Meinungen
Olaf Deininger

«Ein Drittel Bio löst das Problem nicht»

Die biologische gegen die konventionelle Landwirtschaft auszuspielen bringe uns nicht weiter, schreibt Olaf Deininger. Viel eher müsse in neue Technologien investiert werden, um den Übergang von einer industriellen zu einer intelligenten Landwirtschaft zu ermöglichen. Dann werden die Unterschiede zwischen bio und konventionell der Vergangenheit angehören.

Donnerstag, 3. Februar 2022

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat die Biolandwirtschaft zum neuen Leitbild erklärt - mehrfach und zuletzt in einer Pressemitteilung von dieser Woche. Aber Özdemir sollte weiterdenken. «Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) macht den ökologischen Landbau zu seinem Leitbild für eine nachhaltige Landwirtschaft. Daher soll die Ökolandbaufläche bis zum Jahr 2030 auf 30 Prozent ausgeweitet werden», so der Agrarminister in dieser Woche. Das mögen viele für einen Schritt in die richtige Richtung halten. Begründet wird dies mit den hinlänglich bekannten, überwiegend auch relevanten und nachvollziehbaren Argumenten von ökologisch nachteiligen Folgen auf das Klima, Ressourcenverbrauch und externalisierte Kosten. Andere halten dieses Leitbild dagegen für fragwürdig, fürchten um die Lebensmittelsicherheit, einen dramatisch sinkenden Grad der Selbstversorgung (der dann durch ökologisch schädlichere Produkte aus dem Ausland kompensiert werden muss) und beklagen einen falschen Kult um die (überschätzte) ökologische Verträglichkeit von Biolandwirtschaft.

Doch ganz gleich, wie man das sieht: «Ist das so einfach»? Schwarz-weiss – «Mehr Bio» gegen «Bio bringt nichts»? Wenn man die alten unproduktiven Lagerkämpfe hinter sich lassen möchte (und das müssen wir, damit wir die anstehenden Probleme gelöst bekommen), dann muss man die Frage anders stellen. Sie müsste lauten: Auch wenn Biolandwirtschaft möglicherweise ein Schritt in die richtige Richtung wäre – reicht dieser Schritt aus? Ist mit Bio alles erledigt? Und meine Antwort lautet: Eigentlich nicht! Denn Bio- und konventionelle Landwirtschaft haben eines gemeinsam: Sie arbeiten überwiegend nach industriellen Methoden – und setzen dafür (noch) relativ unintelligente Technik ein. Wenn etwa nicht pflanzenspezifisch gearbeitet wird oder ganze Tierbestände über einen Kamm geschoren werden. Alles viel zu grob. Hier sollten wir ansetzen. Bereits heute existieren neue, meist digitale Technologien, die präzisere Verfahren ermöglichen und dafür sorgen, dass Pflanzenschutzmittel gezielt eingesetzt werden und Landwirte mit zehn Prozent der bisherigen Mengen auskommen.

Leichte, autonome und mit Solarstrom betriebene Maschinen machen mechanische Verfahren wieder erschwinglich und rentabel. Mit künstlicher Intelligenz arbeitende Systeme überwachen das Tierwohl, erkennen Krankheiten bereits bei der Aufzucht und erlauben es, die Tiere früher und präventiv zu behandeln – und nicht erst, wenn sie die halbe Herde angesteckt haben.

Wir erleben gerade den Übergang von einer industriellen zu einer intelligenten Landwirtschaft. Denkt man das zu Ende, dann verschwindet in wenigen Jahren der Unterschied zwischen biologischer und konventioneller Landwirtschaft. Und genau in diese intelligente Landwirtschaft sollte Cem Özdemir investieren – und die Betriebe darin unterstützen, mit diesen Systemen zu arbeiten. Damit wir künftig nicht mehr entlang der alten Verwerfungslinien diskutieren müssen, sondern als künftigen Normalfall eine intelligente, gesunde und maximal nachhaltige Landwirtschaft für alle bekommen.

Olaf Deininger ist Chefredakteur der Agrar-Medien bei der Mediengruppe Deutscher Fachverlag, Buchautor («Food Code – Wie wir in der digitalen Welt die Kontrolle über unser Essen behalten») und Digital-Experte. Der Wirtschaftsjournalist blickt auf eine langjährige Erfahrung in leitenden Positionen in Food- und Fachmedien zurück. Der Beitrag erschien zuerst am 21. Januar 2022 in der «agrarzeitung».

