
Wir sind Europas Schlusslicht beim Pflanzenschutz
Pflanzenschutzmittel, die in der EU zugelassen sind, sollten auch in der Schweiz rasch angewendet werden, findet Gastautor David Brugger vom Schweizer Bauernverband.
Donnerstag, 23. Januar 2025
Gelb leuchten sollten sie jetzt – die Rapsfelder. Doch statt sattem Gelb gibt es viel Grün zu sehen. Der Grund liegt am enormen Befall durch den Rapsglanzkäfer. Trotz zwei bis drei Behandlungen mit einem Insektizid lässt sich dieser nicht mehr ausreichend kontrollieren. Das Problem ist zu einem guten Stück hausgemacht. In den letzten Jahren haben wir in der Schweiz rund einen Drittel aller Pflanzenschutzmittelwirkstoffe verloren. Zwei Drittel der Insektizide gegen Rapsschädlinge sind unterdessen verboten, ohne dass die Behörden wirksame Alternativen zur Verfügung gestellt haben. Auch die Saatbeizmittel sind weg.
Dass es so nicht weitergehen kann, ist auch dem Bund klar
Mit ein Grund dafür ist unser völlig festgefahrenes Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel. Es stauen sich gegen 770 Produkte bei der Zulassungsstelle, und auch die Wartedauer ist rekordverdächtig. In einigen Fällen beträgt sie schon acht Jahre. Nach massivem Druck bekamen die Umweltverbände vor einigen Jahren ein umfassendes Mitspracherecht eingeräumt, wie man es in Europa sonst nicht kennt. Die Folgen dieser Rosskur sind auf den Feldern inzwischen überall sichtbar. Es fehlen Lösungen gegen Drahtwurm, Kirschessigfliege oder die Baumwoll-Kapseleule, welche die Ernten ganzer Kirschenanlagen, Bohnen- und Zuckermaisfelder vernichten. Aber auch Lücken bei Herbiziden machen zu schaffen. Problemungräser und -unkräuter breiten sich immer weiter aus. Dass es so nicht weitergehen kann, ist inzwischen auch dem Bund klar.
In einem Zwischenbericht zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Pflanzenschutz stellte das Bundesamt für Landwirtschaft fest, dass nur zwei der drei Hauptziele erreicht werden: Schutz der Umwelt und des Menschen. Beim dritten Ziel, dem Schutz der Kulturen, zeigt sich statt einer Verbesserung eine Verschlechterung. Der Bund schlägt deshalb eine Revision der Pflanzenschutzmittelverordnung vor. Der Vorschlag löst die dringlichen Probleme der Praxis jedoch in keiner Weise. Er sieht im Grundsatz nur eine Erhöhung des Personalbestandes um 6 auf 52 (!) Vollzeitstellen vor. Das Grundproblem – der völlig blockierte und ineffiziente Zulassungsprozess – bleibt ungelöst.
Schaden für die pflanzliche Produktion in der Schweiz
Darum schlagen wir vor, für den Pflanzenschutz das gleiche Verfahren einzuführen, wie es schon viele Jahre erfolgreich für Biozide praktiziert wird. Dort übernimmt die Schweiz schon seit jeher die Zulassungsentscheide der EU – ohne dass sich jemals jemand darüber aufgeregt hätte und es zu untragbaren Eingeständnissen gegenüber der Umwelt gekommen wäre. Ein Drittel aller Pflanzenschutzmittel hat auch eine Zulassung als Biozid. Kommen sie als Pflanzenschutzmittel zum Einsatz, werden sie benachteiligt.
Bis vor wenigen Jahren lobten die Umweltverbände den Zulassungsprozess in der EU in den höchsten Tönen. Heute wollen sie davon nichts mehr wissen. Die Schweiz soll alles sofort und ohne eigene Überprüfung verbieten, wenn die EU es tut. Kommen aber neue Produkte auf den Markt, sollen sie weiterhin jahrelang auf ihre Zulassung in der Schweiz warten müssen. Verlieren tut am Ende die pflanzliche Produktion in der Schweiz – genau jener Bereich, den die Behörden, das Parlament und auch Umweltverbände dringend fördern möchten.
David Brugger ist Leiter Pflanzenbau beim Schweizer Bauernverband. Dieser Beitrag ist als Erstveröffentlichung in der «BauernZeitung» vom 15. April 2024 erschienen.
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