Meinungen
Joel Meier

«Der Kampf gegen Food Waste beginnt auf dem Acker»

Der Bundesrat hat einen Aktionsplan gegen Food Waste erlassen. Tatsächlich betrachten es immer mehr Menschen als ethisch verwerflich, wenn Lebensmittel weggeworfen werden, die eigentlich zum Verzehr bestimmt sind. Der WWF schätzt, dass in der Schweiz pro Jahr und Person rund 177 Kilogramm Lebensmittel im Abfall landen.

Freitag, 5. April 2019

Die Empörung gegen Food Waste trifft einen Nerv der Zeit. Es ist tatsächlich mehr als störend, dass es auf dieser Welt immer noch Hungernde gibt, während andere Lebensmittel wegwerfen. Allerdings ist es wichtig, dass der Kampf gegen Food Waste nicht beim eigenen Kühlschrank haltmacht. Er beginnt in der Landwirtschaft – auf jedem Acker. Die Schweizerische Gesellschaft für Phytomedizin beschäftigt sich mit der Erhaltung und der Verbesserung der Gesundheit von Pflanzen. Tatsächlich ist der Schutz der landwirtschaftlich genutzten Pflanzen ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, Ernteverluste zu vermeiden. Diesem Zweck dient auch die Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln.

Wenn die Sicht nur bis zum verdorbenen Joghurt im Kühlschrank reicht, gerät die ganze Dimension des Problems aus dem Blick. Ein beträchtlicher Teil der weltweit angebauten Feldfrüchte geht durch Krankheiten und Schädlinge verloren. Die Ernteverluste betragen im globalen Schnitt 30 Prozent, wie eine Forschergruppe rund um die International Society for Plant Pathology in einer im Wissenschaftsmagazin «Nature» publizierten Studie festhielt. Bei Kartoffeln, Soja, Weizen und Mais kommt es zu Einbussen von rund 20 Prozent. Durch Schädlinge und Pflanzenkrankheiten werden Ertrag und Qualität der landwirtschaftlichen Produktion massiv reduziert. Weltweit stellen Schädlinge und Pflanzenkrankheiten eine grosse Last und – durch vernetzte Warenströme – auch eine sich schnell ausbreitende Gefahr dar. Ein Beispiel ist die sich nun auch bei uns rasch ausbreitende Marmorierte Baumwanze.

In diesem Kontext ist auch der Nutzen von Pflanzenschutzmitteln zu sehen. Eine wirksame Bekämpfung von Food Waste reicht von der Grundlagenforschung an Universitäten, über die Forschung der Industrie zur Identifikation von neuen Wirkstoffen, bis zum sorgfältigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Pflanzenschutzmittel reduzieren die Lebensmittelverluste auf dem Acker. Sie erhöhen jedoch auch Qualität und Haltbarkeit der Produkte. Was länger haltbar ist, wird in der Küche eher verwendet und landet nicht ungenutzt im Abfall. Der Kampf gegen Food Waste ist nicht nur eine Frage der persönlichen Moral, sondern Ausdruck einer umfassenden Ethik, die Verluste von Lebensmitteln in der Landwirtschaft nicht einfach hinnimmt.

Die globale Erwärmung führt zu mehr Schädlingsdruck und Pflanzenkrankheiten. Das unterstreicht eine weitere Studie internationaler Wissenschafter zum Effekt des Klimawandels auf die Ausbreitung von Schädlingen. Darauf braucht die weltweite Landwirtschaft Antworten. Und diese Antworten kann nur wissenschaftlich betriebener Pflanzenschutz liefern. Eine Verweigerungshaltung, wie zwei von der Bevölkerung 2021 deutlich abgelehnte Volksinitiativen in der Schweiz zur massiven Einschränkung beziehungsweise zum Verbot von Pflanzenschutz verlangten, leistet keinen Beitrag gegen Food Waste, im Gegenteil: Sie ist schädlich. Denn die wachsende Weltbevölkerung kann letztlich nur ernährt werden, wenn wir Food-Waste schon auf dem Feld in den Griff bekommen. Natürlich ist dies kein Plädoyer gegen ein verantwortliches Einkaufsverhalten. Doch am Beginn der Kette stehen der verantwortungsvolle Pflanzenschutz und die Pflanzengesundheit.

Joel Meier ist Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Phytomedizin. Die Phytomedizin beschäftigt sich mit Pflanzenkrankheiten. Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Version seines Gastkommentars in der NZZ vom 5. April 2019.

