Wyss thematisiert darauf ein aktuelles Beispiel: Im Genfersee wurden kürzlich leicht erhöhte Werte des Stoffs 1,2,4-Triazol gemessen. Doch wie gefährlich ist das tatsächlich? Er zitiert ein gemeinsames Communiqué der Kantonsbehörden von Waadt, Genf und Wallis, nachdem man bis zu 900 Liter Wasser täglich trinken müsste, um eine schädliche Dosis zu erreichen. Der Wert macht deutlich, wie gross die Sicherheitsmargen sind. Für Michael Beer sind Bedenken dennoch legitim: «Die Gesellschaft muss entscheiden, wie stark sie ihr Trinkwasser schützen will und welche Risiken sie akzeptiert – und welche eben nicht.»
Damit die Bevölkerung genau das könne, sei sie auf transparente Kommunikation angewiesen, findet Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz. Sie relativiert jedoch die ganze Diskussion. In der Bevölkerung nehme sie keine Panik um Grenzwerte wahr. «Viele Menschen wissen gar nicht, was Grenzwerte bedeuten», so Stalder. Viel schlimmer sei die Verunsicherung, welche die aktuell kursierenden Schlagzeilen um Grenzwerte auslöst: «Die Konsumentinnen und Konsumenten wissen nie, was sie jetzt glauben sollen. Es gibt Studien, die zeigen, dass irgendein Wert sehr schlecht für die Gesundheit ist – und dann gibt es wiederum Gegenstudien, die beweisen, dass es überhaupt nicht so ist.» Wichtig sei vor allem, dass die Konsumenten nicht in die Irre geführt werden. «In der Schweiz gehen viele davon aus, dass das, was sie essen und trinken, schön und gut ist.» Und dass bei Grenzwertüberschreitungen immer gleich die Landwirtschaft als Verursacher dargestellt wird, führt sie darauf zurück, dass das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln für die Bevölkerung halt sehr sichtbar ist – im Gegensatz beispielsweise zu Rückständen aus der Kosmetik.
Verbote können neue Probleme schaffen
Vor vorschnellen Reaktionen und politischen Schnellschüssen warnte Dominique Werner von scienceindustries: «Verbote lösen selten Probleme – sie schaffen oft neue, indem Alternativen nicht unbedingt besser und nachhaltiger sind. Innovation entsteht nicht aus Verboten, sondern aus dem der forschenden Industrie eigenen Trieb zur stetigen Verbesserung.»
Die Industrie, so Werner, habe grosses Interesse daran, Emissionen zu reduzieren und Lösungen zu finden. «Gefährliche Chemikalien werden nur eingesetzt, wenn es wirklich nötig ist. Auch wir wollen sauberes Wasser und sichere Produkte.»
Er erinnerte daran, dass auch die Industrie Teil der Gesellschaft ist: «Wir sind alle Konsumenten. Und auch wir wollen unseren Kindern keine Probleme hinterlassen.»
Zwischen Wissenschaft und Wahrnehmung
Alle drei Panelisten waren sich einig: Moderne Analytik kann heute winzigste Spuren messen. Doch je kleiner die Werte, desto schwieriger die Kommunikation. «Wir müssen Unsicherheiten klar benennen», sagte Beer. «Das schafft Vertrauen.»
Nach der spannenden Diskussion folgte eine Fragerunde mit dem Publikum. Im Anschluss wurde beim Apéro riche weiter über Grenzwerte, Verantwortung und Vertrauen diskutiert.