
«Die meisten Ängste gegenüber Pestiziden sind unbegründet»
Das Wort «Pestizid» ist zu einem Schimpfwort geworden. Michelle Miller, Kolumnistin bei Genetic Literacy Project, schreibt in ihrem Artikel, warum die meisten Ängste bezüglich Pestiziden unbegründet sind.
Mittwoch, 12. Januar 2022
Die Angst vor Chemie ist weit verbreitet. Umweltorganisationen, Befürworter des ökologischen Landbaus und unpräzise arbeitende Journalisten haben erfolgreich dafür gesorgt, dass viele Konsumentinnen und Konsumenten Angst vor bestimmten Lebensmitteln haben. Das ist bedauerlich.
Der Einsatz von Pestiziden hat eine grosse Wirkung, macht aber nur einen kleinen Teil der Arbeit von Landwirten aus. Jüngste Studien zeigen, dass die Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten etwa 66 Prozent aller verkauften Pestizide einkauft, aber nur fünf Prozent der landwirtschaftlichen Ausgaben für Pestizide aufwendet. Die USA gehören zu den vier grössten Lebensmittelproduzenten der Welt. Dabei verwenden sie etwa 20 Prozent der jährlich eingesetzten Pestizide.
Rund 900 Millionen Pfund Herbizide, Insektizide, Fungizide, Begasungsmittel und andere Pestizide werden jedes Jahr auf US-Farmen und -Ranches eingesetzt. Gemäss Agrarzensus von 2017 verfügt die USA über 900'217’576 Hektar Ackerland. Das bedeutet, dass auf jedem Hektar Ackerland pro Jahr etwa ein Pfund Pestizide ausgebracht wird. Das entspricht ungefähr einer Menge von zwei Getränkedosen.
Argumente gegen Glyphosat halten Prüfung nicht stand
Das meistverkaufte Pestizid in den USA ist Glyphosat. Dabei handelt es sich um ein Herbizid, das zur Unkrautbekämpfung eingesetzt wird. Jährlich werden etwa 270 bis 290 Millionen Pfund Glyphosat eingesetzt. In den vergangenen Jahren wurden Tausende von Klagen gegen einen grossen Pestizidhersteller eingereicht. Die Angst der Verbraucher vor Pestiziden hat sich dadurch noch verstärkt. Dabei gehört Glyphosat zu den sichersten Pestiziden. Das Unkrautbekämpfungsmittel reichert sich nicht in der Umwelt an, es gelangt nicht in die Wasserläufe und ist für die menschliche Gesundheit sicherer als so manche Alternative.
Glyphosat ist beliebt, weil es bei sogenannten «Roundup Ready crops» – gentechnisch veränderte und Glyphosat-resistente Pflanzen – eingesetzt werden kann. Diese Pflanzen sind sowohl für die Landwirte als auch für die Umwelt von Vorteil. Die Landwirte können so den Einsatz von potenziell schädlicheren Pestiziden verhindern. Zudem kann durch den Einsatz von Herbiziden die aufwendige Bodenbearbeitung vermieden werden. Diese schadet Bodenorganismen, verursacht Erosion und kann zu Abfluss führen. Herbizide senken zudem die Betriebskosten. Dadurch können die Lebensmittelpreise auf einem günstigen Niveau gehalten werden.
Sind diese Lebensmittel auch sicher? Die Antwort lautet: Ja! Die US-Umweltschutzbehörde und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit haben Studien durchgeführt, die zeigen, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht krebserregend ist. Dennoch hält sich der Mythos hartnäckig und wird durch Klagen aufrechterhalten. Insgesamt haben weltweit 20 unabhängige Behörden Tausende von Studien über die Auswirkungen von Glyphosat in unseren Lebensmitteln überprüft. Alle kamen zum Schluss, dass die in der Landwirtschaft eingesetzten Mengen kein Gesundheitsrisiko darstellen. Nur sehr wenige Chemikalien wurden so umfassend getestet und erforscht wie Glyphosat. Klar ist: Ohne Glyphosat würde die Landwirtschaft leiden.

Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) führt regelmässig Proben von inländischen und importierten Lebensmitteln durch. Die Lebensmittelversorgung der USA gehört zu den sichersten der Welt. Im Jahr 2017 untersuchte die FDA 1799 Proben auf Pestizidrückstände. 52,5 Prozent der entnommenen Proben wiesen keine nachweisbaren Rückstände auf. Das heisst, selbst wenn bei der Produktion der betreffenden Kulturpflanzen Pestizide verwendet wurden, wurden diese auf keinem der geernteten Produkte gefunden. Insgesamt wurden 6069 inländische und importierte Proben getestet. Glyphosat wurde nur 36-mal gefunden. Es entspricht somit einer Wahrscheinlichkeit von 0,6 Prozent, dass sich Glyphosat in einem Lebensmittel befindet. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Glyphosatgehalt über dem zulässigen Höchstwert liegt, ist noch geringer.
Es gibt eine «zulässige» Höchstmenge an Pestiziden in Lebensmitteln. Grundsätzlich gilt: Wo Pestizide in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden, besteht die Möglichkeit, dass die Inhaltsstoffe in der menschlichen Nahrung gefunden werden. Deshalb werden umfangreiche Tests durchgeführt, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die FDA legt die zulässigen Grenzwerte fest, die so bemessen sind, dass sie mit hinreichender Sicherheit keine gesundheitlichen Schäden verursachen. Und obwohl in den USA 20 Prozent aller Pestizide weltweit eingesetzt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Produkte gegen die Vorschriften verstossen, geringer als bei anderen Produkten.
Vorteile eines umsichtigen Einsatzes von Pestiziden
Pestizide helfen uns, mehr Lebensmittel mit weniger Ressourcen zu produzieren. Der Fortschritt der Gesellschaft führt dazu, dass wir bei vielen Dingen ein vernünftiges Schadensrisiko in Kauf nehmen, weil sie uns offensichtlich Vorteile bringen. Beispiele dafür sind das Autofahren (das mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:107 tödlich endet), das Fliegen in Flugzeugen (mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:9821 tödlich) oder sogar so nützliche Dinge wie eine Operation, die eine Sterblichkeitsrate von 0,71 Prozent hat. Bei allem, was wir in unserem Leben tun, gehen wir ein gewisses Risiko ein, und beim Einsatz von Pestiziden ist das nicht anders.
Ohne Pestizide würde mehr als die Hälfte unserer Ernten durch Schädlinge und Krankheiten verloren gehen. Kulturpflanzen konkurrieren mit 30’000 Unkrautarten, 3000 Wurmarten und 10’000 Arten pflanzenfressender Insekten. Pestizide ermöglichen es uns, diese Schädlinge zu bekämpfen und bessere Erträge zu erzielen. Der Wegfall von Pestiziden wäre für die Landwirtschaft und für Hausbesitzer, die ihren Rasen und Garten pflegen, verheerend. Auch Bioproduzenten verwenden Pestizide. Wer sich Sorgen über Pestizide in seinen Lebensmitteln macht, sollte an die viele Kontrollmechanismen denken, die die Sicherheit der Lebensmittel gewährleisten.
Bei Obst und Gemüse ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Pestizidrückstände enthalten, am grössten. Die Pflanzenschutzmittel werden dort während der Vegetationsperiode ausgebracht. Studien zeigen jedoch, dass die meisten Pestizidrückstände entfernt werden können, wenn die Produkte unter sauberem, fliessendem Wasser gewaschen werden.
Dieser Artikel wurde erstmals am 11. Januar 2022 auf www.geneticliteracyproject.org unter dem Titel “‘Pesticide’ has become a dirty word. Here’s why most fears are misplaced” veröffentlicht.
Michelle Miller alias «The Farm Babe» setzt sich hauptberuflich für die Landwirtschaft ein. Sie ist Kolumnistin für «The Genetic Literacy Project» und «AGDaily». Als international anerkannte Autorin und Influencerin setzt sie sich leidenschaftlich dafür ein, die Kluft zwischen Landwirten und Verbrauchern zu überbrücken, indem sie der Wissenschaft eine stärkere Stimme verleiht. Michelle wohnt auf einer Holzfarm in Nord-Zentralflorida. Erfahren Sie mehr unter www.thefarmbabe.com oder auf Twitter @theFarmBabe.
Ähnliche Artikel

Bei Bio Suisse klaffen Schein und Wirklichkeit auseinander
Der Dachverband Bio Suisse hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Organisation mit fast einhundert Angestellten entwickelt. Um die vom Detailhandel geforderten Mengen und die hohe, auch optische Qualität des konventionellen Anbaus erzielen zu können kommt auch Bio Suisse nicht um Flächenspritzungen mit Insektiziden herum.

Exportiert die Industrie verbotene Pestizide?
Die Medien sind voll von Berichten über Schweizer Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, die Pestizide exportieren, die in der Schweiz verboten sind. Schwache Vorschriften in den Importländern würden bewusst ausgenutzt. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Die Schweizer Hersteller halten sich beim Export von Pflanzenschutzmitteln an strenge internationale Normen. Da Zulassungen zudem kulturspezifisch und abgestimmt auf die agronomischen Bedürfnisse und den Markt erfolgen, macht eine generelle Zulassung in der Schweiz keinen Sinn.

Weil Pflanzen Schutz vor Schädlingen und Krankheiten brauchen
Die Gesundheit unserer Nutzpflanzen ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: In unserer von Mobilität geprägten Welt verbreiten sich Schädlinge und Pflanzenkrankheiten wie die Lauffeuer. Als Brandbeschleuniger wirkt der Klimawandel. Wenn Schädlinge migrieren und sich neue Pflanzenkrankheiten in unseren Breitengraden etablieren, können sie zur Gefahr für einheimische Arten werden. Daran erinnert jeweils am 12. Mai der internationale Tag der Pflanzengesundheit. Und der Tag zeigt: Um die Pflanzengesundheit auch in Zukunft zu gewährleisten, braucht es vor allem Forschung und Innovation.

Bio Suisse lehnt moderne Züchtungsmethoden ab
Die Delegierten von Bio Suisse lehnten an ihrer Versammlung vom April 2023 den Gebrauch von neuen Züchtungsmethoden in der biologischen Landwirtschaft ab. Damit verschliesst sich der Bio-Verband der Möglichkeit durch moderne Präzisionszüchtungen produktiver und zugleich nachhaltiger zu werden, etwa durch die Einzüchtung von Krankheitstoleranzen mit der Genschere Crispr/Cas. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, fiel der Entscheid der Delegierten deutlich aus. Eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung zum Thema habe nicht stattgefunden.