«Die Genschere revolutioniert auch den biologischen Pflanzenschutz»

Urs Niggli

Urs Niggli

Agrarwissenschafter und Präsident von Agroecology Science

«Neue genomische Verfahren in der Pflanzenzüchtung: Nachhaltigkeit braucht Innovation»

Philipp Aerni

Philipp Aerni

Wirtschaftsprofessor & Experte Corporate Responsibility and Sustainability

«Carte Blanche: Überzogene Anti-Alkohol-Strategie»

Philipp Schwander

Philipp Schwander

Master of Wine, Weinexperte und Unternehmer

«Landwirtschaft braucht eine gemeinsame Vision»

Dr. Christian Stockmar

Dr. Christian Stockmar

Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz, Österreich

«Reine Selbstüberschätzung»

Patrick Dümmler

Patrick Dümmler

Ressortleiter Nachhaltigkeit und Wirtschaftspolitik des Schweizerischen Gewerbeverbandes

«Wir sind Europas Schlusslicht beim Pflanzenschutz»

David Brugger

David Brugger

Leiter Pflanzenbau, Schweizer Bauernverband

«Die orangen Elefanten im Raum»

Jürg Vollmer

Jürg Vollmer

Agrarjournalist

«Neuorientierung bei der Gentechnik»

Raphael Bühlmann

Raphael Bühlmann

Land- und Betriebswirt FH.

«Politik scheint resistent gegen Fakten»

Beat Keller

Beat Keller

Professor für Molekulare Pflanzenbiologie an der Universität Zürich

«Präzise Verfahren brauchen liberale Regeln»

Jürg Niklaus

Jürg Niklaus

Jürg Niklaus ist promovierter Jurist und setzt sich für Pflanzenzüchtung ein.

«Mehr Pestizide, mehr Gentechnik: Wie wir den Hunger überwinden»

Markus Somm

Markus Somm

Journalist, Publizist, Verleger und Historiker

«Die Angst vor Gentech-Pflanzen ist unnötig»

Anke Fossgreen

Anke Fossgreen

Leiterin Wissenteam Tamedia

«Politik darf Nahrungsmittelpreise nicht weiter in die Höhe treiben»

Babette Sigg Frank

Babette Sigg Frank

Präsidentin Konsumentenforum

«Chance der grünen Biotechnologie nutzen»

Roman Mazzotta

Roman Mazzotta

Länderpräsident Syngenta Schweiz

«Nachhaltigkeit bedeutet mehr»

Hendrik Varnholt

Hendrik Varnholt

Ressortleiter Industrie bei der Lebensmittel Zeitung

«Ein Drittel Bio löst das Problem nicht»

Olaf Deininger

Olaf Deininger

Entwicklungs-Chefredakteur Agrar-Medien

«Allein mit ökologischen Methoden werden wir es nicht schaffen»

Saori Dubourg

Saori Dubourg

Mitglied des Vorstands der BASF SE

«Die meisten Ängste gegenüber Pestiziden sind unbegründet»

Michelle Miller

Michelle Miller

Kolumnistin bei Genetic Literacy Project und AGDaily

Neue Technologien braucht die Landwirtschaft

Erik Fyrwald

Erik Fyrwald

CEO Syngenta Group

«Moderne Pestizide können zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen»

Jon Parr

Jon Parr

Präsident von Syngenta Crop Protection

«Wer hat Angst vor den bösen GVO?»

Jürg Vollmer

Jürg Vollmer

Agrarjournalist

«Was uns Pflanzenzüchtung bringt»

Achim Walter

Achim Walter

Professor für Kulturpflanzenwissenschaften, ETH Zürich

«Forschungs- und Werkplatz braucht Impuls»

Jan Lucht

Jan Lucht

Leiter Biotechnologie bei Scienceindustries

«Landwirtschaft spielt eine tragende Rolle»

Jan Grenz

Jan Grenz

Dozent für Nachhaltigkeit, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL

«Wirkungsmechanismen der Natur besser verstehen»

Urs Niggli

Urs Niggli

Agrarwissenschafter und Präsident von Agroecology Science

«Ernährungssicherheit braucht echte Schweizer Produktion»

Jil Schuller

Jil Schuller

Redaktorin «BauernZeitung»

«Laien lassen die Dosis völlig ausser Acht»

Michael Siegrist

Michael Siegrist

Professor für Konsumentenverhalten, ETH Zürich

«Ist Bio wirklich gesünder?»

Anna Bozzi

Anna Bozzi

Leiterin Bereich Ernährung und Agrar bei scienceindustries

«Gentechnik und Umweltschutz gehen Hand in Hand»

Dr. Teresa Koller

Dr. Teresa Koller

Forscht am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich

«Die «Greta»-Generation wird mit Paradigmen rigoros aufräumen.»

Bruno Studer

Bruno Studer

Professor für Molekulare Pflanzenzüchtung, ETH Zürich

«Wir schützen was wir nutzen»

Regina Ammann

Regina Ammann

Leiterin Sustainability & Public Affairs, Syngenta Schweiz

«Der Kampf gegen Food Waste beginnt auf dem Acker»

Joel Meier

Joel Meier

Joel Meier ist Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Phytomedizin.

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