«Die Genschere revolutioniert auch den biologischen Pflanzenschutz»

Urs Niggli

Urs Niggli

Agrarwissenschafter und Präsident von Agroecology Science

«Neue genomische Verfahren in der Pflanzenzüchtung: Nachhaltigkeit braucht Innovation»

Philipp Aerni

Philipp Aerni

Wirtschaftsprofessor & Experte Corporate Responsibility and Sustainability

«Carte Blanche: Überzogene Anti-Alkohol-Strategie»

Philipp Schwander

Philipp Schwander

Master of Wine, Weinexperte und Unternehmer

«Landwirtschaft braucht eine gemeinsame Vision»

Dr. Christian Stockmar

Dr. Christian Stockmar

Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz, Österreich

«Reine Selbstüberschätzung»

Patrick Dümmler

Patrick Dümmler

Ressortleiter Nachhaltigkeit und Wirtschaftspolitik des Schweizerischen Gewerbeverbandes

«Wir sind Europas Schlusslicht beim Pflanzenschutz»

David Brugger

David Brugger

Leiter Pflanzenbau, Schweizer Bauernverband

«Die orangen Elefanten im Raum»

Jürg Vollmer

Jürg Vollmer

Agrarjournalist

«Neuorientierung bei der Gentechnik»

Raphael Bühlmann

Raphael Bühlmann

Land- und Betriebswirt FH.

«Politik scheint resistent gegen Fakten»

Beat Keller

Beat Keller

Professor für Molekulare Pflanzenbiologie an der Universität Zürich

«Präzise Verfahren brauchen liberale Regeln»

Jürg Niklaus

Jürg Niklaus

Jürg Niklaus ist promovierter Jurist und setzt sich für Pflanzenzüchtung ein.

«Mehr Pestizide, mehr Gentechnik: Wie wir den Hunger überwinden»

Markus Somm

Markus Somm

Journalist, Publizist, Verleger und Historiker

«Die Angst vor Gentech-Pflanzen ist unnötig»

Anke Fossgreen

Anke Fossgreen

Leiterin Wissenteam Tamedia

«Politik darf Nahrungsmittelpreise nicht weiter in die Höhe treiben»

Babette Sigg Frank

Babette Sigg Frank

Präsidentin Konsumentenforum

«Chance der grünen Biotechnologie nutzen»

Roman Mazzotta

Roman Mazzotta

Länderpräsident Syngenta Schweiz

«Nachhaltigkeit bedeutet mehr»

Hendrik Varnholt

Hendrik Varnholt

Ressortleiter Industrie bei der Lebensmittel Zeitung

«Ein Drittel Bio löst das Problem nicht»

Olaf Deininger

Olaf Deininger

Entwicklungs-Chefredakteur Agrar-Medien

«Allein mit ökologischen Methoden werden wir es nicht schaffen»

Saori Dubourg

Saori Dubourg

Mitglied des Vorstands der BASF SE

«Die meisten Ängste gegenüber Pestiziden sind unbegründet»

Michelle Miller

Michelle Miller

Kolumnistin bei Genetic Literacy Project und AGDaily

Neue Technologien braucht die Landwirtschaft

Erik Fyrwald

Erik Fyrwald

CEO Syngenta Group

«Moderne Pestizide können zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen»

Jon Parr

Jon Parr

Präsident von Syngenta Crop Protection

«Wer hat Angst vor den bösen GVO?»

Jürg Vollmer

Jürg Vollmer

Agrarjournalist

«Was uns Pflanzenzüchtung bringt»

Achim Walter

Achim Walter

Professor für Kulturpflanzenwissenschaften, ETH Zürich

«Forschungs- und Werkplatz braucht Impuls»

Jan Lucht

Jan Lucht

Leiter Biotechnologie bei Scienceindustries

«Landwirtschaft spielt eine tragende Rolle»

Jan Grenz

Jan Grenz

Dozent für Nachhaltigkeit, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL

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Urs Niggli

Urs Niggli

Agrarwissenschafter und Präsident von Agroecology Science

«Ernährungssicherheit braucht echte Schweizer Produktion»

Jil Schuller

Jil Schuller

Redaktorin «BauernZeitung»

«Laien lassen die Dosis völlig ausser Acht»

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Michael Siegrist

Professor für Konsumentenverhalten, ETH Zürich

«Ist Bio wirklich gesünder?»

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Anna Bozzi

Leiterin Bereich Ernährung und Agrar bei scienceindustries

«Gentechnik und Umweltschutz gehen Hand in Hand»

Dr. Teresa Koller

Dr. Teresa Koller

Forscht am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich

«Die «Greta»-Generation wird mit Paradigmen rigoros aufräumen.»

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Bruno Studer

Professor für Molekulare Pflanzenzüchtung, ETH Zürich

«Wir schützen was wir nutzen»

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