 
                                                Neue Technologien braucht die Landwirtschaft
Die Behörden scheinen die Notwendigkeit erkannt zu haben, Landwirten bessere Technologien in die Hand zu geben, mit denen sie dem Klimawandel und zunehmenden Wetterextremen effektiv begegnen können. Die Schweiz sollte sich die Chance nicht entgehen lassen, hierbei eine wichtige Rolle einzunehmen und einen wertvollen Beitrag zur Ernährungssicherheit zu leisten.
Montag, 6. Dezember 2021
Dieser Gastkommentar von Erik Fyrwald, CEO Syngenta Group, ist als Erstveröffentlichung in Le Temps vom 25. August erschienen.
Klimawandel, geopolitische Konflikte und steigende Energie- und Düngerpreise setzen Bauern weltweit unter Druck. Sie müssen ihre Produktion und Effizienz steigern, um die Ernährungssicherheit zu garantieren und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Umwelt verringern. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen haben heute bereits mehr als 800 Millionen Menschen keinen Zugang zu gesunder, erschwinglicher Nahrung und die Zahl derer, die akut von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, hat sich seit 2020 auf 345 Millionen verdoppelt. Parallel dazu lässt der Klimawandel die Durchschnittstemperaturen immer weiter steigen. Das führt in der Folge zu noch häufigeren Dürreperioden und anderen Wetterextremen und ermöglicht Schädlingen und Krankheiten, in immer neuen Regionen Fuss zu fassen. 
Landwirte geben überall auf der Welt ihr Bestes, um trotz dieser herausfordernden Umstände gute Ernten zu erzielen – doch die Forderungen nach den besten wissenschaftsbasierten, innovativen Landwirtschaftstechnologien werden lauter. Zu den vielversprechendsten gehört das Genom-Editing, allen voran das 2012 eingeführte CRISPR-Cas-Verfahren, das als Gen-Schere bekannt wurde.
Lange wurde diese Nobelpreis-gewürdigte Technologie zurückgebunden. Doch nun kommt Bewegung auf: Die Europäische Kommission hatte im vergangenen Juli eine Überarbeitung ihrer Regularien für Neue Züchtungstechniken (NZT) in der Landwirtschaft angekündigt. Und in der Schweiz hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, bis spätestens Mitte 2024 einen Erlassentwurf vorzulegen für eine risikobasierte Zulassungsregelung für Pflanzen, die mit neuen Züchtungsmethoden hergestellt wurden und denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde.
Viele Bauern sind sich einig, dass es den Zugang zu neuen Technologien braucht, um mit den wachsenden Herausforderungen umgehen zu können. Dazu zählen vor allem verbesserte Pflanzensorten, die höhere Erträge ermöglichen, die Resistenz gegen Wetterextreme und Schädlinge verbessern und die Bodengesundheit fördern. Zudem sorgen sie für besseren Geschmack und eine längere Haltbarkeit von Lebensmitteln, was den Verbrauchern zugutekommt.
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene NZT-Verordnung bestätigt, dass die Genom-Editierung das Potenzial hat, genau diese Verbesserungen zu bewirken. Inzwischen bringen Züchter Nutzpflanzen mit längeren Wurzeln hervor, die auch bei langanhaltender Trockenheit noch ausreichend Flüssigkeit liefern können und ihnen helfen, auch heftige Stürme oder Überschwemmungen zu überstehen. Neue Weizen-Hybridsorten, die gegen extremen klimatisch bedingten Stress toleranter gemacht wurden, erbringen unter vergleichbaren Bedingungen nachweislich bis zu 10 % höhere Erträge als andere Sorten. Diese Errungenschaften könnten theoretisch auch durch traditionelle Züchtung über einen langen Zeitraum entwickelt werden. Mit den neuen Züchtungstechnologien ist deren Entwicklung jedoch in nur wenigen Jahren möglich. Sie stellen eine entscheidende Ressource dar, wenn wir unsere Ziele jetzt – und nicht erst in ferner Zukunft, wo der Erfolg möglicherweise zu spät kommt – erreichen wollen.
Mancherorts wird befürchtet, dass Unternehmen und Forschungsinstitute auf ihre Erfindungen auch immer gleich ein Patent anmelden. In Wirklichkeit ist das nicht anders als bei herkömmlicher Züchtung: Weder in der Schweiz noch der EU werden Patente auf Pflanzensorten erteilt. Auch können Eigenschaften einer Pflanze nicht patentiert werden, sofern sie das Resultat traditioneller Züchtungsmethoden sind. Wer beispielsweise von alten Sorten mit traditionellen Methoden weiterzüchtet, ist schlicht nicht betroffen. Nur wer die neuesten Erfindungen kommerziell nutzen will, muss eine Lizenz erwerben.
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen neuen Richtlinien zur Regulierung von NZT sind ein begrüssenswerter Wendepunkt in der bisherigen politischen Diskussion in Europa. Ich hoffe, dass der Vorschlag des Bundesrats diese Entwicklung aufnimmt – auch wenn Syngenta keine Züchtungsaktiviäten mehr in der Schweiz betreibt. Als hier forschendes und produzierendes Unternehmen haben wir grosses Interesse an einem technologiefreundlichen Umfeld und daran, dass die Schweiz in einem so wichtigen Bereich wie der Biotechnologie wieder in der Spitzenklasse mitspielt.
Die Zulassungsvorschriften für genomeditierte Nutzpflanzen werden in immer mehr Ländern gelockert. Entsprechend stark zieht die Forschungstätigkeit an, was vielen Akteuren eine Marktchance bietet und einer zunehmenden «Demokratisierung» der Pflanzenzüchtung gleichkommt. Die Behörden scheinen die Notwendigkeit erkannt zu haben, Landwirten bessere Technologien in die Hand zu geben, mit denen sie dem Klimawandel und zunehmenden Wetterextremen effektiv begegnen können. Die Schweiz sollte sich die Chance nicht entgehen lassen, hierbei eine wichtige Rolle einzunehmen und einen wertvollen Beitrag zur Ernährungssicherheit zu leisten.
Ähnliche Artikel
 
            
                    
        Sushi aus Schweizer Reis – seit ein paar Jahren möglich
Wo früher Feldsalat und Kartoffeln wuchsen, gedeiht heute eine Kultur, die man bisher eher aus Asien kennt: Reis. Was nach exotischer Spielerei klingt, hat sich in einigen Regionen der Schweiz zu einer spannenden Nische mit Zukunft entwickelt.
 
            
                    
        Pestizide im Wasser: Die Quellen sind vielfältig und liegen näher, als wir denken
Eine neue nationale Studie zeigt: Die Belastung Schweizer Flüsse und Bäche mit Pestiziden hat komplexere Ursachen als bisher angenommen. Zwar stammen Substanzen weiterhin aus der Landwirtschaft, doch ein beträchtlicher Teil gelangt über andere Wege in die Gewässer.
 
            
                    
        Studien zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sind wissenschaftsbasiert
Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unterliegt in der Schweiz strengen gesetzlichen Vorgaben. Letztlich basiert die Zulassung auf wissenschaftlich fundierten Studien. Diese Studien werden von den Herstellern finanziert, jedoch unterliegen sie klar definierten staatlichen Anforderungen und Kontrollen. Ziel ist es, Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit sicherzustellen.
 
            
                    
        Biotechnologie als Werkzeug für den Naturschutz
Neue genomische Technologien können helfen, bedrohte Arten zu retten – vom Kastanienbaum bis zum Weissen Breitmaulnashorn.
 
                     
                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                