioritäten setzen.
Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Ein positives Beispiel für eine ganzheitliche Herangehensweise sei das Projekt AgroImpact. «Hier wird versucht, entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenzuarbeiten», erklärt von Ballmoos-Hofer. Das Ziel: Die Produktion soll sich nicht am Bedarf der Konsumentinnen und Konsumenten vorbeientwickeln. Denn ein Trend zu weniger Milch, Fleisch und Eiern sei bislang nicht erkennbar. «Wenn die Schweizer Landwirtschaft die Tierbestände reduziert und die Produktion ins Ausland verlagert wird, bringt das dem Klima nichts», so die Präsidentin von AgroCleanTech.
Realistische Ziele für eine nachhaltige Landwirtschaft
Der Schweizer Bauernverband setze sich dafür ein, dass die Landwirtschaft realistische Klimaziele erhält und gleichzeitig ressourcenschonend produzieren kann. «Unser Ziel ist es, die Lebensmittel zu produzieren, die nachgefragt werden, und das so nachhaltig wie möglich», so von Ballmoos-Hofer. Zudem engagiere sich der Verband dafür, dass Bauernfamilien mit nachhaltiger Produktion ein gutes Einkommen erzielen und einen Beitrag zur erneuerbaren Energieproduktion leisten können.
Für von Ballmoos-Hofer ist klar: Die Herausforderungen sind komplex, doch mithilfe von technischen Innovationen und einer engen Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette könnte die Schweizer Landwirtschaft klimafreundlicher werden. Und das, ohne dabei die Ernährungssicherheit zu gefährden. Politik und Gesellschaft müssen dabei ihre Verantwortung wahrnehmen und klare Prioritäten setzen.
Lösungsbeiträge der forschenden Industrie nicht ignorieren
Um die Landwirtschaft klimafreundlicher zu machen, entwickelt auch die forschende Industrie Lösungen. So hat DSM Givaudan den Futtermittelzusatz Bovaer entwickelt, um den Methanausstoss der Kühe um etwa 30 Prozent zu reduzieren. Dieser ist auch in der Schweiz erhältlich. Doch wird er erst von wenigen Betrieben verwendet, wie der TagesAnzeiger berichtet. In der Schweiz gar nicht auf dem Markt, weil hier ein Gentech-Moratorium gilt, ist die Maissorte Enogen, die die Fütterungseffizienz von Rindern nachweislich um 5 Prozent verbessert und damit ebenfalls den Ausstoss schädlicher Klimagase verringert.
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