Meinungen
Roman Mazzotta

Chance der grünen Biotechnologie nutzen

Die Schweiz muss in der Biotechnologie wieder bei der Spitzenklasse mitspielen und zur Bewältigung der globalen Herausforderungen beitragen. Dies erfordert mehr Mut und Offenheit gegenüber neuen Technologien.

Dienstag, 5. September 2023

Dieser Gastkommentar von Roman Mazzotta, Länderpräsident Syngenta Schweiz, ist als Erstveröffentlichung in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. August 2023 erschienen.

Die Welt steht vor der gewaltigen Herausforderung, die bis 2050 auf fast zehn Milliarden anwachsende Weltbevölkerung mit genügend und erschwinglicher Nahrung zu versorgen – und gleichzeitig Klima und Umwelt zu schützen. Wir brauchen alle Technologien, um diese Herausforderungen anzugehen. Die Pflanzenzucht ist eine Schlüsseltechnologie. So erlaubt etwa die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Genschere Crispr-Cas9 eine präzise und schnelle Weiterentwicklung bestehender Pflanzensorten ohne Einbau artfremder Gene. Es können so Kulturpflanzen gezüchtet werden, die resistenter gegen Krankheiten und toleranter gegen Dürre sind.

Die EU bezeichnet die neuen Züchtungstechnologien als Schlüssel für eine nachhaltigere Landwirtschaft und hat die Überarbeitung ihrer Regeln für diese Technologien angekündigt. Das hat auch massive Auswirkungen auf den politischen Umgang mit neuen Technologien in der Schweiz. Bisher hat die Schweiz im Umgang mit Pflanzen-Biotechnologie viele Chancen verpasst. In den frühen 2000er Jahren war die Schweiz weltweit führend im Bereich der modernen Pflanzenzüchtung und der landwirtschaftlichen Gentechnik. Der «Golden Rice» von ETH-Professor Ingo Potrykus etwa war eine Weltneuheit. Mit ihm bot sich die Chance, Kinder in Entwicklungsländern vor einem Vitamin-A-Mangel und somit vor Erblindung und Tod zu schützen. Leider blockieren Umweltorganisationen und Hilfswerke diese Erfindung noch heute.

Auch in der Privatwirtschaft war die Forschung im Bereich Pflanzenzüchtung damals sehr stark. Doch das pauschale Gentechnik-Moratorium machte die Schweiz als Forschungsplatz unattraktiv. Die Spitzenforschung wurde ins Ausland verlagert. Heute ist im angewandten Bereich der Pflanzengenetik (ausserhalb der staatlichen Züchtungsabteilung von Agroscope) praktisch kein Know-how mehr vorhanden. Und wegen des Moratoriums müssen Schweizer Landwirte auf die Vorteile der grünen Gentechnik verzichten. Eine mit neuen Technologien gezüchtete Maissorte, die nachweislich den Methanausstoss von Kühen reduziert, dürfen sie nicht anbauen, Mehltau-toleranten Weizen auch nicht.

Die Bevölkerung ist offen gegenüber neuen Technologien, wenn der Nutzen erkannt wird. Die Gegner versuchen indes ihre schädliche Blockade-Politik weiterzuführen, indem sie die Diskussion auf neue Felder ziehen. So geraten Patente auf Saatgut immer mehr in den Mittelpunkt der Kritik. Doch das Narrativ, dass vor allem Konzerne profitieren, ist so einseitig wie falsch. Patente sind ein wichtiger Teil des Erfolgsmodells Schweiz. Sie schützen die ganze Schweizer Wirtschaft, auch einzelne Erfinder oder auf dem Weltmarkt konkurrierende KMU. Bereits heute gibt es im Patentrecht klare Grenzen und Regeln: Weder in der Schweiz noch in der EU werden Patente auf Pflanzensorten erteilt. Auch können in Europa Eigenschaften einer Pflanze nicht patentiert werden, sofern sie das Resultat traditioneller Züchtungsmethoden sind.

Hartnäckig wird auch die Behauptung verbreitet, dass Grossunternehmen den Zugang zu genetischen Ressourcen und Saatgut monopolisierten. Dabei machen es Unternehmen wie Syngenta den Kleinbauern heute einfach, geschütztes Saatgut zu erhalten. Zudem macht Syngenta ihre Pflanzenpatente in Datenbanken und in speziellen Lizenzierungsplattformen transparent. Jeder noch so kleine Pflanzenzüchter sieht, welche Patente Syngenta im Zusammenhang mit einer bestimmten Pflanzensorte in der Schweiz besitzt, und kann eine Lizenz beantragen.

Die Europäische Kommission will neue Züchtungstechnologien in der Landwirtschaft neu regeln. Und hierzulande sind wir auf den Vorschlag des Bundesrats gespannt. Die Schweiz muss in der Biotechnologie wieder bei der Spitzenklasse mitspielen und zur Bewältigung der globalen Herausforderungen beitragen. Dies erfordert mehr Mut und Offenheit gegenüber neuen Technologien.

