 
                                                «Chance der grünen Biotechnologie nutzen»
Die Schweiz muss in der Biotechnologie wieder bei der Spitzenklasse mitspielen und zur Bewältigung der globalen Herausforderungen beitragen. Dies erfordert mehr Mut und Offenheit gegenüber neuen Technologien.
Montag, 5. September 2022
Dieser Gastkommentar von Roman Mazzotta, Länderpräsident Syngenta Schweiz, ist als Erstveröffentlichung in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. August 2023 erschienen.
Die Welt steht vor der gewaltigen Herausforderung, die bis 2050 auf fast zehn Milliarden anwachsende Weltbevölkerung mit genügend und erschwinglicher Nahrung zu versorgen – und gleichzeitig Klima und Umwelt zu schützen. Wir brauchen alle Technologien, um diese Herausforderungen anzugehen. Die Pflanzenzucht ist eine Schlüsseltechnologie. So erlaubt etwa die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Genschere Crispr-Cas9 eine präzise und schnelle Weiterentwicklung bestehender Pflanzensorten ohne Einbau artfremder Gene. Es können so Kulturpflanzen gezüchtet werden, die resistenter gegen Krankheiten und toleranter gegen Dürre sind.
Die EU bezeichnet die neuen Züchtungstechnologien als Schlüssel für eine nachhaltigere Landwirtschaft und hat die Überarbeitung ihrer Regeln für diese Technologien angekündigt. Das hat auch massive Auswirkungen auf den politischen Umgang mit neuen Technologien in der Schweiz. Bisher hat die Schweiz im Umgang mit Pflanzen-Biotechnologie viele Chancen verpasst. In den frühen 2000er Jahren war die Schweiz weltweit führend im Bereich der modernen Pflanzenzüchtung und der landwirtschaftlichen Gentechnik. Der «Golden Rice» von ETH-Professor Ingo Potrykus etwa war eine Weltneuheit. Mit ihm bot sich die Chance, Kinder in Entwicklungsländern vor einem Vitamin-A-Mangel und somit vor Erblindung und Tod zu schützen. Leider blockieren Umweltorganisationen und Hilfswerke diese Erfindung noch heute.
Auch in der Privatwirtschaft war die Forschung im Bereich Pflanzenzüchtung damals sehr stark. Doch das pauschale Gentechnik-Moratorium machte die Schweiz als Forschungsplatz unattraktiv. Die Spitzenforschung wurde ins Ausland verlagert. Heute ist im angewandten Bereich der Pflanzengenetik (ausserhalb der staatlichen Züchtungsabteilung von Agroscope) praktisch kein Know-how mehr vorhanden. Und wegen des Moratoriums müssen Schweizer Landwirte auf die Vorteile der grünen Gentechnik verzichten. Eine mit neuen Technologien gezüchtete Maissorte, die nachweislich den Methanausstoss von Kühen reduziert, dürfen sie nicht anbauen, Mehltau-toleranten Weizen auch nicht.
Die Bevölkerung ist offen gegenüber neuen Technologien, wenn der Nutzen erkannt wird. Die Gegner versuchen indes ihre schädliche Blockade-Politik weiterzuführen, indem sie die Diskussion auf neue Felder ziehen. So geraten Patente auf Saatgut immer mehr in den Mittelpunkt der Kritik. Doch das Narrativ, dass vor allem Konzerne profitieren, ist so einseitig wie falsch. Patente sind ein wichtiger Teil des Erfolgsmodells Schweiz. Sie schützen die ganze Schweizer Wirtschaft, auch einzelne Erfinder oder auf dem Weltmarkt konkurrierende KMU. Bereits heute gibt es im Patentrecht klare Grenzen und Regeln: Weder in der Schweiz noch in der EU werden Patente auf Pflanzensorten erteilt. Auch können in Europa Eigenschaften einer Pflanze nicht patentiert werden, sofern sie das Resultat traditioneller Züchtungsmethoden sind.
Hartnäckig wird auch die Behauptung verbreitet, dass Grossunternehmen den Zugang zu genetischen Ressourcen und Saatgut monopolisierten. Dabei machen es Unternehmen wie Syngenta den Kleinbauern heute einfach, geschütztes Saatgut zu erhalten. Zudem macht Syngenta ihre Pflanzenpatente in Datenbanken und in speziellen Lizenzierungsplattformen transparent. Jeder noch so kleine Pflanzenzüchter sieht, welche Patente Syngenta im Zusammenhang mit einer bestimmten Pflanzensorte in der Schweiz besitzt, und kann eine Lizenz beantragen.
Die Europäische Kommission will neue Züchtungstechnologien in der Landwirtschaft neu regeln. Und hierzulande sind wir auf den Vorschlag des Bundesrats gespannt. Die Schweiz muss in der Biotechnologie wieder bei der Spitzenklasse mitspielen und zur Bewältigung der globalen Herausforderungen beitragen. Dies erfordert mehr Mut und Offenheit gegenüber neuen Technologien.
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