Neue Technologien braucht die Landwirtschaft

Erik Fyrwald

Erik Fyrwald

CEO Syngenta Group

Chance der grünen Biotechnologie nutzen

Roman Mazzotta

Roman Mazzotta

Länderpräsident Syngenta Schweiz

«Die Angst vor Gentech-Pflanzen ist unnötig»

Anke Fossgreen

Anke Fossgreen

Leiterin Wissenteam Tamedia

«Politik darf Nahrungsmittelpreise nicht weiter in die Höhe treiben»

Babette Sigg Frank

Babette Sigg Frank

Präsidentin Konsumentenforum

«Nachhaltigkeit bedeutet mehr»

Hendrik Varnholt

Hendrik Varnholt

Ressortleiter Industrie bei der Lebensmittel Zeitung

«Ein Drittel Bio löst das Problem nicht»

Olaf Deininger

Olaf Deininger

Entwicklungs-Chefredakteur Agrar-Medien

«Allein mit ökologischen Methoden werden wir es nicht schaffen»

Saori Dubourg

Saori Dubourg

Mitglied des Vorstands der BASF SE

«Die meisten Ängste gegenüber Pestiziden sind unbegründet»

Michelle Miller

Michelle Miller

Kolumnistin bei Genetic Literacy Project und AGDaily

«Moderne Pestizide können zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen»

Jon Parr

Jon Parr

Präsident von Syngenta Crop Protection

«Wer hat Angst vor den bösen GVO?»

Jürg Vollmer

Jürg Vollmer

Chefredaktor Zeitschrift «die grüne»

«Was uns Pflanzenzüchtung bringt»

Achim Walter

Achim Walter

Professor für Kulturpflanzenwissenschaften, ETH Zürich

«Forschungs- und Werkplatz braucht Impuls»

Jan Lucht

Jan Lucht

Leiter Biotechnologie bei Scienceindustries

«Landwirtschaft spielt eine tragende Rolle»

Jan Grenz

Jan Grenz

Dozent für Nachhaltigkeit, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL

«Wirkungsmechanismen der Natur besser verstehen»

Urs Niggli

Urs Niggli

Agrarwissenschafter und Präsident von Agroecology Science

«Ernährungssicherheit braucht echte Schweizer Produktion»

Jil Schuller

Jil Schuller

Redaktorin «BauernZeitung»

«Laien lassen die Dosis völlig ausser Acht»

Michael Siegrist

Michael Siegrist

Professor für Konsumentenverhalten, ETH Zürich

«Ist Bio wirklich gesünder?»

Anna Bozzi

Anna Bozzi

Leiterin Bereich Ernährung und Agrar bei scienceindustries

«Gentechnik und Umweltschutz gehen Hand in Hand»

Dr. Teresa Koller

Dr. Teresa Koller

Forscht am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich

«Die «Greta»-Generation wird mit Paradigmen rigoros aufräumen.»

Bruno Studer

Bruno Studer

Professor für Molekulare Pflanzenzüchtung, ETH Zürich

«Stadt-Land-Graben mit konstruktiver Agrarpolitik überwinden»

Jürg Vollmer

Jürg Vollmer

Chefredaktor Zeitschrift «die grüne»

«Wir schützen was wir nutzen»

Regina Ammann

Regina Ammann

Leiterin Business Sustainability, Syngenta Schweiz

«Der Kampf gegen Food Waste beginnt auf dem Acker»

Joel Meier

Joel Meier

Joel Meier ist Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Phytomedizin.

Ähnliche Artikel

Gentech-Blockade kostet Menschenleben
Medien

Gentech-Blockade kostet Menschenleben

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit jedes Jahr bis zu 500'000 Kinder aufgrund von Vitamin-A-Mangel erblinden.

Invasive Arten mitverantwortlich fürs Artensterben
Medien

Invasive Arten mitverantwortlich fürs Artensterben

Der UNO-Weltrat für biologische Vielfalt hat die Rolle von invasiven gebietsfremden Arten beim Artensterben untersucht. Die Schlussfolgerungen des Berichts sind dramatisch: Invasive gebietsfremde Arten stellen für Natur, Wirtschaft, Ernährungssicherheit und menschliche Gesundheit eine grosse Gefahr dar.

Raps-Anbau in der Schweiz gefährdet
Medien

Raps-Anbau in der Schweiz gefährdet

Rapsöl aus Schweizer Produktion ist hochbegehrt. Für Schweizer Nahrungsmittelproduzenten bietet Rapsöl aus regionaler Produktion deshalb eine wichtige Alternative zu importiertem Palmöl. Doch der Anbau von Raps in der Schweiz ist gefährdet.

Kirschessigfliege bedroht Hochstammbäume
Medien

Kirschessigfliege bedroht Hochstammbäume

In der Schweiz gibt es immer weniger Hochstammbäume. Ihre Pflege ist einerseits aufwendig, andererseits verursacht die eingeschleppte Kirschessigfliege riesige Schäden an den Früchten.